Geschichte

Erinnerungen an eine besondere Nachkriegshochzeit in Heppenheim

Vor wenigen Tagen erreichte die Zeitung durch Stadtarchivarin Kathrin Rehbein die Information, dass Wolfram Ziegler aus Hochstädten Fotos von Hermann und Frieda Nierberg dem Stadtarchiv zu Verfügung gestellt hat.

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dj/ü
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Frieda Nierberg heiratete am 1. Dezember 1945 den Amerikaner Sergeant Nierberg. © Wolfram Ziegler

Heppenheim/Hochstädten. Der Amerikaner Sergeant Nierberg war 1945 in Heppenheim stationiert. Er heiratete seine Frau Frieda am 1. Dezember 1945. Über die Eheschließung dieses Paares wurde schon vor einigen Jahren berichtet.

Ein Hochzeitsfoto gab es bisher nicht. Ziegler hat nicht nur das Hochzeitsfoto, sondern auch weitere Fotos, die seiner Mutter Katharina Ziegler aus Amerika zugeschickt wurden. Die beiden Frauen standen im Briefwechsel. Das Hochzeitsfoto zeigt das Brautpaar mit Zwillingen als Blumenmädchen. Außerdem gibt es ein Porträt von Frieda Nierberg, das junge Paar in sommerlicher Kleidung in Amerika und ein Foto von Frieda Nierberg mit Schwiegermutter Kate.

Ziegler kann sich auch gut an die Nachkriegszeit erinnern. Der Achtjährige kannte sogar Henry Kissinger, den späteren Außenminister der USA. „Er wurde nur mit ‚Mister Henry‘ angesprochen“, erinnert sich Ziegler, und habe Nazis verhört.

Kissinger wird im Mai 100 Jahre alt und ist mit dem 101-jährigen Professor und Autor Guy Stern einer der letzten lebenden „Ritchie Boys“, bei denen es sich um im „Camp Ritchie“ ausgebildete junge Amerikaner handelte, die auf Verhörtechniken spezialisiert wurden.

Wolfram Ziegler © Dagmar Jährling

Diese aus Europa stammenden Männer waren oft jüdischen Glaubens und den Gräueltaten durch die Nationalsozialisten entgangen. Zu dem Kontakt mit der amerikanischen Regierungsverwaltung in Heppenheim kam es durch seine Mutter, sagte Ziegler. Als der Zweite Weltkrieg zu Ende war, sei sie mit ihrem Sohn wieder in ihr Elternhaus in Auerbach nahe dem Eingang zum Fürstenlager gezogen. Da sie Englisch und etwas Französisch gesprochen habe, eröffnete sie ein Übersetzungsbüro.

Was die Nierberg-Hochzeit betrifft, so erinnert sich Ziegler, dass er an der Hand in ein Haus mit einer weiß gedeckten Tafel hineingezogen wurde. Auf der Tafel stand eine Ananas.

Die Zivilarbeiterin Frieda Nierberg meldete sich am 3. Mai 1946 in Heppenheim ab und siedelte mit ihrem Mann nach New York City über. Zwei Briefe hat Ziegler noch. In ihnen ging es um die Sorge der in Deutschland zurückgelassenen Freunde. Frieda Nierberg schickte an Katharina Ziegler und in Heppenheim lieb gewonnene Menschen Pakete mit Lebensmitteln.

Rainer Rittersberger, Sohn des damaligen Standesbeamten, weiß aus Erzählungen seines Vaters, dem Standesbeamten Friedrich Rittersberger, davon. Er habe ihm von einer Hochzeit in der Villa Widmer (dem früheren Haus am Maiberg) erzählt, zu der dieser eingeladen war. Die Villa an der Ernst-Ludwig-Straße hatte die US-Militärregierung besetzt.

Recherchen im Trauregister

Die Heirat der Deutschen, die laut Ziegler in der Zuckerfabrik in Groß-Gerau Dienst verrichten musste, konnte vermutlich nur stattfinden, weil sie in der Heiratsurkunde ihren Geburtsort Haguenau in Frankreich angegeben hat. Amerikanischen Soldaten war es untersagt, Deutsche zu heiraten.

In der Sonderbeilage der Südhessischen Post, „Die Starkenburg“, schildert Major Albert Clyde Legatt, im Jahr 1986 rückblickend die Besatzungszeit. In diesem Bericht wird die vom evangelischen Pfarrer Georg Keller in der Villa Widmer – dem Offiziersquartier – getraute Hochzeit beschrieben. Bei Recherchen vor zwei Jahren schaute Pfarrer Frank Sticksel im Trauregister der Heilig Geist Gemeinde nach. Am 1. Dezember 1945 heiratete Nierberg die Pflegerin Frieda Haug. Doch Pfarrer Sticksel fand eine weitere Hochzeit zu einem noch früheren Zeitpunkt. Am 5. Oktober hat Pfarrer Keller den US-Militärangehörigen Pedro Juan Molina (aus Puerto Rico) und Arendina Willemina Mol (aus Holland) kirchlich getraut.

Ziegler kann sich erinnern, dass ein ganzer Trupp Puerto Ricaner an der Bergstraße war. Seine Mutter habe einigen die Wäsche gewaschen. Sticksel fand noch einen interessanten Hinweis: Pfarrer Keller hatte eine Seite aus dem Anzeigen- und Verordnungsblatt mit einem Bericht zum Standesamtswesen vom 20. Juni 1945 in das Trauregister gelegt. Hierin heißt es unter anderem: Die Militärregierung in Darmstadt habe beschlossen, dass Ausländer die Möglichkeit einer kirchlichen Trauung hätten, aber nicht standesamtlich.

Von Frieda und Hermann Nierberg ist bekannt, dass sie von Übergangsbürgermeister Jakob Fleck zunächst standesamtlich getraut wurden. Zwischen 1945 und 1946 haben mindestens sieben Amerikaner in Heppenheim Russinnen, Polinnen und eine Ungarin katholischen oder evangelischen Glaubens geheiratet. Auch die standesamtliche Trauung eines jüdischen Paares ist bekannt. Geburtsort und -name der Ungarin ist deutsch. dj/ü

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