Bahnhof

Die „Schlagzeile“ in Heppenheim bleibt weiter zu

Die favorisierte Interessentin für die Fortsetzung des Kioskbetriebs machte einen Rückzieher

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fran/ü
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Heppenheim. Mittwoch ist – wie Samstag – Lotto-Tag. Aus alter Gewohnheit stellt eine Mittfünfzigerin ihr Auto auf den Parkflächen vor der historischen Güterhalle am Heppenheimer Bahnhof ab. Den Lotto-Schein hält sie beim Aussteigen fest in der Hand. Schnurstracks läuft sie nun auf die „Schlagzeile am Bahnhof“ zu – und rüttelt gleich mehrfach an der verschlossenen Eingangstür.

Erst jetzt schweift der Blick auf die abgeklebte Frontscheibe und ein eigentlich unübersehbares, pinkfarbenes Hinweisschild. Darauf steht: „Wir wollen mal kurz Danke sagen! Aufgrund unserer Geschäftsaufgabe möchten wir uns ganz herzlich bei allen Kunden für die jahrelange Treue bedanken!!!“ Dass die potenzielle Kundin offenbar schon länger nicht mehr hier war, ist angesichts der folgenden Zeilen auf dem Schild kaum zu leugnen: „Am Freitag, 18.11.2022, haben wir bis 12.30 Uhr das letzte Mal für sie geöffnet.“

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Besagter letzter Öffnungstag der „Schlagzeile“ liegt nun also schon fast einen Monat zurück. Nicht nur die verdutzt dreinblickende Lotto-Spielerin hätte wohl nichts dagegen, wenn sie hier zeitnah wieder ihre Tippscheine abgeben könnte. Und mehr als das. Denn: Die „Schlagzeile“ war für viele Heppenheimer deutlich mehr als ein Bahnhofskiosk. Hier gab es auch Zeitschriften und Tabakwaren, zudem wurden Getränke und Snacks verkauft. Und insbesondere Inhaberin Elke Dattge war nie um einen lockeren Spruch verlegen. Kurz gesagt: Es herrschte eine Wohlfühlatmosphäre.

Anfang 2009 hatte Dattge die „Schlagzeile” gemeinsam mit dem inzwischen verstorbenen Christian Schmitt von der Familie Kumpf übernommen, seit dem 1. März 2010 waren die Familien Schmitt und Dattge als Gesellschaft bürgerlichen Rechts auch Eigentümer der historischen Güterhalle. Gekündigt hat sie Mitte September als Pächterin, also quasi bei der eigenen Gesellschaft. Neuer Eigentümer der Immobilie ist seit einigen Wochen die Kreisstadt Heppenheim. Zum Kaufpreis machten beide Seiten keine Angaben.

Jedoch machte Bürgermeister Rainer Burelbach (CDU) keinen Hehl aus den strategischen Gründen, die aus Sicht der Stadt für den Kauf gesprochen hatten: Er sprach von einem „großen Baustein“ auf dem Weg, in absehbarer Zukunft auch das Hauptgebäude des Bahnhofs übernehmen zu können. Dieses Ziel wird schon seit längerer Zeit offen kommuniziert. Die Stadt gehe nun gestärkt in die anstehenden Gespräche mit dem bisherigen Eigentümer des denkmalgeschützten Gebäudes, so Burelbach.

Belebendes Element fehlt

Für die langjährigen Kunden der „Schlagzeile“ ist dies aber nur eine Randnotiz. Sie wollen wissen, wie es in der historischen Güterhalle weitergeht. Elke Dattge hatte der Stadt ihrerseits geraten, auch künftig einen Kioskbetrieb mit kleiner Gastronomie in der Halle anzusiedeln. „Das wäre auch im Sinne der Kunden“, versicherte sie. Bestätigt wird dies durch zahlreiche Rückmeldungen und Nachfragen bei der Redaktion dieser Zeitung. So hätte „der liebevoll geführte Bahnhofskiosk“ einen großen Anteil daran gehabt, dass „die zum Teil abstoßend verwahrloste Immobilie zumindest ein wenig“ aufgewertet worden sei. Die Schließung sei ein Schlag für alle Reisenden und auch für Menschen, die sich dort zu einem Kaffee und Dergleichen aufhielten, gewesen.

Diese Kritik blieb auch den Verantwortlichen im Rathaus nicht verborgen – wenngleich sich insbesondere Bürgermeister Burelbach wenige Tage nach der notariellen Beurkundung des Kaufvertrages nur ausgesprochen vage zu diesem Thema geäußert hatte. „Aktuell machen wir uns Gedanken über das künftige Nutzungskonzept“, teilte der Bürgermeister damals im Bauausschuss mit. Für Ideen jeglicher Art sei die Stadtverwaltung „jederzeit offen“.

Ideen sind seitdem offenbar reichlich eingegangen, wie der Antwort von Uta Nack-Domesle von der städtischen Pressestelle auf eine Anfrage dieser Zeitung nun zu entnehmen ist: „Es liegen mehrere Anfragen für die freie Gewerbefläche vor. Geplant ist auch weiterhin der Betrieb eines Kiosks.“ Und hierfür gebe es mehrere Interessenten.

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Favorisiert wurde hierfür zunächst eine „smarte“ Lösung: Eine frühere Mitarbeiterin von Elke Dattge hatte ihr Interesse an einer vergleichsweise reibungslosen Übernahme bekundet. Nack-Domesle berichtete diesbezüglich noch am Montag von „intensiven Gesprächen“. Der Interessentin lag demnach auch bereits ein unterschriftsreifer Mietvertragsentwurf vor.

Nur zwei Tage später ist die Ernüchterung jedoch groß: Nach Informationen dieser Zeitung sagte die favorisierte Interessentin der Stadt ab, gestern Morgen folgt die offizielle Bestätigung aus dem Rathaus. „Wir bedauern diese Entscheidung sehr. Von unserer Seite war alles vorbereitet, wir haben diese Bewerbung gerne unterstützt“, sagt Uta Nack-Domesle. „Die Interessentin hat die Entscheidung letztlich aber für sich unter Abwägung aller Umstände getroffen. Das müssen wir akzeptieren.“ Die Hoffnungen der Stadt, insbesondere aber der (Bahn-)Kunden auf eine rasche Wiedereröffnung der „Schlagzeile“ sind damit fürs Erste dahin. fran/ü

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