Heppenheim. Die Freilichtbühne in Heppenheim sollte 1965 Schauplatz von Karl-May-Festspielen werden. Warum es nicht dazu kam, wird in dem Buch „Karl May auf der Bühne“ erklärt.
Hinter der Geschichte von einem gescheiterten Projekt verbirgt sich mehr: Im Rückblick wird die Bedeutung der Freilichtbühne deutlich. Hinter den Kulissen tauchen die Namen von Personen auf, deren Geschichte zu erzählen lohnenswert wäre.
Weit über Bad Segeberg hinaus
Der Reihe nach: Die Geschichte mit Winnetou und Heppenheim ist eigentlich längst vergessen. Doch der zweite Band aus einer Reihe des Karl-May-Verlags (Bamberg/Radebeul) erinnert daran, dass die Freilichtbühne für Karl-May-Festspiele vorgesehen war.
Die Autoren Nicolas Finke und Reinhard Marheinecke beschreiben, wie verbreitet solche Aufführungen waren, weit über Bad Segeberg hinaus. Dort ritt Winnetou von 1952 an durch das dafür umgebaute Kalkbergstadion.
Ab 1962 füllten Winnetou-Filme die Kinokassen. Die Freilichtspiele profitierten von der Winnetou-Welle. In Schleswig-Holstein wurde von 1964 an „Der Schatz im Silbersee“ gespielt, als Heppenheim ins Gespräch kam.
„Auch in der Provinz“
„Winnetou und den anderen Helden wurde nicht nur auf Bühnen in Großstädten wie Berlin, Hamburg und Wien Leben eingehaucht, sondern auch in der Provinz“, schreibt Bernhard Schmidt, Geschäftsführer des Verlags, der ein Jahr nach Karl Mays Tod 1913 von der Witwe Klara May sowie Friedrich Ernst Ehsenfeld und Euchar Albrecht Schmidt gegründet wurde. Albrecht Schmidt ist der Urgroßvater des heutigen Geschäftsführers.
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Weder im Stadtarchiv noch im Heimat- und Verkehrsverein ist etwas über das Projekt Heppenheim zu finden. Die Autoren verweisen auf einen Zeitungsausschnitt mit einer Meldung vom 15. Oktober 1964, die im Darmstädter Echo erschienen ist. Darin steht, woran die Pläne gescheitert sind: Die Zahl der Sitzplätze hätte von 1000 auf 3000 erhöht werden müssen. Das überstieg die finanziellen Mittel des Vereins. Welcher Verein ist gemeint?
Ein vergessener Verein
Zeitungsredakteur Fritz Kuhn (1945 bis 2021) und Vorstandsmitglied im Heimat- und Verkehrsverein, muss mehr gewusst haben. Im Jubiläumsband „1250 Jahre Heppenheim“ schrieb er 2005: „Die Gründung des inzwischen in der Versenkung verschwundenen Vereins war notwendig geworden, nachdem sich die Stadt 1955 mit dem Bau des Amphitheaters auf der Kappel selbst das schönste Geschenk zu ihrem 1200. Geburtstag bereitet hatte.“
Als Leiter der „Freilichtbühne Starkenburg“ wurde im Echo Martin Rulffs (1933 bis 2018) genannt. Er war Lehrer am Starkenburg-Gymnasium, später bis zu seiner Pensionierung am Gymnasium in Michelstadt.
Vermutungen
Dessen Sohn, der Luftfahrtexperte Martin Rulffs jr. (59), kann nur mutmaßen, wie sein Vater auf die Idee kam, die Festspiele an die Bergstraße zu holen. Seine Vermutung klingt plausibel: Rulffs senior stammt aus Plön bei Kiel. Weil dort sein Bruder Manfred lebte, war Martin Rulffs oft in Schleswig-Holstein unterwegs. Dabei könnten die Kontakte nach Bad Segeberg geknüpft worden sein.
Einer der Schüler von Martin Rulffs im Fach Sozialkunde war der Heppenheimer Helmut Engelhard. Der Rechtsanwalt ist seit 1991 Vorsitzender des Verkehrs- und Heimatvereins. Auch er konnte in seinen Unterlagen nichts finden, was die Pläne dokumentiert.
Prominente Gäste auf der Kappel
So weit zum Buch. Was Heppenheim betrifft, wäre es nichts Besonderes gewesen, wenn Pierre Brice als Winnetou über die Kappel geritten wäre. Denn in den folgenden Jahrzehnten traten dort immer wieder Stars wie Joe Cocker oder Roger Chapman auf. Hessentag, Fernsehstudio für eine Formel-1-Übertragung aus Budapest mit Weltmeister Sebastian Vettel und Niki Lauda als Kommentator – das alles spielte sich vor der Kulisse ab, die Schlossberg und Starkenburg bilden. Zu den unglaublichen Ereignissen gehörte ein Auftritt am 10. Juli 1993: Damals trat der US-amerikanische Sänger, Songwriter und Pianist Ray Charles (1930 bis 2004) auf. Stockholm, Hamburg, Berlin und Heppenheim waren seine Stationen.
Nebenschauplätze
Zu den Nebenschauplätzen, zu denen das Buch aus dem Karl-May-Verlag führt, gehören außer Bad Segeberg die Städte Plön und Ratzeburg, die Wirkungsstätten von Martin Rulffs Onkel.
Manfred Rulffs (1935 bis 2007) saß im „Ratzeburger Achter“, mit dem die Ruderer 1964 bei den Olympischen Spielen in Rom die Goldmedaille gewannen. Von 1968 bis 1981 war Manfred Rulffs Bundestrainer. Doch das ist eine andere Geschichte. ai/ü
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