Heppenheim. Helmut Kindinger ist sauer. „Uns reicht‘s. Nach eineinhalb Jahren haben wir die Schnauze gestrichen voll“, sagt er stellvertretend für viele Anwohner der Dauer-Baustelle Uhlandstraße. Zur Erinnerung: Im März 2020 fiel der Startschuss für die grundhafte Sanierung der Uhlandstraße. Noch im Oktober 2020 ließ Erste Stadträtin Christine Bender (SPD) wissen, dass sie von einer planmäßig verlaufenden Sanierung bis Ende Mai 2021 ausginge. Auch im Dezember hieß es noch aus dem Rathaus, alles verlaufe nach Plan.
Doch dann kam der Juni – mitsamt einer Hiobsbotschaft der Ersten Stadträtin und Baudezernentin: „Bei den nötigen Kernbohrungen zur Qualitätskontrolle wurde festgestellt, dass sowohl der Hohlraumgehalt als auch der Verbund zwischen den verschiedenen Straßenschichten in einem größeren Teilbereich der Uhlandstraße nicht der DIN-Vorschrift entspricht.“
Insgesamt seien drei Straßenschichten – zwei Tragschichten und eine Deckschicht – aufgetragen worden. Laut Bender müssten vor allem im mittleren Bereich der Straße zwei der drei Schichten auf Kosten des beauftragten Unternehmens noch einmal abgefräst und komplett erneuert werden. Auch die Wasserleitungen und der Kanal seien umfassend überprüft worden.
Diese Arbeiten seien in Kürze abgeschlossen, teilte die Baudezernentin vor Wochenfrist auf Nachfrage mit. Die Freigabe der Uhlandstraße, die normalerweise als Verbindung in das Gewerbegebiet Weiherhaus von der Mozartstraße über die Verkehrskreuzung Lorscher Straße dient, ist demnach für Mitte Oktober angepeilt.
Mängel seien noch nicht beseitigt
Doch nun kommen Kindinger und seine Mitstreiter ins Spiel. Ertrugen sie ihr Schicksal über Monate hinweg noch mit einer gewissen Ruhe, wich diese Mitte August der blanken Ironie. Auf der Baustelle trafen sich die Anwohner zu einem spontanen Straßenfest – und sparten dabei nicht mit Kritik an der Vorgehensweise und der Informationspolitik der Stadtverwaltung. Seitdem sind abermals vier Wochen des Wartens und der Lärmbelästigung vergangen – Gelassenheit und Ironie sind längst der Wut gewichen.
Die Vorwürfe, die Kindinger & Co. erheben, haben es in sich. Nach anderthalb Jahren hätten Stadt und Bauunternehmen sich nun für eine „schnelle, aber auch fragwürdige Lösung“ entschieden: „Der festgestellte Pfusch wird in offensichtlichem Einvernehmen einfach zuasphaltiert.“ Mit den Vorwürfen geht die Befürchtung einer „erneut notwendigen, sündhaft teuren Neusanierung der gesamten Straße in nur wenigen Jahren“ einher. Zwar habe die Stadt den Kanal, der im Zuge der Sanierung zu Beanstandungen vonseiten der Anwohner geführt hatte, überprüfen lassen, die Mängel seien dabei jedoch keineswegs beseitigt worden, kritisiert Kindinger weiter. Explizit spricht er von „Hebungen und Senkungen“, die es schon jetzt gebe, und seitens der Stadt „ein verstärktes Spülen“ erfordern würden.
Diesen Sachverhalt wollen und können Bürgermeister Rainer Burelbach (CDU) und seine Stellvertreterin Christine Bender nicht leugnen. „Ja, es gibt im Kanalsystem der Uhlandstraße die eine oder andere Abweichung. Die umfassenden Prüfungen durch ein Fachunternehmen und ein externes Gutachten haben aber ergeben, dass das gesamte System in dieser Form den Normen entspricht“, sagt die Erste Stadträtin. Darüber hinaus fügt sie hinzu: „Gespült werden, muss unser Kanalsystem grundlegend. Das liegt an dem minimalen Gefälle in großen Teilen des Stadtgebiets.“
Hausanschlüsse prüfen als Option
Laut Bürgermeister Burelbach liegt dieses Gefälle „bei unter einem Prozent“. Das sei „einfach zu wenig, um auf die Spülungen verzichten zu können.“ Des Weiteren verweist der Rathauschef auf die Historie der Weststadt, die einst von den Ur-Heppenheimern gerne als „Siedlung“ bezeichnet wurde. Lange Zeit sei die gesamte Weststadt jedoch weder landwirtschaftlich noch als Siedlung nutzbar gewesen, so Burelbach. Erst die Errichtung des Kanalsystems habe dies alles ermöglicht.
An die wütenden Anwohner richtet sich die Magistratsspitze in diesem Zusammenhang ebenfalls: „Wir sind immer offen für Anfragen und Anregungen. Sollte ein Anwohner der Uhlandstraße noch Bedenken haben, stehen wir jederzeit für ein weiteres Gespräch bereit. Gerne überprüfen wir dann auch noch einmal den jeweiligen Hausanschluss.“
Helmut Kindinger nimmt dieses Angebot indes wohlwollend zur Kenntnis. Er hat aber auch schon den nächsten Hinweis in Richtung Rathaus parat: „Wenn die Straße wieder freigegeben und als Umleitung für weitere Straßenbaumaßnahmen verwendet wird, werden wir dies weiter kritisch verfolgen.“ „Tempo 30“ ist für ihn dann „das Mindeste – ansonsten gehen wir auf die Barrikaden.“ fran/ü
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