Heppenheim. Die Kreisstadt ist für Radler ein unübersichtliches Terrain: Das Stadtgebiet wird durch die Bahnlinie in zwei Hälften geteilt, dazu kommen vielbefahrene Straßen wie die B460 im Norden, die L3398 im Süden sowie die Tiergartenstraße im Westen und natürlich die B3 im Osten. Eine Vielzahl an Kreiseln, Unterführungen und großen Kreuzungen tragen zur Unübersichtlichkeit bei.
Unterwegs mit Radverkehrs-Expertin Annette Seip, Vorsitzende des ADFC Bergstraße, lassen sich in Heppenheim einige für Radfahrende besonders heikle Stellen identifizieren. Etwa die Ecke Liebigstraße/Stadionstraße, wo die Walther-Rathenau-Straße in die Kalterer Straße übergeht.
„Die rote Markierung dort soll Autofahrer vor Radlern warnen“, erläutert Seip die Verkehrssituation. „Den Radlern, die von Süden kommen, wird aber suggeriert, sie hätten Vorfahrt, dabei ist die Stadionstraße vorfahrtsberechtigt.“ Ein „Vorfahrt-gewähren“-Schild könnte die unklare Situation für sie auflösen. In direkter Nachbarschaft verläuft die Mozartstraße, allerdings eine Etage tiefer, in der Bahnunterführung. „Dort werden Radler immer wieder von Autos mit weit weniger Abstand als 1,5 Metern überholt. Die Straße an sich wird zwar nicht enger, aber sie geht bergab und macht eine Kurve.“ Ein Schild „Zweirad-Überholverbot“ könnte hier für die Situation sensibilisieren. Auch eine Ausweisung als Fahrradstraße sei im Gespräch.
Unübersichtlich geht es auch an der Kreuzung Uhlandstraße/Am Steinern Weg im Westen der Stadt zu. An der Einmündung Am Steinern Weg gibt es eine Haltelinie mit Stoppschild, links davon gibt es eine Fußgängerampel, „die nicht für Radfahrer freigegeben ist“, wie Seip erklärt.
Kritik an den Kreiseln im Norden und Süden Heppenheims
Direkt gegenüber der Haltelinie ist eine Ampel zu sehen, die aber nicht für Am Steinern Weg gilt. „Egal, was die beiden Ampeln anzeigen, es können Autos in die Kreuzung einbiegen. Die Radler können vielleicht noch rechts und links überblicken, aber den rechtsabbiegenden Verkehr von gegenüber nicht mehr.“ Die Stelle sei vor einigen Jahren umgebaut worden, allerdings habe sich die Situation nur für die Fußgänger verbessert. „Das ist ja schon ein Fortschritt.“
Kritik übt Seip auch an den beiden B3-Kreiseln im Norden und Süden der Stadt. Während es am Winzerkreisel im Norden keine Einfädelungsfurten für Radelnde gebe und von Westen kommend die B3 in Richtung Bensheim gleich zweimal gequert werden müsse, fehlten am Mühlenkreisel im Süden schlicht die Markierungen für die Radfahrer. „Dort wurde die Straße in Richtung Friedhof vor einem Jahr erneuert, die Radverkehrsführung ist da, aber sie ist nicht markiert und sieht aus wie ein Gehweg.“ Zudem gebe es für Radler keine Ausfahrt aus dem Kreisel in Richtung Westen.
Und dann liegt ihr noch die Bundesstraße 3 selbst am Herzen: „Die Einheimischen wuseln sich am Postknoten vorbei. Fremde, die von Norden kommen, sind überrascht, wenn der Radweg in Höhe Bensheimer Weg endet.“ Letztlich enden auch die sich anschließenden Schutzstreifen kurz vorm Postknoten. Es fehle ein Hinweis, wie man ihn als Ortsunkundiger umfahren kann.
„Auf einem Schutzstreifen fühlt man sich sicherer“
Während solche Schutzstreifen andernorts wegen der Gefahr des „Doorings“, also in eine sich plötzlich öffnende Tür eines geparkten Autos zu fahren, nicht mehr gut gelitten sind, würde sich Seip solche zumindest für die Siegfriedstraße in Richtung Kirschhausen wünschen. „Dabei geht es auch um das subjektive Empfinden der Menschen. Sie fühlen sich auf einem Schutzstreifen sicherer.“ Richtig angelegt bleibe zwischen Schutzstreifen und parkenden Autos genügend Platz für die Türen.
Letztlich machen der Radverkehrs-Expertin noch die Unterführungen zu schaffen, etwa unter der Autobahn in der Verlängerung der Von-Humboldt-Straße oder bei der Odenwaldquelle unter der Bahntrasse: „Bei Starkregen steht in fast allen das Wasser drinnen. Das müsste der Bauhof in die Ablaufschächte wegkehren.“
Bürgermeister Rainer Burelbach (CDU) und Erste Stadträtin Christine Bender (SPD) kennen fast alle genannten Problemstellen. Sie verweisen auf das vor einigen Jahren erstellte Radverkehrskonzept, dass rund 90 große und kleine Maßnahmen enthalte, die nach und nach umgesetzt würden – soweit die Stadt darauf Einfluss habe. „Bei den kleinen Dingen sind wir recht gut unterwegs, bei den Großen dauert es länger“, sagt Burelbach.
Erste Fahrradstraße wird vom Landratsamt zur B 3 führen
Beispielsweise könnte die Mozartstraße eine Fahrradstraße werden, was nicht bedeutet, dass dort kein Autoverkehr mehr erlaubt sein wird: „Die Radler haben dann aber Vorrang, so, als ob ein Auto vor einem fahren würde“, erläutert Bender. Doch zunächst wolle man dazu ein Pilotprojekt an der Werlestraße starten.
„Die erste Fahrradstraße in Heppenheim wird vom Landratsamt zur B3 führen“, sagt Burelbach. Die unübersichtliche Kreuzung Am Steinern Weg ist auch für den Bürgermeister neu: „Das ist eine blöde Ecke, die mal richtig untersucht werden müsste.“ Das von Seip vorgeschlagene „Vorfahrt gewähren“-Schild an der Walther-Rathenau-Straße hält auch er für eine gute Idee. Die B3 betreffend empfiehlt Burelbach ebenfalls, den Postknoten zu umfahren, etwa über die Kalterer Straße und den Bahnhof. Es komme aber letztlich darauf an, wohin man wolle. Und für die bei Starkregen überspülten Unterführungen gebe es keine Lösung: „Bei Starkregen muss man in Kauf nehmen, dass das passiert und es etwas dauert, bis das Wasser wieder weg ist.“
Was die Kreisel und die scheinbare Benachteiligung der Radler in Heppenheim angeht, ist sich die Stadtspitze einig: „Ohne gegenseitige Rücksichtnahme kann es nicht funktionieren“, sagt Bender. „Denn verschiedene Verkehrssysteme nebeneinander bekommen wir nicht mehr hin.“
Immerhin: Die monierten Markierungen am südlichen Mühlenkreisel fehlen nur deshalb, weil die Bauarbeiten dort noch nicht abgeschlossen seien. thr/ü
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