Einhausen. Nach Einschätzung von Reimund Strauch ist man bei der Diskussion um die Trassenführung der Bahn-Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim bei Einhausen und Lorsch aktuell nicht weiter wie vor 25 Jahren, als das Thema erstmals aufkam. „Alles ist unklar“, sagte der SPD-Gemeindevertreter, der auch Sprecher des Vereins Mensch vor Verkehr ist. Konkret ging es bei der letzten Sitzung des Ortsparlaments vor der Sommerpause um die Verabschiedung einer Stellungnahme der Gemeinde zum sogenannten Scoping-Verfahren. Dieses dient dazu, die notwendige Umweltverträglichkeitsprüfung vorzubereiten. Im Rahmen des Scoping-Verfahrens sollen unter anderem alle das Bauprojekt betreffenden umweltrelevanten Themen ermittelt werden.
Die Gemeinde hat sich dazu externe Unterstützung geholt. Mit der Formulierung der Stellungnahme wurde Bettina Enderle von der Kanzlei für Umwelt- und Planungsrecht, Frankfurt am Main, beauftragt. Schon in der Vergangenheit hatte die Gemeindevertretung in den Haushalten Geld für Sachverständige, Rechtsanwälte und Gerichtskosten im Zusammenhang mit der Bahntrasse bereitgestellt, in diesem Jahr noch einmal 20 000 Euro. Mit den Rücklagen aus Vorjahren stehen aktuell noch knapp 38 000 zur Verfügung. „Es ist wichtig, dass die Stellungnahme rechtssicher ist“, begrüßte Strauch das Einschalten der Kanzlei.
Forderung wird übergangen
Die Liste der Punkte, die in der Stellungnahme bemängelt werden, ist lang. Zentral ist jedoch weiter die in der Konsensvariante der Region aufgestellte Forderung nach einem langen bergmännischen Tunnel von Langwaden bis hinter Lorsch. Dieses zentrale Thema werde jedoch in der Scoping-Unterlage übergangen. Stattdessen seien in der schematischen Darstellung der Trasse nur der Bau eines Trogs und eines Tunnels bei Lorsch vorgesehen.“
Abgesehen von den bekannten Argumenten zum Schutz von Natur und Anwohnern führt die Gemeinde einen in den vergangenen Monaten neu aufgekommenen technischen Aspekt ins Feld: „Der geplante Einsatz von mehr und längeren (und folglich schwereren) Güterzügen auf der Neubaustrecke ist bei dem in der Scoping-Unterlage angegebenen Neigungswinkel von neun Promille allenfalls bedingt möglich“, heißt es in der Stellungnahme. Als Vergleich wird die Schienenstrecke Rotterdam-Genua angeführt, bei der selbst in der Schweiz nur mit einem Neigungswinkel von sechs Promille gebaut werde, um auch den Betrieb von längeren Güterzügen zu ermöglichen. Der geplante steilere Winkel in der aktuellen Planung zur Bahnstrecke bei Einhausen und Lorsch ist notwendig, um mit den Schienen zunächst die Weschnitz zu überqueren und dann noch rechtzeitig vor dem Lorscher Stadtgebiet in der Erde zu verschwinden.
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Die Gemeinde verweist auf Planungen der Bahn, 130 bis 140 Güterzüge bei Nacht auf der Strecke fahren zu lassen. „Nach den Vorgaben des European Train Control Systems wären unserem Kenntnisstand nach bei einer Zugfolge von drei Minuten für Güterzüge mit 100 Stundenkilometern sogar 320 Güterzüge pro Nacht möglich, ohne dass diese sich behindern“, heißt es in der Stellungnahme. Um die zur Begründung der Notwendigkeit des Projektes angeführten Ziele zu erreichen, müsste die Trasse nach Einschätzung der Gemeinde in geringerer Neigung in Richtung Lorsch abgesenkt werden.
„Das bedeutet, dass die Neubaustrecke bereits weit vor Einhausen abgesenkt und dann zum Tunnel werden muss, um schon die Weschnitz zu unterqueren“, heißt es in der Stellungnahme. Dafür seien in der Scoping-Unterlage derzeit jedoch keine Umweltuntersuchungen vorgesehen.
„Lärm antizyklisch zur Ruhezeit“
Abgesehen von den technischen Fragen verwies Uwe Stellmann (CDU) in seiner Stellungnahme zum Thema auf die Auswirkungen auf die Einhäuser Bürger, sollten wirklich einmal 320 Güterzüge pro Nacht auf offener Strecke an Einhausen vorbeifahren. „Das ist genau antizyklisch zur Ruhezeit“, sagte der Christdemokrat. Die Aussicht, von der Bahn Lärmschutzfenster finanziert zu bekommen, sei keine Option: „Ich schlafe gerne mit offenem Fenster“, sagte er. Auch der „Wegfall von bis zu 400 Hektar Wald“ zum Bau der Bahnstrecke bereiten ihm Sorgen: „Beim Thema Frischluftzufuhr für Einhausen wird mir angst und bange“, so Stellmann. Die Scoping-Unterlage enthält laut der Einhäuser Stellungnahme keine Ausführungen „zum Schutzgut Luft hinsichtlich der Auswirkungen des Vorhabens auf die Wohnbevölkerung“.
Zu einer Schallbelastung durch den Schienenverkehr dürfte nach Einschätzung aus Einhausen auch noch zusätzlicher Lärm von der sechsspurig ausgebauten A 67 hinzukommen. Da die Planung beider Vorhaben in „in engstmöglicher Bündelung“ erfolgen soll, werde auch „eine gemeinsame Planfeststellung“ angestrebt, wird in der Stellungnahme aus Einhausen erinnert. Das werde in der Scoping-Unterlage „allerdings nur punktuell“ umgesetzt. „Die A 67 wird wesentlich als Vorbelastung durch verkehrsbedingte Lärmimmissionen, Barriere- und Zerschneidungswirkungen berücksichtigt, nicht jedoch als neue und zusätzliche Belastung“, heißt es in der Einhäuser Stellungnahme. Der zusätzliche Lärmbeitrag durch den Ausbau der A 67 bleibe unberücksichtigt.
Die sich möglicherweise aufsummierenden Auswirkungen von Neubaustrecke und Autobahnerweiterung durch Flächenverlust, Waldrodungen, Landschaftszerschneidung, Barrierewirkungen und Emissionen seien in der Scoping-Unterlage nicht ausreichend berücksichtigt. Befürchtet werden unter anderem Folgeverluste bei den geschützten Arten wie Fledermäuse, Käfer, Unken sowie bei Vogelarten.
Bemängelt, dass weitere sogenannte Schutzgüter wie unter anderem Landschaft, kulturelles Erbe oder Klima nicht ausreichend berücksichtigt werden.
Die Gemeindevertretung verabschiedete die Stellungnahme, die aufgrund des festgelegten Abgabetermins bereits im Vorfeld eingereicht worden war, bei ihrer vergangenen Sitzung einstimmig.
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