Verkehrsprojekte

Weniger Frischluft in Einhausen durch den A 67-Ausbau?

Von 
Jörg Keller
Lesedauer: 
So könnten laut einer Computersimulation der Bahn die A 67 und die Bahntrasse an Einhausen vorbeiführen, sollte es keine Tunnellösung geben. In einer Stellungnahme der Gemeinde zur Umweltverträglichkeitsprüfung des Autobahnausbaus wird gefordert, die sich addierenden Auswirkungen beider Verkehrsprojekt zu beachten. © DB Netz AG

Einhausen. Höhere Schallschutzwände entlang einer verbreiterten A 67 könnten Einhausen teilweise von der Frisch- und Kaltluftzufuhr abschneiden. Belastungen durch mehr Lärm und Erschütterungen im Ort könnten durch die ausgebaute Autobahn im Zusammenspiel mit einer parallel verlaufenden Bahn-Neubaustrecke zunehmen. Und ob die Einhausen umgebende Landschaft künftig noch ein gleiches Maß an Erholungswirkung bieten wird, ist ebenfalls die Frage.

Jede Menge offene Punkte und unbeantwortete Fragestellungen werden in einer jetzt von der Gemeindevertretung verabschiedeten Stellungnahme zum sogenannten Scoping-Verfahren im Zusammenhang mit den Planungen zum sechsspurigen Ausbau der A 67 zwischen dem Autobahnkreuz Darmstadt und der Anschlussstelle Lorsch bemängelt. Diese Umweltverträglichkeitsprüfung wird im Vorfeld des eigentlichen Genehmigungsverfahrens für die Autobahnerweiterung durchgeführt. Im Einhäuser Rathaus hat man mit juristischer Unterstützung die Unterlagen der Autobahn GmbH über den Untersuchungsrahmen für die Umweltverträglichkeitsprüfung genau in Augenschein genommen und dabei nach Einschätzung der Gemeinde zahlreiche Versäumnisse festgestellt. Auf elf Din-A4-Seiten sind diese jetzt in dem Schreiben an das Regierungspräsidium aufgelistet.

Grundsätzlich wird bemängelt, dass der A 67-Ausbau die Realisierung der Bahn-Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim auf der Ostseite der bestehenden Autobahn zwar als eine gemeinsame Planung dargestellt wird. Allerdings würden daraus „nur teilweise die Konsequenzen für die Umweltuntersuchungen“ gezogen. Nach Einschätzung der Gemeinde müssen aber die Umweltfolgen des jeweils anderen Vorhabens berücksichtigt werden, unter anderem weil sich die Auswirkungen der beiden Verkehrsprojekte summieren könnten. Als Beispiele werden die Bereich Lärm, Natura 2000-Gebiete, Artenschutz und Gewässer genannt.

Mehr zum Thema

Gemeinde

Besuche im Einhäuser Rathaus möglichst mit Termin

Veröffentlicht
Von
red
Mehr erfahren
Pfadfinder

Die Georgsgiggel verteilten in Einhausen das Friedenslicht

Veröffentlicht
Mehr erfahren
840 neue Coronafälle im Kreis

Sinkende Inzidenz – trotz Omikron-Fällen

Veröffentlicht
Von
red
Mehr erfahren

Im Detail kritisiert wird schon der Untersuchungsbereich der Umweltverträglichkeitsprüfung. Dieser umfasst demnach pauschal für alle Schutzgüter eine Entfernung von 1000 Metern beidseits der geplanten Autobahn-Erweiterung. „Dies ist zu eng bemessen“, heißt es in der Stellungnahme der Gemeinde. Der derzeitige Untersuchungsraum schneide mitten durch die Ortslage von Einhausen.

Bei einer gemeinsamen Planung und Realisierung des Ausbaus der A 67 und der Bahn-Neubaustrecke auf der Ostseite der Autobahn sollte nach Auffassung der Gemeinde wegen der sich addierenden Wirkungen beider Vorhaben ein Gesamtuntersuchungsraum gebildet werden. Angeführt werden die Themenfelder Flächenverbrauch, Zerschneidungswirkungen, Versiegelung und Immissionen „Für die geplante ICE-Hochgeschwindigkeits- und Güterverkehrsstrecke müsste der Untersuchungsraum allein schon aus Schallschutzgründen auf mindestens 1500 bis 2000 Meter beiderseits der geplanten Trasse erweitert werden“, heißt es in der Stellungnahme.

Vermisst wird eine Beschreibung, wie „erhebliche negative Umweltauswirkungen ausgeschlossen, vermindert oder ausgeglichen werden“ können und welche Ersatzmaßnahmen stattdessen in Betracht kommen. „Beispielsweise berücksichtigen die Ausführungen zu Lärm und zu Erschütterungen nicht angemessen, dass in Einhausen auch Wohnbebauung direkt an die bestehende A 67 anschließt und deshalb Auswirkungen zu erwarten sind, gegen die Vorsorge getroffen werden muss“, heißt es in der Stellungnahme.

Die Gemeinde fordert daher dass der Auftrag und und die Methodik von angekündigten Luftschadstoff- und Lärmgutachten „wesentlich detaillierter ausgeführt werden, um prüfen zu können, ob diese angemessen auf die Besonderheiten des Vorhabens abgestimmt sind“. Auch müsse es eine Gesamtlärmbetrachtung der beiden Vorhaben geben.

Nicht berücksichtigt würden in der Untersuchung zudem zusätzliche Lärmquellen wie Landes- und Kreisstraßen. So müssten im Bereich Einhausen auch die B 47, die L 3341, die L 3111 und die K 65 in die Gesamtbetrachtung einfließen.

Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt

Nicht vollständig untersucht sind nach Einschätzung der Gemeinde zudem die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt. Die Umweltverträglichkeitsprüfung stelle die Vogelpopulation in den Mittelpunkt. Verschiedene Waldtiere wie Rehe, Wildschweine und Kleintiere seien jedoch ebenfalls durch die geplanten Baumaßnahmen betroffen. Außerdem die im FFH-Gebiet Jägersburger und Gernsheimer Wald geschützten Arten von Bechsteinfledermaus, Großem Mausohr, Gelbbauchunke, Großer Eichenbock, Heldbock und Hirschkäfer. Auch bei diesem Thema seien die Summationswirkungen nicht berücksichtigt worden. Im Gegensatz zum Dauerrauschen der Autobahn verursache der Schienenverkehr als „Einzelereignis“ eine ganz andere Lärmwirkung.

Nicht ausreichend berücksichtigt würden zudem die durch beide Verkehrsprojekte entstehenden Auswirkungen auf die angrenzenden Natura-2000-Gebiete mit ihren geschützten Arten (Fledermäuse, Käfer, Unken) und Vögeln. Es drohten Flächenverluste, Waldrodungen, Landschaftszerschneidungen, Barrierewirkungen und Emissionen.

Befürchtet wird in Einhausen auch eine „temporäre und dauerhafte Versiegelung und Verdichtung von Böden“. Die Böden der Gemeinde seien bereits jetzt sehr stark durch die bestehenden Straßen in Anspruch genommen und beeinträchtigt. „Durch die Baustelleneinrichtung sowie die Zwischenlagerung von Aushub- und Baumassen werden die Böden auf dem Gemeindegebiet weiter verändert und beeinträchtigt“, heißt es in der Stellungnahme. Daneben werde der durch den Ausbau betroffene Bereich dauerhaft versiegelt und verliere seine Funktionalität. Hinzu kämen schädliche Bodenveränderungen durch eine Anreicherung von Schadstoffen in den angrenzenden Böden.

Betont wird, dass die Bauprojekte in einem „Trinkwasserschutzgebiet mit relativ hohem Grundwasser-stand durchgeführt werden“, sollen. Vermisst werden in der Umweltverträglichkeitsprüfung Ausführungen, wie das „wasserrechtliche Verschlechterungsverbot“ eingehalten werden kann. „Das Wasserwerk Feuersteinberg befindet sich etwa 650 Meter östlich der A 67. Somit fallen Trinkwasserbrunnen, Brunnengalerien und Versorgungsleitungen in den Untersuchungsraum“, weist die Gemeinde hin.

Beeinträchtigung des Kalt- und Frischlufttransportes

Überhaupt keine Ausführungen mache das Gutachten zum „Schutzgut Luft“. Beispielsweise durch Lärmschutzwände oder Abkommensschutzwände könnten Verwirbelungen der Luftströme entstehen, die die Verteilung und weitere Ausbreitung von Luftschadstoffen gegebenenfalls ungünstig beeinflussen. Eine Beeinträchtigung des Kalt- und Frischlufttransportes wird durch die geplanten Schallschutzbauwerken sowohl westlich als auch östlich der A 67 mit Höhen von bis zu sieben Metern befürchtet. Davon sei unter anderem die Frisch- und Kaltluftversorgung der Gemeinde Einhausen betroffen.

Verstärkt werde dieser negative Effekt durch den Verlust von Waldflächen. Nach einer Berechnung von Hessen Forst werden nach Angaben der Gemeinde allein etwa 10,35 Hektar durch die Erweiterung der A 67 abgeholzt. Für die Bahn-Neubaustrecke kommen noch umfangreichere Rodungen hinzu. Die Abholzungen stellten Eingriffe in potenzielle Frischluftentstehungsgebiete und aktive Ventilationsbereiche dar, die ebenfalls zu einer Verringerung von Kalt- und Frischluftentstehungsflächen führen.

„Es muss also damit gerechnet werden, dass Einhausen durch das Vorhaben auf Dauer weniger Frisch- und Kaltluft erhält und die durchschnittliche Temperatur vor Ort ansteigt“, heißt es in der Stellungnahme der Gemeinde.

Und letztlich werde auch das Schutzgut Landschaft durch das Gesamtvorhaben sowie die geplanten Lärmschutzwände massiv beeinträchtigt. Im Blick hat die Gemeinde dabei vor allem die Eignung der Landschaft für „die Erholungsnutzung durch die – ohnehin schon sehr lärmgeplagten – Bürger der Gemeinde Einhausen“.

Weitere Kritikpunkte befassen sich mit dem künftigen Landschaftsschutzgebiet Wattenheimer Brücke, archäologischen Funden, möglichen Kampfmittelbelastungen und Trassen für Hochspannungsleitungen.

„Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Scoping-Unterlage unter Berücksichtigung der ausgeführten Gesichtspunkte überarbeitet und ergänzt werden sollte“, heißt es abschließend in der Stellungnahme der Gemeinde.

Redaktion Redakteur, Ressorts Lorsch, Einhausen und Region

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger