Verein für Heimatgeschichte

Streitigkeiten im Reich der Karolinger

Albert Bähr referierte über Karl den Großen und seine Nachkommen /Ludwig der Fromme im Mittelpunkt / Bezüge zur Bergstraße

Von 
Norbert Weinbach
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Einhausen. Der ehemalige Rektor der Schule an der Weschnitz, Albert Bähr, ist Heimatforscher und war auch als Klosterführer in Lorsch aktiv. Beim Verein für Heimatgeschichte im evangelischen Gemeindezentrum referierte er kürzlich zu dem Thema „Streitigkeiten im Reich der Karolinger“ – untermalt mit Bildern und Karten des damaligen Reiches.

Kaiser Karl der Große (748 -814) war Gründer und Reformer des Frankenreichs, das fast ganz Europa umfasste. Er war fünf Mal verheiratet, seine Brüder alle früh verstorben. Karl führte bedeutende Reformen durch: Anliegen waren Bildung für das Volk, die Einführung der Schrift im Kleinformat, Fortschritte im Rechtswesen und die Erkenntnis, dass Krankheiten nicht gottgewollt sind.

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An dem Bürgerkrieg (830-840) im Karolingerreich war auch ein Enkel Karls beteiligt – Ludwig der Deutsche, begraben in Lorsch. Das sollte jedoch nicht der einzige Bezug zur Bergstraße bleiben. Ein weiterer ging hervor aus den Verträgen zur Entscheidung über die Streitigkeiten in Soisson und Compiègne. Dazwischen liegt – 20 Kilometer entfernt – Attichy, die Partnergemeinde von Einhausen.

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In der königlichen Abtei Saint Corneille, dem Gegenstück zur Kaiserpfalz Aachen, wurden mehrere Karolinger gekrönt und bestattet. In der Abtei Saint Médard von Soisson entstand das Evangeliar, eines der repräsentativsten Bücher Karolingischer Buchmalerei.

Im Mittelpunkt des Vortrags stand Ludwig (später „der Fromme“), der gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Lothar (gestorben 779), als Söhne Karls 778 bei einem Spanienfeldzug geboren wurde. Bereits mit drei Jahren wurde er Unterkönig von Aquitanien. Im Jahr 806 regelte Karl bei einer Reichsversammlung in Diedenhofen (heute Thionville) seine Nachfolge. Das Kaisertum sollte nicht an die Würde von Karl gebunden sein, wohl aber erhalten bleiben. Es gab einen Teilungsvertrag aber keine Lösung, wer Kaiser werden sollte. Da in den letzten Jahren vor Karls Tod einige enge Verwandte gestorben waren, sprach man im Jahr 810 von einem politisch-moralischen Niedergang. Es gab Missstände wie Fahnenflucht und Unterdrückung der Bauern durch Bischöfe, Äbte, Vögte und Grafen. Wer ihnen ihren Besitz vermachte, wurde beispielsweise vom Kriegsdienst befreit.

813 wurde Ludwig bei einer Reichsversammlung in Aachen zum Kaiser gekrönt und als er sich auf Geheiß von Karl die goldene Krone vom Altar nahm und aufsetzte, wurde er König und Mitkaiser des Frankenreichs.

814 starb Karl der Große. „Die Regierungszeit Ludwigs des Frommen zählt zu den interessantesten der fränkisch-karolingischen Geschichte. Viele weitreichende Ereignisse fallen in seine Regierungszeit. Nie zuvor und nie wieder in karolingischer Zeit fielen Macht und Verantwortung an der Spitze des Reiches so mühelos einem einzelnen zu wie Anfang 814 nach dem Tod Karls“, erläuterte Bähr.

Ludwig der Fromme wurde „Kaiser der Armen“ genannt. Er verbot den Wucher und legte Höchstpreise für Getreide fest zum Schutz der Armen und Bedürftigen, die nichts oder nur wenig besaßen. Damit sollte verhindert werden, dass sie in Zeiten der Not von Grundherren ausgenutzt werden konnten, die Lebensmittel gehortet hatten. Ludwig verstand die Fürsorge für die Armen als herrscherliche Pflicht.

Gegen das skandalöse Treiben

Er ging auch gegen das skandalöse Treiben von Höflingen und Konkubinen an der Kaiserpfalz, dem Regierungssitz Ludwigs, vor; seine unverheirateten Schwestern wies er vom Hofe. Ludwig trieb den inneren Ausbau des Reiches durch Erlasse voran. Königsboten brachten sie ins Reich, kontrollierten Amtsträger und Grafen. Dabei wurden Unrecht und Amtsmissbrauch in erschreckendem Maße festgestellt. Rechtssicherheit war wichtig, deshalb wurden Bestechung, Meineid und Druck auf Zeugen verboten.

Im Mittelalter gab es natürlich keine DNA-Analysen, nur Zeugenaussagen, die oft durch sogenannte „Gottesurteile“ herbeigeführt wurden. Dabei hatte der Angeklagte meist keine Chance, seine Unschuld zu beweisen. Ludwig verbot einige dieser Gottesurteile.

Es gab Privilegien für Bischofskirchen und Klöster, sie genossen Immunität, unterstanden unmittelbar dem König, Amtsträger und Grafen durften ihren Grundbesitz nicht betreten, keine Abgaben eintreiben und kein Gericht abhalten. Weil die Klöster dazu noch das Recht der freien Abtwahl erhielten, ohne Einfluss des Königs, konnte die Königsherrschaft über die Kirchen gestärkt und der Einfluss des Adels zurückgedrängt werden. Die Reichsklöster waren im Gegenzug zum Königsdienst verpflichtet, mussten König und Gefolge beherbergen und im Krieg Panzerreiter stellen. Mit einer Mönchsreform wurde das klösterliche Leben vereinheitlich im Sinne von Benedikt von Nursia.

817 wurde von einer Reichsversammlung die Thronfolge beschlossen – unter Beibehaltung der Einheit des Reiches. Sohn Pippin (der Bucklige) sollte Aquitanien erhalten. Er wurde später in Klosterhaft genommen. Ludwig der Deutsche sollte Bayern, Kärnten und Böhmen erhalten. Lothar sollte Kaiser werden, erhielt die Herrschaft der Mitte. Neffe Bernhard, Herrscher von Italien, erhob Einspruch gegen diese Regelung. Ludwig zog gegen ihn zu Felde, unterwarf ihn. Die zunächst verhängte Todesstrafe wurde in eine Blendung umgewandelt, die Bernhard nicht überlebte. Das Problem mit seinem Sohn Karl der Kahle (kahl im Sinn von besitzlos) wurde dahingehend gelöst, dass er unter anderem Alemannien, das Elsass und einen Teil von Burgund erhielt. Es waren Gebiete aus dem Reich von Lothar. Der opponierte, ebenso wie seine anderen Brüder. Sie befürchteten weitere Vorteile für ihren Stiefbruder. Es kam zum Bruch mit Ludwig und zu einer Reichsversammlung in Compiègne. Dort wurde Lothar wieder in seine alten Rechte eingesetzt. Ludwig musste ein Schuldbekenntnis ablegen, rettete aber seine Kaiserwürde. Lothar war seiner Aufgabe nicht gerecht geworden.

Ungerechtigkeit, Habgier, Gewalttaten herrschten. 830 erfolgte ein Umschwung. Bei einer Reichsversammlung in Nimwegen wurde Ludwig wieder Herrscher, Karl erhielt Aquitanien. Der Zwist ging weiter. Die drei Brüder zogen gegen Karl den Kahlen auf dem Rotfeld bei Colmar zu Felde. Kaiser Ludwig musste abdanken und wurde in das Kloster Saint Médard bei Soisson verbannt. Er musste seine Unfähigkeit eingestehen. Lothar schütze ihn, war gegen die unwürdige Behandlung.

Das Reich wurde geteilt

Ludwig wurde 834 in Saint-Denis erneut als Kaiser anerkannt. Dagegen erhob Ludwig der Deutsche 840 erneut Einspruch. Ludwig der Fromme kämpfte gegen ihn, starb aber im gleichen Jahr bei Ingelheim und wurde in Metz begraben. 841 zogen Ludwig der Deutsche und Karl der Kahle in eine Schlacht gegen Lothar bei Fontenay. Es gab 40 000 Tote, Lothar verlor. Im Vertrag von Verdun teilten danach die drei Brüder das Reich auf. Es wurde zu einem neuen Kapitel in der Geschichte des Abendlands. In der Folge entstand die deutsche Nation im Ostfrankenreich und die französische Nation im Westfrankenreich. Die Grenzen blieben unverändert bis zum Westfälischen Frieden 1648. Die Söhne der Kaiser regierten nur kurze Zeit. Albert Bähr nannte ihre Namen bezeichnend: Karl der Dicke, Ludwig III. der Blinde, Ludwig das Kind, Karl das Kind, Ludwig der Stammler und Karl der Einfältige. Die Karolinger wurden von den Konradinern abgelöst.

Der zweite Vorsitzender des Einhäuser Vereins für Heimatgeschichte, Kurt Müller bedankte sich bei dem Referenten für den geschichtsträchtigen Vortrag mit einem Weinpräsent. Die damalige gesellschaftliche Entwicklung sei bis heute von Bedeutung, erklärte er.

Freier Autor Seit mehr als 40 Jahren als freier Mitarbeiter bei verschiedenen Zeitungen aktiv, Fotograf und Berichterstatter, im Regelfall waren/sind es Zeitungen die dem BA oder ganz früher, mit dem Echo verbunden waren. Berichterstattung meistens über Lorscher Vereine und Organisationen, früher auch Sport.

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