Sankt Georg

Vom Schrecken der letzten Kriegstage

Vortrag von Fritz Kilthau im Seniorenkreis / Als die Bensheimer Stadtkirche in Schutt und Asche versank

Von 
red
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Das berühmte Bild zeigt die 64-jährige Anna Mix, geborene Hesch, die 1945 fassungslos auf die Trümmer des zerstörten Hauses ihrer Schwester Margaretha Hesch blickt, während die US-Truppen durch Bensheim marschieren. © Jerry Rutberg, US-Signal-Corps.

Bensheim. Er hat seit über dreißig Jahren ein Faible für Zeitgeschichte, er hat mehrere Publikationen zur lokalen Geschichte der NS-Zeit veröffentlicht, er ist Vorsitzender des Vereins Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge und promovierter Chemie-Ingenieur: der in Zwingenberg lebende Fritz Kilthau.

Vor über siebzig Seniorinnen und Senioren der Gemeinde Sankt Georg und zahlreichen Gästen sprach Kilthau über das Ende des Zweiten Weltkrieges im Ried und an der Bergstraße. Am 8. Mai 1945 nahm der Terror des NS-Regimes mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht ein Ende und Europa konnte erleichtert aufatmen.

Zu Beginn zeigte Kilthau bedrückende Bilder einiger durch Bombenangriffe zerstörte Städte: Darmstadt, Frankfurt am Main, Köln und Worms. Mittels einer Karte wurde der Frontverlauf und das Vorrücken der aus Westen kommenden amerikanischen Truppen (3. und 7. Armee) Richtung Rhein erklärt. In einem kurzen Film war das Übersetzen der Truppen auf einer fragilen Pontonbrücke zwischen Oppenheim und Kornsand zu sehen.

Bensheim von Bomben getroffen

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Schwerpunkte des Vortrages waren die Eroberung einiger Orte im Ried und an der Bergstraße: Bensheim, Zwingenberg, Einhausen und Heppenheim. Kilthau schilderte die jeweilige militärische Situation und berichtete anschaulich von den Schrecken dieser letzten Kriegstage mit vielen Toten, Verletzten und Zerstörungen der Ortschaften. Auch von mutigen Menschen berichtete er, die mit ihren nicht ungefährlichen Aktionen, wie beispielsweise das Entfernen von Panzersperren (Zwingenberg), zu einem schnellen Ende des Krieges beitragen wollten.

Das Vorrücken der US-Truppen versuchten Flak-Stellungen auf dem Kirchberg und Hohberg zu stoppen. Die Bodentruppen zogen sich zurück und forderten Luftunterstützung an. Beim anschließenden Bombenangriff wurde Bensheim schwer getroffen. Eine Brandbombe traf den Turm der Stadtkirche Sankt Georg, und die Moller-Kirche aus dem Jahre 1830 wurde fast völlig zerstört. Nur die Außenmauern, die Säulen und der Chor blieben erhalten. Das Rathaus, das Kapuzinerkloster, der nördliche Teil der Hauptstraße, der Feuerwehrschuppen und das sogenannte Welschkorneck versanken in Schutt und Asche, und es gab zahlreiche Tote und Verletzte.

In einem zweiten Film wurde der Einmarsch der amerikanischen Soldaten durch die beidseitig zerstörte Hauptstraße gezeigt. Aus diesem Film stammt das berühmte und um die ganze Welt gegangene Bild mit der fassungslosen Anna Mix, die vor dem zerstörten Haus ihrer Schwester steht. Kilthau sprach auch die zahlreichen Naziverbrechen, die gegen Kriegsende in unserer Gegend verübt wurden, an. Die Nazimorde am Kirchberg, bei denen drei Tage vor Kriegsende zwölf Menschen von der Gestapo erschossen wurden und die Hinrichtung dreier junger Soldaten durch das Fliegende Standgericht Helm am Alten Wasserwerk.

Wie ging es nach 1945 weiter? Beim Neuaufbau der staatlichen Organe gab es eine sogenannte Entnazifizierung durch die Spruchkammern, bei denen aber viele Täter mit milden Strafen davonkamen und wieder in höchste Positionen aufrücken konnten. Beispielhaft nannte Kilthau Hans Globke, der Mitverfasser der Nürnberger Rassegesetze war und unter Bundeskanzler Adenauer zum Staatssekretär aufstieg. Werner Best, NS-Staatskommissar für das Polizeiwesen in Hessen und Personalchef der Gestapo, wurde Justiziar und Direktoriumsmitglied im Hugo Stinnes-Konzern.

Zum Schluss seines Vortrages ging Kilthau auf die Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker im Jahre 1985 ein, nach der der 8. Mai 1945 kein Tag der Niederlage, sondern ein Tag der Befreiung war und immer mit dem 30. Januar 1933, dem Tag der Machtergreifung der Nationalsozialisten, in Zusammenhang gesehen werden muss. Die Zuhörer bedankten sich bei Fritz Kilthau mit viel Beifall und einem guten Bergsträßer Tropfen für diese Geschichtsstunde der besonderen Art. red

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