Einhausen. Obwohl er den Chefsessel im Landratsamt nur von 1982 bis 1985 besetzte, gilt Franz Hartnagel als eine der prägenden Bergsträßer Politiker-Persönlichkeiten. Sein späterer Nachfolger als Landrat Matthias Wilkes bezeichnete ihn als „Macher und Kämpfer und als einen der Baumeister des Kreises“.
Zuvor als ehren- und hauptamtlicher Erster Kreisbeigeordneter in der Verantwortung wurde Hartnagel nach einem triumphalen Wahlsieg mit einer absoluten Mehrheit seiner CDU im Jahr 1982 Landrat. Chef der Kreisverwaltung blieb er aber nur drei Jahre, dann wählte die neue rot-grüne Koalition im Kreistag den damals schon fast 67-Jährigen ab.
Die Zeichen, die Franz Hartnagel mit seiner politischen Arbeit gesetzt hat, haben die Zeit trotz des abrupten Endes an der Kreisspitze überdauert: Das Wasserwerk Riedgruppe Ost, das Kreiskrankenhaus und der Erweiterungsbau des Landratsamtes sind einige der Meilensteine, die er gesetzt hat. Wie wenige andere hat er der Bergsträßer CDU und der Politik im Kreis seinen Stempel aufgedrückt.
In den Kreistag zog es ihn bereits 1958 als Abgeordneter. Ab 1960 war er 17 Jahre lang ehrenamtlicher Kreisbeigeordneter, danach bekleidete er den Posten hauptamtlich. Für die Bergsträßer CDU trat Hartnagel sechsmal als Spitzenkandidat bei Kreistagswahlen an.
Franz Hartnagel hätte in den 1960er Jahren – nach dem Tod des früheren Bundesaußenministers und damals amtierenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Heinrich von Brentano – auch auf bundespolitischer Bühne aktiv werden können. Doch Hartnagel lehnte dankend ab: „Lieber der Erste im Kreis Bergstraße als einer unter vielen in Bonn“, so die für ihn charakteristische Begründung.
Für die Einhäuser „Kaiser Franz“
In Einhausen ist „Kaiser Franz“, wie ihn die Bürgerinnen und Bürger seines Heimatortes liebevoll und ehrfürchtig nannten, ohnehin bis heute eine Ausnahmegestalt. Er ist Ehrenbürgermeister und der einzige Ehrenbürger. Geplant ist, die neu gestalteten Wege links und rechts der Weschnitz östlich der steinernen Brücke in Franz-Hartnagel-Promenade umzubenennen.
Dabei begann die berufliche Laufbahn des am 10. Juli 1919 geborenen Einhäusers zunächst einmal relativ normal. Nach seiner Schulzeit machte er eine Lehre bei der Bahn, nach deren Abschluss er sich zum Ingenieur weiterbildete. Bereits im Jahr 1946 startete er jedoch seine kommunalpolitische Karriere als Gemeindevertreter der CDU, wo er sich schon damals einen Namen als fachkundiger Bürger gemacht hat.
Im Jahre 1954 wurde er dann in seinem Heimatort zum Verwaltungschef gewählt. Große Aufgaben erwarteten den neuen Bürgermeister. Als erstes engagierte er sich für eine zentrale Wasserversorgung in der Weschnitzgemeinde und ein Kanalsystem, was es bis dahin noch nicht gab. Weiter war auch beim Straßenbau einiges zu tun. Der Ehrenbürger war immer stolz darauf, dass er trotz geringer Mittel die zur Verfügung standen – das Volumen des damaligen Haushalts betrug gerade einmal 100 000 Mark – das alles geschafft hatte.
Auch zahlreiche gemeindeeigene Gebäude waren renovierungsbedürftig oder zerstört. So wurde eine neue Schule gebaut, was ebenfalls einige Anstrengungen kostete. Hartnagel sorgte auch dafür, dass ein neues Rathaus gebaut wurde. Als im Jahre 1968 das Wasserwerk Jägersburger Wald entstand, bedeutete dies für die Kommune Mehreinnahmen durch die anfallende Grundsteuer. Das Geld wurde in den Bau des Hallenbads und der Mehrzweckhalle investiert.
Bedacht war der damalige Verwaltungschef auch darauf, dass sich die Weschnitzgemeinde weiterentwickelte und sich vergrößerte. So wurden zahlreiche Baugebiete ausgewiesen. In diese Zeit fielen auch der Bau des Kindergartens in der Friedensstraße und der damalige Neubau des evangelischen Kindergartens, bei dem die Gemeinde als Bauherr fungierte. Durch die Zuschüsse zur 1200-Jahrfeier von Einhausen war es der Kommune möglich, das Gebäude, das heute das Bürgerhaus beheimatet, zu kaufen und zu renovieren.
Im Laufe der Jahre kam die damals geschaffene Infrastruktur jedoch in die Jahre. Rathaus und Hallenbad wurden saniert und umgebaut, der evangelische Kindergarten wurde in diesem Frühjahr abgerissen. Die Einrichtung wird durch einen vergrößerten Neubau ersetzt. Als nächstes Großprojekt steht die Sanierung und Erweiterung des Bürgerhauses an.
Die Eigenständigkeit erhalten
Dank Hartnagels Einsatz blieb Einhausen von einer Eingemeindung verschont. In den frühen 1970er Jahren hatte sich Hartnagel erfolgreich für die Eigenständigkeit von Einhausen eingesetzt und mit diplomatischem Geschick die einst getrennten Ortsteile Klein- und Groß-Hausen auch emotional zusammengeführt.
Die Jagd war für den Privatmann Franz Hartnagel eine große Leidenschaft. Als Pächter des Jagdbogens Nord engagierte er sich auch für den Naturschutz. Der von ihm geschaffene Wildpark am Wasserwerk Jägersburg ist heute ein beliebtes Ausflugsziel für Familien.
Am Herzen lagen ihm stets die örtlichen Vereine, denen er fast allen angehörte und die er über seinen Tod hinaus mit der 1989 zu seinem 70. Geburtstag gegründeten Franz-Hartnagel-Stiftung unterstützt. Anlässlich seines 80. Geburtstages hatte er im Jahr 1999 das Kapital der Stiftung auf eine Million D-Mark aufgestockt. Jeweils an seinem Geburtstag am 10. Juli werden die Spenden an die örtlichen Vereine übergeben. Eine Tradition, die auch nach seinem Tod im Jahr 2010 weitergeführt wurde. Bis zu seinem 100. Geburtstag 2019 war dieser Anlass – wie von ihm selbst festgelegt – auch immer mit einem Fest für die Bevölkerung verbunden. Zu seinem 90. Wiegenfest wurden 9000 Euro ausgezahlt.
Hartnagels lokales Engagement lebt unter anderem auch im Caritas-Zentrum St. Vinzenz weiter, für dessen Realisierung er 50 000 Euro zur Verfügung gestellt hatte. Den gleichen Betrag hatte Hartnagel für die Anschaffung einer neuen Orgel in der katholischen Kirche St. Michael gespendet.
Am 5. Januar 2010, knapp ein Jahr nach dem plötzlichen Tod seiner Ehefrau Katharina, mit der er 66 Jahre verheiratet war, verstarb Franz Hartnagel nach kurzer Krankheit im Alter von 90 Jahren. Zu seiner Beerdigung kamen politische Weggefährten aus dem gesamten Kreisgebiet, etliche Bergsträßer Bürgermeister, Freunde und Verwandte sowie zahlreiche Vertreter aus Einhäuser Vereinen und aus der Bevölkerung.
„Hessenweit hat sich Franz Hartnagel über ein halbes Jahrhundert lang als engagiertes CDU-Mitglied und Politiker mit Herz hervorgetan“, sagte der damalige hessische Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Ministerpräsident Roland Koch. kel/red
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