Die Besten der Bergstraße - Der 2010 verstorbene Einhäuser Ehrenbürger, frühere Bürgermeister und Landrat prägte den Landkreis und seine Heimatgemeinde

Franz Hartnagel war ein Baumeister des Kreises

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kel/red
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Der frühere Landrat und Bürgermeister Franz Hartnagel prägte in seiner politischen Karriere den Kreis Bergstraße und seinen Heimatort Einhausen. Unser Foto entstand an seinem 75. Geburtstag im Jahre 1994. © Neu

Einhausen. Obwohl er den Chefsessel im Landratsamt nur von 1982 bis 1985 besetzte, gilt Franz Hartnagel als eine der prägenden Bergsträßer Politiker-Persönlichkeiten. Sein späterer Nachfolger als Landrat Matthias Wilkes bezeichnete ihn als „Macher und Kämpfer und als einen der Baumeister des Kreises“.

Zuvor als ehren- und hauptamtlicher Erster Kreisbeigeordneter in der Verantwortung wurde Hartnagel nach einem triumphalen Wahlsieg mit einer absoluten Mehrheit seiner CDU im Jahr 1982 Landrat. Chef der Kreisverwaltung blieb er aber nur drei Jahre, dann wählte die neue rot-grüne Koalition im Kreistag den damals schon fast 67-Jährigen ab.

Die Zeichen, die Franz Hartnagel mit seiner politischen Arbeit gesetzt hat, haben die Zeit trotz des abrupten Endes an der Kreisspitze überdauert: Das Wasserwerk Riedgruppe Ost, das Kreiskrankenhaus und der Erweiterungsbau des Landratsamtes sind einige der Meilensteine, die er gesetzt hat. Wie wenige andere hat er der Bergsträßer CDU und der Politik im Kreis seinen Stempel aufgedrückt.

In den Kreistag zog es ihn bereits 1958 als Abgeordneter. Ab 1960 war er 17 Jahre lang ehrenamtlicher Kreisbeigeordneter, danach bekleidete er den Posten hauptamtlich. Für die Bergsträßer CDU trat Hartnagel sechsmal als Spitzenkandidat bei Kreistagswahlen an.

Franz Hartnagel hätte in den 1960er Jahren – nach dem Tod des früheren Bundesaußenministers und damals amtierenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Heinrich von Brentano – auch auf bundespolitischer Bühne aktiv werden können. Doch Hartnagel lehnte dankend ab: „Lieber der Erste im Kreis Bergstraße als einer unter vielen in Bonn“, so die für ihn charakteristische Begründung.

Für die Einhäuser „Kaiser Franz“

In Einhausen ist „Kaiser Franz“, wie ihn die Bürgerinnen und Bürger seines Heimatortes liebevoll und ehrfürchtig nannten, ohnehin bis heute eine Ausnahmegestalt. Er ist Ehrenbürgermeister und der einzige Ehrenbürger. Geplant ist, die neu gestalteten Wege links und rechts der Weschnitz östlich der steinernen Brücke in Franz-Hartnagel-Promenade umzubenennen.

Dabei begann die berufliche Laufbahn des am 10. Juli 1919 geborenen Einhäusers zunächst einmal relativ normal. Nach seiner Schulzeit machte er eine Lehre bei der Bahn, nach deren Abschluss er sich zum Ingenieur weiterbildete. Bereits im Jahr 1946 startete er jedoch seine kommunalpolitische Karriere als Gemeindevertreter der CDU, wo er sich schon damals einen Namen als fachkundiger Bürger gemacht hat.

Im Jahre 1954 wurde er dann in seinem Heimatort zum Verwaltungschef gewählt. Große Aufgaben erwarteten den neuen Bürgermeister. Als erstes engagierte er sich für eine zentrale Wasserversorgung in der Weschnitzgemeinde und ein Kanalsystem, was es bis dahin noch nicht gab. Weiter war auch beim Straßenbau einiges zu tun. Der Ehrenbürger war immer stolz darauf, dass er trotz geringer Mittel die zur Verfügung standen – das Volumen des damaligen Haushalts betrug gerade einmal 100 000 Mark – das alles geschafft hatte.

Auch zahlreiche gemeindeeigene Gebäude waren renovierungsbedürftig oder zerstört. So wurde eine neue Schule gebaut, was ebenfalls einige Anstrengungen kostete. Hartnagel sorgte auch dafür, dass ein neues Rathaus gebaut wurde. Als im Jahre 1968 das Wasserwerk Jägersburger Wald entstand, bedeutete dies für die Kommune Mehreinnahmen durch die anfallende Grundsteuer. Das Geld wurde in den Bau des Hallenbads und der Mehrzweckhalle investiert.

Bedacht war der damalige Verwaltungschef auch darauf, dass sich die Weschnitzgemeinde weiterentwickelte und sich vergrößerte. So wurden zahlreiche Baugebiete ausgewiesen. In diese Zeit fielen auch der Bau des Kindergartens in der Friedensstraße und der damalige Neubau des evangelischen Kindergartens, bei dem die Gemeinde als Bauherr fungierte. Durch die Zuschüsse zur 1200-Jahrfeier von Einhausen war es der Kommune möglich, das Gebäude, das heute das Bürgerhaus beheimatet, zu kaufen und zu renovieren.

Im Laufe der Jahre kam die damals geschaffene Infrastruktur jedoch in die Jahre. Rathaus und Hallenbad wurden saniert und umgebaut, der evangelische Kindergarten wurde in diesem Frühjahr abgerissen. Die Einrichtung wird durch einen vergrößerten Neubau ersetzt. Als nächstes Großprojekt steht die Sanierung und Erweiterung des Bürgerhauses an.

Die Eigenständigkeit erhalten

Dank Hartnagels Einsatz blieb Einhausen von einer Eingemeindung verschont. In den frühen 1970er Jahren hatte sich Hartnagel erfolgreich für die Eigenständigkeit von Einhausen eingesetzt und mit diplomatischem Geschick die einst getrennten Ortsteile Klein- und Groß-Hausen auch emotional zusammengeführt.

Die Jagd war für den Privatmann Franz Hartnagel eine große Leidenschaft. Als Pächter des Jagdbogens Nord engagierte er sich auch für den Naturschutz. Der von ihm geschaffene Wildpark am Wasserwerk Jägersburg ist heute ein beliebtes Ausflugsziel für Familien.

Am Herzen lagen ihm stets die örtlichen Vereine, denen er fast allen angehörte und die er über seinen Tod hinaus mit der 1989 zu seinem 70. Geburtstag gegründeten Franz-Hartnagel-Stiftung unterstützt. Anlässlich seines 80. Geburtstages hatte er im Jahr 1999 das Kapital der Stiftung auf eine Million D-Mark aufgestockt. Jeweils an seinem Geburtstag am 10. Juli werden die Spenden an die örtlichen Vereine übergeben. Eine Tradition, die auch nach seinem Tod im Jahr 2010 weitergeführt wurde. Bis zu seinem 100. Geburtstag 2019 war dieser Anlass – wie von ihm selbst festgelegt – auch immer mit einem Fest für die Bevölkerung verbunden. Zu seinem 90. Wiegenfest wurden 9000 Euro ausgezahlt.

Hartnagels lokales Engagement lebt unter anderem auch im Caritas-Zentrum St. Vinzenz weiter, für dessen Realisierung er 50 000 Euro zur Verfügung gestellt hatte. Den gleichen Betrag hatte Hartnagel für die Anschaffung einer neuen Orgel in der katholischen Kirche St. Michael gespendet.

Am 5. Januar 2010, knapp ein Jahr nach dem plötzlichen Tod seiner Ehefrau Katharina, mit der er 66 Jahre verheiratet war, verstarb Franz Hartnagel nach kurzer Krankheit im Alter von 90 Jahren. Zu seiner Beerdigung kamen politische Weggefährten aus dem gesamten Kreisgebiet, etliche Bergsträßer Bürgermeister, Freunde und Verwandte sowie zahlreiche Vertreter aus Einhäuser Vereinen und aus der Bevölkerung.

„Hessenweit hat sich Franz Hartnagel über ein halbes Jahrhundert lang als engagiertes CDU-Mitglied und Politiker mit Herz hervorgetan“, sagte der damalige hessische Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Ministerpräsident Roland Koch. kel/red

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Als er erstmals mit der Bergsträßer Kreisstadt in Berührung kam, hatte er in seinem Metier schon jahrzehntelange Erfahrung und nicht minder langen Erfolg gesammelt. 1967 erstmals in der Stadt {element} Es war im Jahr 1967, als die Dreharbeiten für den Kinofilm „Herrliche Zeiten im Spessart“ Hans Richter zum ersten Mal nach Heppenheim führten. Er lernte bei dieser Gelegenheit den Kurmainzer Amtshof mit seinem mittelalterlichen Ambiente kennen und auf Anhieb schätzen. Vor allem dessen Innenhof hatte es ihm angetan – als ideale Austragungsstätte eines Freiluft-Theaters nach historischem Vorbild. {furtherread} Sieben Jahre sollte es noch dauern, bis aus dieser ersten Begegnung die Heppenheimer Festspiele, das „Theater im Hof“, geworden waren – eine „mutige und riskante Entscheidung“, wie später die Regisseurin Pia Hänggi rückblickend beschrieb. Die erste Festspiel-Premiere am 9. August 1974 fand allerdings an einem anderen Ort in Heppenheim statt: Als Eröffnungsstück wurde auf dem Kirchplatz St. Peter der „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal gegeben, mit dem mächtigen „Dom der Bergstraße“ als Kulisse im Hintergrund. 1974 beginnt eine Erfolgsgeschichte Es war dies der Beginn einer Erfolgsgeschichte, wenn auch viele Einwohner der Sache anfangs wohl eher skeptisch bis unterkühlt gegenüberstanden, was sich aber schnell ändern sollte. In jedem Sommer wurde Heppenheim jetzt für mehrere Wochen zur Festspielstadt. Die Zuschauer kamen bald in Scharen: In der erfolgreichsten Phase der Festspiele waren die Spielzeiten oft schon Monate vorher ausverkauft und erreichten jeweils über 30 000 Besucher. Im Jahr 2010 wurde die Millionenmarke überschritten. Die Stücke – vor allem klassische Lustspiele etwa von Shakespeare oder aus dem Zeitalter der Commedia dell’arte (Molière, Goldoni) – waren selbst inszeniert, wie überhaupt die Festspiele lange Zeit ein reines Familienunternehmen waren. Hans Richter als Gründer und Intendant wählte Programm und Schauspieler aus und besorgte die Regisseure, wenn er nicht selbst Regie führte. Selbst auf der Bühne stand er allerdings nur in wenigen Fällen. Seine Frau Ingeborg richtete die Texte ein, Sohn Thomas übernahm die Rolle des Technikers, Bühnenbildners und Ausstatters. Selbst Kostüme, Programmhefte, Plakate und Kartenverkauf wurden selbst organisiert. Wie eine große Familie Familiär war auch der Umgang aller Mitwirkenden miteinander. Langjährige Festspiel-Akteure und Publikums-Lieblinge wie Walter Renneisen, Ingeborg Rassaerts oder Nikolaus Schilling (der lange Jahre in Kirschhausen lebte) erinnerten sich in späteren Interviews einmütig an die gemütliche Atmosphäre von damals, zu der auch beitrug, dass die Schauspieler bereits für die Proben in Heppenheim wohnten und dadurch Jahr für Jahr auch zu vertrauten Gesichtern im Alltag der Stadt wurden. Und an (damals) prominenten Namen war kein Mangel: So standen Joachim Hansen und Fritz Muliar ebenso bei den Heppenheimer Festspielen auf der Bühne wie Günter Strack, Christine Kaufmann und Anja Kruse, Klaus Wildbolz, Eva Pflug, Peter Bongartz, Marion Kracht und Harald Dietl oder Jörg Pleva und Klaus Wennemann. Zum Erfolg trug sicherlich bei, dass die Heppenheimer Festspiele lange Zeit weit und breit etwas hatten, was man heute ein „Alleinstellungsmerkmal“ nennen würde. Wer (Volks-)Theater in ähnlicher Form anderswo erleben wollte, musste dafür schon in eine Großstadt fahren – und selbst dort war dies keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Auch wirtschaftlich war das Unternehmen ein Familienbetrieb. Die Stadt Heppenheim gab zwar einen festgelegten jährlichen Zuschuss und stellte auch ihren Bauhof für Hand- und Spanndienste zur Verfügung; den Großteil des Risikos aber trugen die Richters selbst. Im Laufe der Zeit wurden die äußeren Bedingungen im „Theater im Hof“ verbessert. Die Tonübertragung von der Bühne wurde verständlicher, Bühne und Zuschauerraum erhielten eine regensichere Überdachung, die Sitzgelegenheiten wurden bequemer. 1992 übernimmt Sohn Thomas 1992 ging die Leitung der Festspiele auf den Richter-Sohn Thoma s über. Nach einer Verärgerung über den damaligen Heppenheimer Bürgermeister Ulrich Obermayr habe Hans Richter die Intendanz von einem auf den anderen Tag niedergelegt, erinnerte sich die Festspiel-Schauspielerin Inge Rassaerts in ihrem Buch „Alles Theater“. Sohn Thomas Richter führte als neuer Intendant zum einen das bewährte Lustspiel-Konzept fort, musste zum anderen aber auch vermehrt auf eine sich wandelnde Konkurrenzsituation reagieren: Die Heppenheimer Festspiele waren mittlerweile kein Unikat mehr, die Zahl ähnlicher oder sonstiger Veranstaltungen im Sommer wuchs auch im Umland. Es bedurfte einer – zunächst behutsamen – Neuorientierung, um auf Dauer wirtschaftlich bestehen zu können. Zum eigentlichen Programm kamen nun vermehrt Gastspiele hinzu, nicht nur aus dem Theater-Sektor, sondern später auch aus den Bereichen Musik und Comedy. Ab 2012 leitet Sabine Richter Wegen seiner schweren Alzheimer-Demenzerkrankung, an der er 2017 auch 69-jährig starb, musste Thomas Richter die Leitung der Festspiele im Jahr 2012 abgeben. Nachfolgerin als Intendantin war bis 2018 seine Frau Sabine. Bei der Programmgestaltung kam es zu einer Kooperation mit den Hamburger Kammerspielen und ihrem Intendanten Axel Schneider: Inszenierungen, die an der Elbe erarbeitet worden waren, wurden für die Heppenheimer Festspiele übernommen. Ab 2018 Festspiele GmbH Die ab 2018 für die Ausrichtung zuständige Festspiele Heppenheim GmbH um Geschäftsführer Stephan Brömme wurde 2020 ein Opfer von Corona: Die gesamte Spielzeit musste ausfallen, die GmbH vorläufige Insolvenz anmelden. Die Spielzeit 2021 ist ebenfalls ausgefallen, zumal in diesem Jahr der Amtshof wegen größerer Sanierungs- und Umbauarbeiten nicht zur Verfügung gestanden hätte. Eine Fortsetzung der Festspiel-Tradition soll es damit ab 2022 im modernisierten Amtshof geben. Wer für das Programm künftig verantwortlich sein wird, will die Stadt Heppenheim im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung ermitteln. Sicher ist bis jetzt nur, dass dann für das „Theater im Hof“ stark verbesserte Aufführungsbedingungen vorzufinden sein werden – und das rechtzeitig vor dem Jahr 2024, wenn es 50 Jahre her sein wird, dass die Geschichte der Heppenheimer Festspiele mit dem „Jedermann“ ihren Anfang nahm.

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Geplant ist, die neu gestalteten Wege links und rechts der Weschnitz östlich der steinernen Brücke in Franz-Hartnagel-Promenade umzubenennen. Dabei begann die berufliche Laufbahn des am 10. Juli 1919 geborenen Einhäusers zunächst einmal relativ normal. Nach seiner Schulzeit machte er eine Lehre bei der Bahn, nach deren Abschluss er sich zum Ingenieur weiterbildete. Bereits im Jahr 1946 startete er jedoch seine kommunalpolitische Karriere als Gemeindevertreter der CDU, wo er sich schon damals einen Namen als fachkundiger Bürger gemacht hat. Im Jahre 1954 wurde er dann in seinem Heimatort zum Verwaltungschef gewählt. Große Aufgaben erwarteten den neuen Bürgermeister. Als erstes engagierte er sich für eine zentrale Wasserversorgung in der Weschnitzgemeinde und ein Kanalsystem, was es bis dahin noch nicht gab. Weiter war auch beim Straßenbau einiges zu tun. Der Ehrenbürger war immer stolz darauf, dass er trotz geringer Mittel die zur Verfügung standen – das Volumen des damaligen Haushalts betrug gerade einmal 100 000 Mark – das alles geschafft hatte. Auch zahlreiche gemeindeeigene Gebäude waren renovierungsbedürftig oder zerstört. So wurde eine neue Schule gebaut, was ebenfalls einige Anstrengungen kostete. Hartnagel sorgte auch dafür, dass ein neues Rathaus gebaut wurde. Als im Jahre 1968 das Wasserwerk Jägersburger Wald entstand, bedeutete dies für die Kommune Mehreinnahmen durch die anfallende Grundsteuer. Das Geld wurde in den Bau des Hallenbads und der Mehrzweckhalle investiert. Bedacht war der damalige Verwaltungschef auch darauf, dass sich die Weschnitzgemeinde weiterentwickelte und sich vergrößerte. So wurden zahlreiche Baugebiete ausgewiesen. In diese Zeit fielen auch der Bau des Kindergartens in der Friedensstraße und der damalige Neubau des evangelischen Kindergartens, bei dem die Gemeinde als Bauherr fungierte. Durch die Zuschüsse zur 1200-Jahrfeier von Einhausen war es der Kommune möglich, das Gebäude, das heute das Bürgerhaus beheimatet, zu kaufen und zu renovieren. Im Laufe der Jahre kam die damals geschaffene Infrastruktur jedoch in die Jahre. Rathaus und Hallenbad wurden saniert und umgebaut, der evangelische Kindergarten wurde in diesem Frühjahr abgerissen. Die Einrichtung wird durch einen vergrößerten Neubau ersetzt. Als nächstes Großprojekt steht die Sanierung und Erweiterung des Bürgerhauses an. Die Eigenständigkeit erhalten Dank Hartnagels Einsatz blieb Einhausen von einer Eingemeindung verschont. In den frühen 1970er Jahren hatte sich Hartnagel erfolgreich für die Eigenständigkeit von Einhausen eingesetzt und mit diplomatischem Geschick die einst getrennten Ortsteile Klein- und Groß-Hausen auch emotional zusammengeführt. Die Jagd war für den Privatmann Franz Hartnagel eine große Leidenschaft. Als Pächter des Jagdbogens Nord engagierte er sich auch für den Naturschutz. 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Den gleichen Betrag hatte Hartnagel für die Anschaffung einer neuen Orgel in der katholischen Kirche St. Michael gespendet. Am 5. Januar 2010, knapp ein Jahr nach dem plötzlichen Tod seiner Ehefrau Katharina, mit der er 66 Jahre verheiratet war, verstarb Franz Hartnagel nach kurzer Krankheit im Alter von 90 Jahren. Zu seiner Beerdigung kamen politische Weggefährten aus dem gesamten Kreisgebiet, etliche Bergsträßer Bürgermeister, Freunde und Verwandte sowie zahlreiche Vertreter aus Einhäuser Vereinen und aus der Bevölkerung. „Hessenweit hat sich Franz Hartnagel über ein halbes Jahrhundert lang als engagiertes CDU-Mitglied und Politiker mit Herz hervorgetan“, sagte der damalige hessische Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Ministerpräsident Roland Koch. kel/red

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