Benshiem. Es wird gespart. Am Feuerwerk und an einer Eröffnungsfeier. Ob das sinnvoll ist oder nur Symbolpolitik, darüber wird momentan in Bensheim viel geredet. Auch im Winzerdorf. Und auch entlang der Umzugsstrecke, die am Sonntag von großem Publikum umrahmt wurde. Bereits in Auerbach suchten sich zahlreiche Zuschauer einen schattigen Platz, um das Spektakel zu verfolgen. Die B3 kurz vor dem Ritterplatz war erneut einer der begehrtesten Standorte, denn von dort ist der Weg zum anschließenden Schoppen besonders kurz. Trainierte Nahkämpfer positionierten sich direkt in der Innenstadt.
Bei 30 Grad, gefühlt noch heißer, war am Sonntag allein das Stehen für viele eine Herausforderung. Die Anzahl der Klappstühle und Hocker war beim 86. Winzerfest besonders groß. Wer 90 Minuten winken und klatschen will, muss mit seinen Kräften haushalten. „Bensemer Blüten und Bergsträßer Wein laden Euch zum Feiern ein“ titelte die bunte Parade aus knapp 90 Zugnummern – einige hatten ihre Teilnahme kurzfristig abgesagt.
Doch nicht nur die Reben tanken bei diesen Temperaturen noch einmal mächtig Sonne, auch die Fußgruppen, Festwagen und Musikkapellen waren der Strahlung ausgesetzt. Die Cheerleaderinnen der TSV Rot-Weiß Auerbach konnten den Temperaturen im Sportdress allerdings besser widerstehen als Trachtengruppen, Bürgerwehren oder die Fraa vun Bensem, die am Sonntag einmal mehr eine heiße Tour hinter sich gebracht haben dürfte. Doris Walter war bereits vor über 40 Jahren das erste Mal als Galionsfigur der Heimatvereinigung Oald Bensem dabei. Und wie immer folgten ihr Bürgerwehr, Spielmannszug und Biedermeiergruppe, ohne die der Winzerfestumzug nicht vollständig wäre.
Basketballer des VfL luden zum Körbewerfen am Straßenrand ein
Auch an Hoheiten war der Zug nicht arm. Die neue Bergsträßer Weinkönigin Katja Simon prostete den Zuschauern im coolen Look mit Sneakers zu, Blütenkönigin Nadja Pietruschka rollte kurz dahinter im Cabrio mit. Ebenso die Auerbacher Kerwekönigin 2023, Lena Jöckel. Die Repräsentantinnen kamen unter anderem aus Lützelsachsen, Hemsbach und Lampertheim nach Bensheim, das sich am Sonntag als Stadt des Sports und der Lebensfreude präsentiert hat. Die Vielfalt an Sportvereinen und Abteilungen war unübersehbar, das Spektrum reichte vom Fußball über Volleyball und Hockey bis zu Judo, Reiten und Fechten. Neben den großen Vereinen TSV und DJK/SSG waren auch die HSG Bensheim/Auerbach, die FSG, der Kraftsportverein und der Tennisclub Blau-Weiß mit von der Partie.
Die Basketballer des VfL marschierten mit Jugendwart Harry Hegenbarth mit und luden zum Körbewerfen am Straßenrand ein. Hoch hinaus ging es mit dem Team der Kletterhalle High Moves – noch höher wagt sich die Modellfliegergruppe Richtung Himmel. Die erfolgreichen Distanz-Piloten sind auf Kunstflug spezialisiert. Eher lautloses Segeln wird bei der Segelfluggruppe Bensheim kultiviert – ebenfalls extrem erfolgreich und nachwuchsstark.
Das Center of Moving Arts verwandelte die Bundesstraße 3 in eine große Showbühne mit einer flotten Choreographie. Generell dominierten – trotz Hitze – Lebenslust, gute Laune und viel Motivation. Aber auch die kreative Ader der Teilnehmer kam zum Vorschein. Die Frauenfastnachterinnen, die BKG (88 Jahre jung) und die Grieseler Rote Funken verströmten närrische Laune mitten im Hochsommer, die Stadt Zwingenberg zelebrierte ihr 750-jähriges Stadtrechtsjubiläum im historischen Look – und mit einem Bürgermeister Holger Habich, der den Zuschauern am Straßenrand gerne einen eingeschenkt hat. Landrat Christian Engelhardt rollte in der Kutsche von Oald Bensem mit.
Fehlheim präsentierte sich als Dolles Dorf 2023, die Nachbarn in Schwanheim feierten ihre Vereinsvielfalt in Zusammenhalt, und der Kinderreitsportclub Bensheim räumte mit einem alten Klischee auf: entgegen anderslautender Meinungen ist das Leben also doch ein Ponyhof!
Bensheim als Bildungshauptstadt an der Bergstraße wurde unter anderem von der Heinrich-Metzendorf-Schule und dem Förderverein der Hemsbergschule thematisiert. Besonders farbenfroh und fröhlich offenbarte sich die „bunte Vielfalt“ an der Seebergschule. Etwas spärlich war die Kultur vertreten, hier hielt vor allem das PiPaPo-Kellertheater die Fahne hoch und warb unterwegs für ihr neues Kinder- und Familienstück „Die Katze mit Hut“.
Die Amersham-Band, die am Freitag ein umjubeltes Konzert im Bürgerhaus Kronepark gegeben hatte, war samt ihrem Freundeskreis ebenso mit dabei wie die Harmonie Fehlheim, die am 22. September ein gemeinsames Konzert mit dem Kirchenmusikverein Fehlheim im Parktheater veranstaltet. Überhaupt waren Hinweise und Aufrufe beim Umzug durchaus gefragt: Die FSG Bensheim sucht Schiedsrichter und Jugendtrainer, und die regionale Kewerjugend ist chronisch auf der Suche nach Nachwuchs. Allein das Ballettstudio Leonor scheint voll ausgelastet zu sein, wenn man die hohe Präsenz der Ballerinen als Maßstab nimmt.
Mit der Kehrmaschine des Bauhofs, immerhin offizielle Zugnummer 92, verabschiedete sich der Festzug von seinen Fans. Ecke Heidelberger und Rodensteinstraße löste sich der Tross auf. Danach ergoss sich wie immer eine Menschenwelle in die Innenstadt. Von Sparmaßnahmen war zumindest beim Winzerfestumzug kaum etwas zu spüren. Okay: Es gab schon mehr Süßes zum Fangen für die Kinder. Die Gesamtmenge an zuckerlastigen Miniaturen war eher moderat. Ist ja auch gesünder.
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