Bensheim. Goethe hilft in fast allen Lebenslagen – so auch beim Empfang der Ehrengäste im Bensheimer Bürgerhaus kurz vor der Eröffnung des Winzerfests am Samstagabend. Bürgermeisterin Christine Klein zitierte den Dichterfürsten in ihrer Ansprache mit den Worten, dass das Leben viel zu kurz sei, um schlechten Wein zu trinken.
Ob es das Leben verlängert, wenn man guten Wein trinkt, kann man Johann Wolfgang nicht mehr fragen. „Das eine oder andere Glas eines guten Weines zur rechten Zeit und am rechten Ort ist zweifellos eine Bereicherung der Lebensqualität“, führte die Rathauschefin hingegen aus – verbunden mit dem Hinweis, dass man es aus medizinischer Sicht nicht übertreiben sollte mit dem Rebensaftgenuss.
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Von den Römern, die vor mehr als 2000 Jahren die ersten Weinreben nach Deutschland brachten, schlug Klein die Brücke zum Bergsträßer Winzerfest, bei dem die große kulturelle Bedeutung des Weines für die gesamte Region im Mittelpunkt stehe: „Wir würdigen damit den Beruf und den unermüdlichen Einsatz der Winzerinnen und Winzer hier an der Bergstraße.“
40 Jahre Fraa vun Bensem
Gewürdigt wurde beim Warmlaufen für die eigentliche Eröffnung eine gute Stunde später auf dem Marktplatz aber auch eine Person, die ein bemerkenswertes Jubiläum feiert. Doris Walter verkörpert seit 40 Jahren die Fraa vun Bensem. „Ich glaube, man kann mit Fug und Recht behaupten. Dies ist für Dich längst keine Rolle mehr, sondern eine Berufung“, würdigte Christine Klein die Jubilarin.
Nach einem Ausflug zu den historischen und sprachwissenschaftlichen Wurzeln zur Sagengestalt („hinnerum, wie die Fraa vun Bensem“) versicherte die Rathauschefin: „Doris Walter ist vieles – aber ganz bestimmt nicht hintenrum. Vielmehr ist sie in Bensheim und der gesamten Region hoch angesehen für ihr bodenständiges und zupackendes Wesen, für ihren unermüdlichen Einsatz – gerade auch im Rahmen des Winzerfests – und für ihre unverblümte Rede.“ Als Geschenk und als Erinnerung überreichte die Bürgermeisterin ihr ein Fotobuch mit Aufnahmen und Zeitungsausschnitten aus den vergangenen 40 Jahren.
„Ehrungen brauche ich eigentlich nicht. Was ich mache, mache ich gerne. Aber was ich heute gesagt bekommen habe, empfinde ich nicht als Ehrung, sondern als wunderschönes Geschenk“, bedankte sich Doris Walter, bevor sie ihre Rede hielt. Nach dem Winzerfest werde sie sich das Buch anschauen.
Dank und Lob beim Empfang im Bürgerhaus
Der Katholische Kirchenmusikverein Fehlheim (KKMV) sorgte für den musikalischen Rahmen und beste Unterhaltung beim Empfang der Ehrengäste im Bürgerhaus.
Bürgermeisterin Christine Klein dankte nicht nur den Kirchenmusikern, sondern auch der Trachtengruppe der SKG Zell sowie dem Odenwaldklub Auerbach, die die Bewirtung übernommen hatten.
Ganz besonders bedankte sie sich auch bei der Heimatvereinigung Oald Bensem, die „sich immer in besonderer Weise um das Winzerfest verdient macht“.
Das Technische Hilfswerk, der Bauhof, das DRK und die Feuerwehren von Bensheim-Mitte und aller Stadtteile sowie die Polizeistation Bensheim und das Ordnungsamt der Stadt erwähnte sie ebenfalls lobend für ihren Einsatz während der neun Tage.
Erwähnung fanden außerdem explizit die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, „die an den unterschiedlichsten Stellen zum Gelingen dieses wundervollen Festes beitragen“.
In ihren Lob und Dank schloss Klein besonders und hervorgehoben den Verkehrsverein, namentlich und stellvertretend Thomas Herborn und Hilde Deppert, als Ausrichter des Winzerfests ein. dr
Das Winzerfest, kehrte sie zum eigentlichen Anlass zurück, gehöre in Bensheim zum Leben. „Ich liebe mein Bensheim, es ist meine Stadt.“ Eine Stadt mit Ecken und Kanten, in der geschimpft und geschwätzt, manchmal auch nur heiße Luft gewendet werde. „Wetzt nur alle weiter, mit eurer Schnut. Ich bringe es dann in Reim und charmant unter einen Hut.“ Manchmal könnte man aber auch dazwischen hauen. Es sei aber letztlich verbrauchte Energie. Uneinsichtigkeit und Sturheit, die fänden sich „viel zu gescheit“.
Einigkeit herrsche aber immer beim Winzerfest. „Es ist für uns Bensheimer das Beste, das Fest der Feste.“ Es vermittelt ein Gefühl von Heimat, Wissen, Geschmack. „Auch das Gefühl, das in einem klingt. Und das Gefühl von Stolz. Wir feiern gerne zusammen“, so Doris Walter in ihrer Paraderolle, in der sie der Stadt und den Bensheimern hoffentlich noch sehr lange erhalten bleiben wird.
Ein echter Sehnsuchtsort
Mit viel Beifall und standesgemäßer Aufmerksamkeit verfolgten die Ehrengäste den Auftritt der Traditionsfigur von Oald Bensem – bei Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) lauschte und applaudierte das Publikum naturgemäß deutlich reduzierter. Gegen die Lokalmatadorin hat man selbst als Spitzenpolitiker wenig Chancen.
Auch wenn er mit Elogen auf die Gastgeberstadt selbstredend kurz vor der Landtagswahl nicht sparte. Für ihn als Frankfurter sei die Bergstraße ein echter Sehnsuchtsort. Wobei er das Wesentliche des Abends auf den Punkt brachte. „Wir wollen nicht lange reden, wir wollen Wein trinken.“
Der Weinbau habe einen entscheidenden Anteil an der Lebensqualität der Region, weil er weit mehr sei als ein Wirtschaftsfaktor. „Er ist echte Identität, vor allem Bergsträßer Identität und große Kultur“, meinte der Ministerpräsident. Insofern habe man schon Kultur nach Berlin gebracht, in dem man in der Landesvertretung dort Bergsträßer Wein ausschenke. „Es ist etwas Schönes, die Heimat im Munde haben zu können, wenn man in Berlin ist.“
Rhein dankte allen Mitwirkenden für ihr ehrenamtliches Engagement und dem Verkehrsverein namentlich mit Thomas Herborn an der Spitze für die Organisation der Großveranstaltung.
Bevor es zum gemütlichen Teil des Tages und schließlich zum Abmarsch – flankiert von Spielmannzug, Biedermeiergruppe und Bürgerwehr von Oald Bensem – Richtung Winzerdorf ging, verewigte sich der Ministerpräsident noch im Goldenen Buch der Stadt.
Mit einer weiteren Weinweisheit, von einem unbekannten Verfasser, entließ die Bürgermeisterin die Gäste in den lauen Sommerabend: „Regen lässt das Gras wachsen, Wein das Gespräch.“ Als Beleg durfte man problemlos die Geräuschkulisse im gut besuchten Bürgerhaus heranziehen – die auch während der Ansprachen nur mit Mühen gedimmt werden konnte.
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