Serie „Am Wegesrand“

Wie barocke Waldarchitektur den Niederwald bei Fehlheim prägte

Markante Schneisen im Wald sind Zeugen der höfischen Jagd im 17. und 18. Jahrhundert

Von 
Eva Bambach
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Ein regelmäßiger, fünfstrahliger Stern wie hier im Niederwald bei Fehlheim war als Mittelpunkt bei den höfischen Parforcejagden im 17. und 18. Jahrhundert beliebt. © Eva Bambach

Bensheim. Zu Fuß unterwegs, trifft man nicht nur Menschen von heute: Allerorten warten in Bensheim auch (meist) steinerne Zeugen, um von vergangenen Zeiten zu erzählen.

Immer mal wieder sind es aber auch beredte Lücken, die auf Historisches verweisen. Heute soll es um die markanten, baumlosen Schneisen gehen, die im Niederwald bei Fehlheim nicht nur vor Ort, sondern auch auf den Satellitenaufnahmen, etwa bei Google Earth zu erkennen sind. An einer Stelle laufen die Schneisen sogar in einem deutlichen Stern aufeinander zu.

Die heutigen Funktionen des Waldes werden als Vielfältig verstanden

Die meisten Menschen, die heute den Niederwald bei Fehlheim aufsuchen, sind Spaziergänger, Pilzsucher, Jogger oder Fahrradfahrer. Sie suchen vor allem Erholung, vielleicht auch Romantik. Doch der Zauber, der sich in den Wäldern an den Hängen der Bergstraße oft ausdrückt – bedingt durch geschlungene Wege und das natürliche Relief, das überraschende Ausblicke und ein ständig wechselndes Lichtspiel bietet - stellt sich im Niederwald, wie in vielen Wäldern der Ebene, nur bedingt ein. Scharf geschnittene Schneisen, winkelig sich kreuzende Wege und ein gleichmäßiger Bewuchs vermitteln kühle Rationalität und wenig Sinn für das Malerische.

Man möchte das fast automatisch der Ausrichtung an den nicht zuletzt wirtschaftlichen Interessen unserer Tage zuschreiben. Tatsächlich werden die Funktionen des Waldes heute vielfältig verstanden und umfassen Holzproduktion und Schutzaufgaben in Bezug auf Landschaft, Bodenschutz, Wasser, Klima oder Immissionen ebenso wie Erholung.

Die Waldwege im Niederwald sind verblüffend alt

Aber der Wald war schon immer ein Nutzwald und Rohstofflieferant, Ergebnis menschlicher Eingriffe und nicht eines ungestörten Waltens der Natur. Im Mittelalter wurde hier Bau- und Brennholz geschlagen, hier weidete auch das Vieh und das Laub diente als Einstreu für den Stall. Unter anderem zugunsten der fürstlichen Jagd wurde die Waldweide allerdings später weitgehend verboten, denn der Wald war auch Gegenstand hoheitlicher Jagdprivilegien.

Und so sind die so modern erscheinenden, auf dem Reißbrett gezogenen Waldwege im Niederwald verblüffend alt: Sie haben sich als Relikte höfischer Jagden über die Jahrhunderte erhalten.

Grausame Jagden durch die Jagdschneisen im Wald

Hofjagden waren gesellschaftliche Großereignisse. Es gab „eingestellte Jagden“, bei denen die adligen Veranstalter und ihre männlichen und weiblichen Gäste aus Kutschen oder überdachten Ständen auf die Tiere schossen, die zuvor in Gehegen gesammelt und ihnen dann vor die Flinte getrieben wurden. Dafür wurde ein bestimmtes Waldgebiet und eine Lichtung ausgewählt und mit Netzen und Tüchern abgeteilt. Häufig wurden dabei auch gemalte Kulissen verwendet.

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Bei der Parforcejagd ging es besonders grausam zu. Sie erfreute sich an den europäischen Fürstenhäusern des späten 17. und 18. Jahrhunderts großer Beliebtheit. Dabei verfolgte eine Hundemeute die Fährte des Wildes, etwa von Hirschen oder Wildschweinen. Berittene Jäger begleiteten und lenkten die Meute, die das Wild hetzte, bis es erschöpft war und von den herrschaftlichen Schützen erlegt werden konnte. Die Schneisen, die noch heute das Bild prägen, dienten der Übersicht bei der Jagd. Wenn die Reiter hinter der Hundemeute durch den Wald ritten, erleichterten die Jagdschneisen das Vorwärtskommen erheblich und die Jäger konnten dem verfolgten Wild den Fluchtweg abschneiden.

„Karlstern“ im Käfertaler Wald ist ein bekannter Jagdstern

Wichtig war es natürlich, dass die Schneisen gepflegt wurden und gut befahrbar waren. So gab zum Beispiel der Darmstädter Landgraf 1725 eine Anweisung, dass die „Herstellung und Säuberung der Schneisen zu den Jagd-Frondiensten gerechnet werden soll“. Der maßgebliche legitime Herr über das Jagdregal in Bensheim im 18. Jahrhundert war der Mainzer Erzbischof und Kurfürst. Für mehrere Amtsinhaber ist bezeugt, dass sie persönlich jagten. Zum Hofstaat gehörten Beamte wie Oberförster und Oberjägermeister, die die Jagdreviere organisierten. Auch im Niederwald sind offensichtlich feudale Jagdgesellschaften veranstaltet worden. In der Nachbarschaft bauten die Landgrafen von Hessen-Darmstadt mit dem Parforcehaus Jägersburg, gegenüber dem heutigen Gasthaus Jägersburg, sogar ein kleines Jagdschloss. Es ist längst verschwunden und auch der in der Nähe davon auf Karten des 18. Jahrhunderts eingezeichnete Jagdstern ist heute nicht mehr gut zu erkennen.

Ein weiteres Beispiel für einen Jagdstern in unserer Region ist der bekannte „Karlstern“ im Käfertaler Wald bei Mannheim, Mittelpunkt eines umfangreichen Naherholungsgebietes, das heute auch dem gemeinen Volk Raum für Spiel und Spaß bietet.

Lange, scharf gezogene Schneisen durschneiden den Niederwald. Wer würde denken, dass es sich dabei um ein Andenken aus der Barockzeit handelt? © Eva Bambach

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