Bensheim. „Ein Maler mag wissen, was er nicht will. Doch wehe! Wenn er wissen will, was er will! Ein Maler ist verloren, wenn er sich findet.“ Dass es ihm geglückt ist, sich nicht zu finden, hat Max Ernst als kreativen Segen immer wieder betont.
Ein Zitat, das Ulrike Fried-Heufel im Jahr 2010 im Rahmen einer intimen Retrospektive in ihrem Zwingenberger Atelier ebenfalls für sich beansprucht hat. Ihr Anspruch, nicht stehenzubleiben mit sich und der Kunst, scheint auch ein Dutzend Jahre später noch immer nicht an Gültigkeit verloren zu haben.
Mit ihrer neuen Werkschau „Initial“ im Parktheater präsentiert die Künstlerin eine kompakte, aber äußert beispielhafte Auswahl ihrer Arbeiten von den 80er Jahren bis in die Gegenwart. Über 60 Gäste kamen nun zur Vernissage im Gertrud-Eysoldt-Foyer, wo Bürgermeisterin Christine Klein die Ausstellung eröffnet hat und der Protagonistin nicht nur ein tiefes Verständnis für die Kunst attestierte, sondern auch die gesellschaftlichen und politischen Initiativen der Malerin erwähnte.
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Fried-Heufel hatte sich mit zahlreichen Aktionen und Happenings unter anderem für Integration, kulturelle Vielfalt oder Frieden engagiert. Aber auch mit Arbeiten zum Frauenwahlrecht und gegen häusliche Gewalt ist ihre Kunst im öffentlichen Raum bislang schon in Erscheinung getreten.
„Die Künstlerin bleibt sich in ihrem Schaffen treu und ist in ihren Exponaten deutlich auszumachen“, so Berthold Mäurer in seiner Einführung. Nicht zum ersten Mal hat der langjährige Bensheimer Kulturamtsleiter ihre künstlerische Entwicklung kommentiert und eingeordnet.
Seit 1981 gab es eine Vielzahl an Einzel- und Gruppenausstellungen, die sie unter anderem nach Spanien und England geführt haben. Sicherlich ein Höhepunkt war die Teilnahme an der Ausstellung „The Essence of Abstraction“ in der New Yorker Agora Gallery im Jahr 2014. Das Bild „Roter Faden“, das in Bensheim zu sehen ist, war damals Teil ihres Ensembles, die in New York mit „German Spirit“ betitelt wurde.
Zunächst arbeitet Ulrike Fried-Heufel noch sehr gegenständlich. Die Radierung „Wilder Tanz“ und eine Monotypie („Akt“) von Beginn der 80er Jahre zeigen dies beispielhaft. Später hat die Malerin das Wesen der Dinge in einer reduzierten und auch rein äußerlich schlankeren Form gesucht: die schmalen Figurenbilder und Silhouetten mit ihrer zeichenhaften Symbolik markieren den Beginn einer langen und fruchtbaren Liaison aus Text und Bild. Diese Korrespondenz, eingefangen in collagenartigen Kunstwerken von hoher innerer Dynamik und assoziativer Energie, ist in vielen Werken erkennbar.
Die Worte werden zum integralen Bestandteil, die Figur oder das zentrale Motiv selbst zu einem kalligrafischen Zeichen oder semiotischen Element. Die Rhythmik der Sprache wird in eine bildhafte Dimension überführt. Der Inhalt bleibt ein Fragment, was der künstlerischen Freiheit zusätzliche Räume öffnet. Die Arbeiten sind allerdings niemals banale Illustrationen eines Textes. Sie interpretieren bisweilen, doch zumeist sind es assoziative Brücken von Literatur und Kunst, die den Betrachter zum intellektuell-visuellen Duell herausfordern.
So auch in „Gedankenfreiheit“, das von einem Liedtext von Erich Fried inspiriert ist. Ulrike Fried-Heufel hat ihn in ein visuelles Kunstwerk gleichsam transkribiert. Die fruchtbare Harmonie von Worten, Gedanken und Ausdruck werden zu einer kraftvollen Bild-Text-Collage mit lyrischen Fragmenten.
Bei der Vernissage mit leiser Kraft und wuchtiger Sensibilität vorgetragen von Schauspieler und Sprecher Walter Renneisen. Ein langjähriger Freund der Künstlerin, der schon an gleicher Stelle die Ausstellung „Korrespondenzen“ (2001) mit seiner Rezitationskunst zum Klingen gebracht hatte. Darunter auch Texte von Ulla Hahn, die Fried-Heufel zu ihren dynamischen Variationen „Zum Tanz“ motiviert haben. Musikalisch flankiert wurde die Eröffnung von kontemplativen Klängen der Harfenistin Mariella Frank-Pieters.
Geboren in Karlsruhe, hat Ulrike Fried-Heufel ab 1972 an der Mainzer Hochschule für Bildende Künste studiert, ihre Schwerpunkte waren Malerei, Grafik und Bildhauerei. Das parallele Studium der Kunstgeschichte führte sie noch tiefer in die Materie. Später sind es immer wieder berühmte Frauen der Weltgeschichte, die sie beeinflussen, wie etwa Frida Kahlo oder Maria Ward.
Zum Jubiläum 400 Jahre Maria Ward Schwestern hatte sie die englische Ordensgründerin großformatig porträtiert. Als langjährige Studienrätin für Bildende Kunst an der nach Maria Ward benannten Mainzer Schule hat die Künstlerin immer wieder ihre besondere Verbindung zu dieser Vorreiterin für Frauenrecht betont. Das Motiv war kurz nach seiner Vollendung – auch als großes Banner – in ganz Deutschland zu sehen.
Filigrane Poesie
Darüber hinaus war es immer wieder auch die filigrane Poesie eines Shakespeare oder die dramatisch-sprachgewaltigen Sonette von Andreas Gryphius, die sich zu ihren korrespondierenden Motiven animiert hatte. In ihrem Ausdruck ist sich die Künstlerin bei aller thematischen Vielfalt und technischen Varianz – und trotz der zunehmenden Abstrahierung – treu geblieben.
Berthold Mäurer wies auf ihr Interesse für die synästhetische Wahrnehmung hin: verschiedene Sinneseindrücke werden miteinander vermischt. Synästhetiker können etwa Töne schmecken oder Farben riechen. Fried-Heufel fokussiert die Verschmelzung von Wort, Bild und Klang als ästhetische und experimentelle Möglichkeit, um über das gewöhnliche Stadium des Bewusstseins hinauszugehen. So entsteht ein Dialog aus unterschiedlichen Wahrnehmungsebenen, der reizvolle Perspektiven öffnet.
Ulrike Fried-Heufels künstlerisches Wirken spielt sich nicht nur im Atelier, sondern auch im öffentlichen Leben ab. Neben zahlreichen Kooperationen mit Vereinen und Initiativen ist sie an der Bergstraße außerdem wiederholt als Kuratorin aktiv und engagiert sich im Vorstand des Zwingenberger Förderkreises für Kunst und Kultur.
Die Ausstellung im Eysoldt-Foyer ist bis 27. November jeweils zu den Veranstaltungen im Parktheater zu sehen.
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