Flüchtlingshilfe

Welcome to Bensheim nimmt die Arbeit wieder auf

Es geht um Integration und Unterstützung, um konkrete Hilfe und praktizierten Humanismus: Gründe genug, um den Verein zu reaktivieren, der bereits kurz vor seiner Auflösung stand.

Von 
Thomas Tritsch
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Der Verein „Welcome to Bensheim“ rund um seine Vorsitzende Christina Imhoff-Schoenherr (3.v.l.) hat sich neu aufgestellt. Hintergrund ist die wachsende Anzahl von geflüchteten Menschen in Bensheim. © Jürgen Strieder

Bensheim. Für längere Zeit haben die Aktivitäten geruht: Jetzt hat sich der Verein „Welcome to Bensheim“ neu aufgestellt. Hintergrund und Motivation ist die wachsende Anzahl von geflüchteten und schutzsuchenden Menschen, die seit Beginn des Monats direkt den Kommunen zugewiesen werden.

In Bensheim müssen künftig mindestens 130 Personen pro Quartal untergebracht werden. Freie Unterkünfte sind knapp. In der sogenannten Zeltstadt am Berliner Ring kamen zunächst vor allem Frauen und Kinder aus der Ukraine unter. Mittlerweile stammt die Mehrheit der bis zu eintausend Bewohner aus anderen Ländern.

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Es geht um Integration und Unterstützung, um konkrete Hilfe und praktizierten Humanismus: Gründe genug, um den Verein zu reaktivieren, der bereits kurz vor seiner Auflösung stand. Beim Mitgliedertreffen im April letzten Jahres war es trotz reger Bemühungen nicht gelungen, einen ordentlichen Vorstand zu formieren und die Aktivitäten wieder aufleben zu lassen.

Daher blieb der Erste Vorsitzende Manfred Knapp – ehrenamtlicher Stadtrat im Magistrat – der einsame Solist an der Spitze von „Welcome to Bensheim“, wo aktuell noch immer 89 Mitglieder geführt sind. Ein harter Kern hat den Verein jetzt vor dem Ableben gerettet: Bei der Hauptversammlung im Bürgerraum der Weststadthalle wurde einstimmig ein vollständiger Vorstand inklusive sechs Beisitzern gewählt. Nach einer Stunde war die Vereinsspitze wieder komplett.

„Ein Herzensthema“

Neue Erste Vorsitzende ist Kristina Imhof-Schoenherr, die über 30 Jahre Berufspraxis im Gesundheitswesen verfügt und unter anderem für das Betriebliche Gesundheitsmanagement am Kreiskrankenhaus Heppenheim zuständig war. „Die Unterstützung von Frauen mit Kindern auf der Flucht ist mir ein Herzensthema.“ Es sei nun höchste Zeit, dass sich die Stadtgesellschaft hier wieder stärker engagiere.

Ihr zur Seite steht der Bensheimer Agenturchef und Eventveranstalter Harry Hegenbarth als Zweiter Vorsitzender. Hegenbarth war im Oktober 2015 Gründungsmitglied des Vereins. Ebenso wie Manfred Knapp, der jetzt wieder ins Amt des Rechners wechselte, das er bereits in den ersten Jahren innehatte. Zur Schriftführerin wurde in Abwesenheit Sandra Schlaps gewählt.

Beisitzer sind Doris Sterzelmaier, Adriana Filippone, Martin Zenke, Eva Middleton sowie die ehrenamtlichen Stadträtinnen Waltrud Ottiger und Josefine Koebe. Ein auch politisch bunt gemischter erweiterter Vorstand – wobei Koebe wie ihr Magistratskollege Knapp darauf hinwiesen, aufgrund ihrer politischen Tätigkeit kein Amt in der Vorstandsspitze übernehmen zu wollen. Kassenprüferinnen sind Heike Harlos und Sophie Grützner.

Ein zusätzlicher Motivationsschub für den Neustart des Vereins war und ist eine bürgerschaftliche Initiative, die seit gut sechs Wochen – immer an Samstagen – niederschwellige Treffen in der Taunusanlage organisiert. Eingeladen sind Frauen und Familien aus der nahen Zeltstadt.

Lokale Akteure vernetzen

Bei „Welcome to Bensheim“ sollen diese Angebote nun ausgedehnt und innerhalb klar definierte Vereinsstrukturen gesteuert werden, so Josefine Koebe. Aktuell gebe es in der Stadt keine Organisation von Ehrenamtlichen, die sich dem Thema Flüchtlingshilfe annehme. Der Verein will Öffentlichkeit schaffen, lokale Akteure vernetzen und eine Brücke in die Kommunal- und Kreispolitik bilden. Dabei soll es auch darum gehen, potenzielle Doppelstrukturen zu vermeiden und gezielte Hilfe dort zu bieten, wo sie benötigt wird, sagte Doris Sterzelmaier.

Der Verein war damals aus einer freiwilligen Initiative entstanden, die sich für geflüchtete Menschen in und um Bensheim einsetzen und sie bei der Orientierung in der neuen Umgebung unterstützen wollte. Man verstand die Aufnahme von Flüchtlingen als Selbstverständlichkeit und engagierte sich für Vielfalt und Menschlichkeit.

Die Ausrichtung ist überparteilich, überkonfessionell und unabhängig und spricht sich gegen jede Form von Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Rechtspopulismus aus. Auch 2015 war der Verein vorwiegend an der Zeltunterkunft am Festplatz aktiv. Dort wurden verschiedene Arbeitskreise für Kinder und Erwachsene organisiert. Neben Sport- und Freizeitaktivitäten hatten die Mitglieder auch Deutschkurse und verschiedene Alltagshilfen organisiert. Im Dezember 2015 wurde das Zeltdorf geschlossen, im Januar 2017 eröffnete der interkulturelle und offene Begegnungstreff in den Guntrum-Galerien als zentrale Anlaufstelle.

Die dortigen Hilfsangebote wurden ein Jahr später zum Großteil von der Stadt Bensheim übernommen. Der Verein stellte seine Tätigkeiten in der Folge weitestgehend ein. Knapp hielt die Stellung als Vorsitzender in einem lückenhaften Vorstand.

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Durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Migrationsbewegungen nach Deutschland erkannten einige Mitglieder einen neuen Bedarf. Nach der gescheiterten Vorstandswahl im April 2022 war das Treffen diesmal erfolgreich. Jetzt will der Verein, der in den ersten Jahren zwischenzeitlich bis zu 150 Mitglieder zählte, weitere Mitstreiter finden und dauerhaft aktiv sein.

„Wir möchten die inneren Strukturen systematisch aufbauen und personell klare Zuständigkeiten definieren“, kündigte Manfred Knapp an. Inhaltlich will sich „Welcome to Bensheim“ in den nächsten Monaten weitere Aufgabengebiete suchen und die Zusammenarbeit mit weiteren Personen und Institutionen ausbauen. Genannt wurden unter anderem das Familienzentrum Bensheim, das einen Austausch für Gastfamilien anbietet, die Menschen aus der Ukraine aufgenommen haben.

Auch mit den Integrationslotsen und dem Integrationsbeauftragten der Stadt Bensheim sowie mit relevanten Koordinierungsstellen, mit Medizinern und interkulturellen Initiativen will man künftig enger zusammenarbeiten.

Man sei völlig frei und ohne Denkverbote, sagte Josefine Koebe. Es sei besser, das Augenmerk auf wichtige Aspekte zu konzentrieren als zu viele Themen nur oberflächlich angehen zu können. Daher gehe es zuvorderst darum, die Bedürfnisse und Probleme der Menschen zu analysieren. Die Vorstandsmitglieder wollen zudem ihre weit verzweigten persönlichen und beruflichen Netzwerke zum Wohle der Vereinsarbeit nutzen.

Harry Hegenbarth plädierte für eine forcierte Öffentlichkeitsarbeit und einen kontinuierlichen Dialog mit Stadt und Kreisverwaltung. Es gehe darum, den Neustart von „Welcome to Bensheim“ in die Bevölkerung zu tragen und dort weitere Unterstützer zu finden. Aktuell pflegt der Verein (noch) keine Homepage. Die Netz-Präsenz beschränkt sich auf Facebook und Instagram.

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