Bensheim. Die 71. Weinkönigin kommt aus Zwingenberg. Katja Simon (24) stammt aus dem Weingut Simon-Bürkle und repräsentiert die Hessische Bergstraße bis zum Winzerfest 2025. Die Krönung fand am 6. Juli auf dem Heppenheimer Weinmarkt statt. Danach begann eine lange Amtszeit, in der die exzellent ausgebildete Winzerin das Anbaugebiet mit viel Spaß, Leidenschaft und Fachwissen zuhause und überregional vertreten möchte. Das Winzerfest ist ihre erste große Bühne. Im Interview verrät sie, was das Ehrenamt für sie bedeutet, mit welchen Stärken die Bergstraße punkten kann und welche Herausforderungen der deutsche Weinbau angehen muss.
Frau Simon, wie kamen Sie zum Amt der Gebietsweinkönigin? Warum gerade jetzt?
Katja Simon: Der Weinbauverband Hessische Bergstraße hatte vor einigen Jahren schon einmal angeklopft, aber ich fühlte mich mit 18 noch nicht wirklich bereit für dieses Amt. Ich wollte zunächst über ein breites und gefestigtes Weinwissen verfügen, um das Anbaugebiet sowie seine Winzerinnen und Winzer lokal wie überregional kompetent vertreten zu können. Ende letzten Jahres habe ich mich dann ganz klassisch beim Weinbauverband beworben. So richtig mit Motivationsschreiben, Lebenslauf und allem. Ich hatte das Gefühl, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen war, diese Aufgabe wahrzunehmen. Die Krone muss ja auch in die berufliche Planung passen.
Wie bekommen Sie beides unter einen Hut?
Katja Simon: Nach dem Bachelor-Abschluss im Sommer letzten Jahres bin ich direkt ins Master- Studium Weinbau, Oenologie und Weinwirtschaft gewechselt, im Herbst beginnt das dritte Semester in Geisenheim. Nach Auslandspraktika auf Mallorca und am Kalterer See in Südtirol sowie dem Jahr in Wien werde ich jetzt erst einmal an der Bergstraße bleiben und im Rheingau mein Studium fortsetzen. Für mich eine entscheidende Voraussetzung, um Termine in der Region überhaupt persönlich wahrnehmen zu können. Das wäre in den beiden Jahren zuvor kaum möglich gewesen. Für mich ist dieses Ehrenamt auch eine Verpflichtung, der man mit einer gewissen Konsequenz folgen sollte. Das funktioniert nicht auf große Distanz.
Das klingt nach einer großen Ernsthaftigkeit im positiven Sinn, wenn Sie fachliche Kompetenz, räumliche Präsenz und persönliche Reife als Voraussetzung betonen.
Katja Simon: Ich möchte keine Weinkönigin in Teilzeit sein, sondern dem Amt meine volle Aufmerksamkeit widmen. Und ich möchte auch für mich persönlich viele neue Erfahrungen mitnehmen. Meine Vorgängerin Nina Kaltwasser hat mich bislang toll unterstützt und mir dabei geholfen, mich auf diese Zeit vorzubereiten. Die Vorfreude stieg von Tag zu Tag. Nina Kaltwasser gehört ebenso wie Sie zu einer neuen Generation Bergsträßer Winzerinnen und Winzer. In mehreren etablierten Betrieben gab es bereits personelle Veränderungen mit jüngeren Köpfen an der Spitze, in anderen bahnen sich Generationswechsel an. Hinzu kommen neue Weingüter, die schnell und erfolgreich ihren Platz gefunden haben.
Über die Weinkönigin Katja Simon
- Katja Simon (24) wurde am 6. Juli auf dem Heppenheimer Weinmarkt zur 71. Bergsträßer Gebietsweinkönigin gekrönt.
- Die Zwingenbergerin ist im Weingut Simon-Bürkle aufgewachsen, und hat nach dem Abitur an der Liebfrauenschule (2018) im elterlichen Betrieb ihre Ausbildung absolviert.
- Von 2020 bis 2023 studierte sie an der Hochschule Geisenheim „Weinbau und Önologie“ und schloss mit dem Bachelor ab.
- Es folgte der Master-Studiengang „Weinbau, Önologie und Weinwirtschaft“ mit zwei Semestern an der Universität für Bodenkultur in Wien. 2025 ist der Master-Abschluss geplant.
Wie beurteilen Sie diese Dynamik im Anbaugebiet, die sich ja auch in der Verbandsspitze offenbart?
Katja Simon: Ich halte den Generationswechsel in den Betrieben ebenso wie im Verband für eine große Chance, um neue Perspektiven auszuleuchten und die Hessische Bergstraße insgesamt weiter zu entwickeln. Unsere Vorgänger haben in den vergangenen Jahrzehnten eine Menge geleistet und die Region mit viel Wissen, Pionierarbeit und einem reichen Erfahrungsschatz nach vorn gebracht.
Jetzt wird der Weinbauverband von Kolleginnen und Kollegen geführt, die ebenfalls schon etliche Jahre federführend im Betrieb aktiv sind. Ich denke, dass sich daher in den nächsten Jahren noch einiges bewegen wird. Unter anderem werden weitere Veranstaltungen dazu kommen, die auch ein jüngeres Publikum ansprechen werden.
Aber auch Langzeitprojekte im Weinberg wie die Flurbereinigung leben ja davon, dass eine neue Winzergeneration die Aufgaben ihrer Vorgänger weiterführt und teilweise auch neu denken muss.
Klimawandel, damit einhergehende Dürreperioden und zunehmende Extremwetterereignisse stellen eine große Herausforderung dar. Das war vor drei oder vier Jahrzehnten noch kein so prominentes Thema.
Katja Simon: Natur- und Umweltschutz sind wichtige Aspekte bei der Arbeit im Weinberg, klimatische Veränderungen und Wetterextreme sind heute einflussreiche Faktoren und werden im Anbaugebiet sehr ernst genommen. Durch die Anlage von Querterrassen in steileren Lagen wie etwa in Zwingenberg werden die Böden stabiler gegenüber starken Niederschlägen. Auch Trockenheit und künstliche Bewässerung sind Themen, die uns die nächsten Jahre weiter begleiten werden.
Gerade die jungen Winzerinnen und Winzer müssen sich die Frage stellen, wie man bewirtschaftete Flächen langfristig neu planen und schützen kann, um den Weinbau auf den Klimawandel vorzubereiten und die Bergsträßer Kulturlandschaft dauerhaft zu erhalten. Resilienz im Weinbau ist heute ein sehr zentrales Thema.
Man hat das Gefühl, dass die regionale Szene in den vergangenen Jahren enger zusammengewachsen ist. Ein falscher Eindruck?
Katja Simon: Nein, das ist Realität. Diese Entwicklung ist richtig, gut und sinnvoll. Denn letztlich stehen wir alle vor den gleichen Schwierigkeiten und Herausforderungen. Einige haben wir gerade angesprochen. Hinzu kommt, dass der Bergsträßer Nachwuchs in einer ähnlichen Altersklasse spielt. Auch das sorgt für ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Das erkennt man auch bei Veranstaltungen wie dem Zwingenberger Abendmarkt und dem Winzerfest, bei dem sich mehrere Winzerinnen und Winzer einen Stand teilen oder Synergien nutzen, etwa im technischen oder logistischen Bereich. Man unterstützt sich gegenseitig. Denn wer in einem Team agiert, ist stärker und genießt größere Spielräume. Weinbau bedeutet Vielfalt statt Monokultur.
Ist diese Vielfalt auch das, was Sie persönlich an diesem Beruf begeistert?
Katja Simon: Auf jeden Fall. Die Entwicklung der Rebe durch das Weinjahr ist ein Prozess, der mich immer aufs Neue fasziniert. Jedes Jahr ist anders und jeder Herbst von Spannung und Vorfreude geprägt. Die Winzer arbeiten in und mit der Natur. Das begeistert mich an diesem Beruf.
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Gibt es thematische Nischen, die Sie besonders interessieren?
Katja Simon: Während meiner Zeit an der Universität für Bodenkultur in Wien, ein Partner der Hochschule Geisenheim University, hat sich ein besonders starkes Interesse für die Zusammenhänge und Abläufe im Untergrund und die verschiedenen Bodentypen entwickelt. Im letzten Jahr habe ich mich sehr viel mit Biodiversität und Geologie beschäftigt. Ich möchte mich neben den klassischen Weinbauthemen wissenschaftlich möglichst breit aufstellen und buchstäblich noch mehr in die Tiefe gehen. Dafür war der Studiengang in Wien ideal.
Zu den Herausforderungen für die deutschen Winzer gehören nicht nur Klimawandel und weinrechtliche Reformen: der deutsche Weinmarkt hat aktuell mit deutlich sinkenden Absatzzahlen gegenüber der internationalen Konkurrenz zu kämpfen. Wie kann man Kunden zurück gewinnen und junge Menschen für Weingenuss begeistern?
Katja Simon: Ich erlebe junge Leute zum Glück als grundsätzlich sehr interessiert an Wein. Hier müsste man ansetzen und den Kunden – vor allem den neuen - die Komplexität des Weinbaus und die Arbeit des Winzers möglichst locker und unkompliziert näherbringen. Ich halte wenig von steifer Wissensvermittlung. Und wer einmal ein Weingut besucht und die Leidenschaft der Erzeuger für ihr Produkt und die regionale Kulturlandschaft erlebt hat, der entwickelt oftmals schnell ein tieferes Interesse.
Das Deutsche Weininstitut geht bei der Nachfrage nach alkoholfreien Weinen und deren Produktion von einem langfristigen Trend aus. Sehen Sie das ähnlich?
Katja Simon: Das ist in der Tat ein wachsender Markt. Die zentrale Herausforderung liegt hier vor allem darin, bei wenig oder gar keinem Alkohol möglichst viel Geschmack und Aromen zu erhalten. Denn man muss wissen: die Ent-Alkoholisierung von Wein ist ein technischer Verarbeitungsschritt, bei dem ein Produkt entscheidend verändert wird. Damit haben wir uns an der Hochschule bei vielen Verkostungen intensiv beschäftigt. Hier gibt es noch viel zu erforschen, um die Geschmackserwartungen der Kunden zu erfüllen.
Nicht nur als Fachfrau, auch als Weinkönigin darf man auch mal kritisch sein: Worin sehen Sie die Stärken und wo die kleinen Schwächen der Hessischen Bergstraße?
Katja Simon: Der große Rebsortenspiegel ist sicherlich ein Alleinstellungsmerkmal der Bergstraße. Hier sind wir sehr breit aufgestellt. Hinzu kommen die Vielfalt an Böden auf engstem Raum und die reizvolle Kulturlandschaft, die mit vielen Kontrasten punktet. Die Schwächen sehe ich weniger im qualitativen Bereich des Weinbaus, der in den vergangenen Jahren ja auch von außen immer positiver bewertet wird, sondern eher in einer ausbaufähigen Wahrnehmung unserer Region. Die Bergstraße muss als Weinland bekannter werden. Wir müssen unser Potenzial besser nutzen und ausspielen. Aber wir sind auf einem guten Weg.
Viele Projekte zielen in diese Richtung, die Zusammenarbeit der Weingüter im Weinbauverband spielt dabei eine wichtige Rolle. Sie wurden in die Weinbranche hineingeboren, aber ihr nicht gerade in die Wiege gelegt. Warum sind Sie schließlich doch im Wingert gelandet?
Katja Simon: Das stimmt. Ich bin meiner Mutter (Anm. d. Red: Dagmar Simon) bis heute sehr dankbar, dass sie mir immer die Wahl gelassen hat, wohin die Reise gehen soll. Ursprünglich wollte ich mal zur Polizei, habe sogar schon ein Praktikum absolviert. Später hatte ich den Bereich Event-Management im Visier und mich schon nach entsprechenden Studiengängen umgeschaut. Doch ich wollte nicht immer nur im Büro sitzen. Nach dem Abitur an der Bensheimer Liebfrauenschule habe ich mich dann recht spontan für ein Praktikum im heimischen Weingut entschlossen. Ich wollte sehen, ob das für mich taugt. Der Rest ist bekannt.
Es hat getaugt: nach zwei Jahren schlossen Sie als Winzerin mit Bestnote ab. Und jetzt bewegen Sie sich als fachlich kompetente Hoheit sehr souverän auf öffentlichem Parkett. Mit Spickzettel oder ohne?
Katja Simon: Vor der Krönung in Heppenheim hatte ich mir extra eine kleine Rede geschrieben. Ich stand dann die ganze Zeit mit Zettel auf der Bühne. Es war ein Stück Sicherheit zum Festhalten. Gebraucht habe ich ihn nicht. Bis zum Winzerfest gab es ja recht wenige Termine, das sieht in den nächsten Monaten anders aus. In der Regel überlege ich mir je nach Anlass, was ich in etwa sagen möchte, spreche dann aber frei.
Sie sind die 71. Bergsträßer Gebietsweinkönigin. In der Pfalz sollte das traditionsreiche Ehrenamt abgeschafft werden. Stattdessen sollte ein PfalzWein-Botschafter eingeführt werden, um auch Männern eine Chance zu geben. Statt Kronen sollte es Anstecknadeln geben. Nach Protesten von vielen Seitenwurde in der Pfalz zurückgerudert. Halten Sie dieses Ansinnen für eine gute Idee?
Katja Simon: An sich ist es richtig, wenn man über eine moderne, geschlechterneutrale Variante nachdenkt. Das traditionelle Bild der Weinhoheit ist veraltet und entspricht sicher nicht mehr dem Zeitgeist. Fragwürdig finde ich aber, dass man auch die Krone abschaffen wollte. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man mit diesem Kopfschmuck als eindeutiges Erkennungszeichen schnell und unkompliziert mit Menschen ins Gespräch kommt und Barrieren fallen. Grundsätzlich ist der Impuls aus der Pfalz zu begrüßen, über die Details muss man sicher sprechen. Mit so viel Gegenwind auf diesen Vorstoß hätte ich aber nicht gerechnet.
Werden Sie beim Winzerfest auch am familiären Weinstand am Bürgerwehrbrunnen hinter der Theke stehen, oder ist das als Königin tabu?
Katja Simon: Tabu nicht, aber es dürfte wenig Zeit dafür bleiben. Vielleicht findet sich spontan ein kleines Zeitfenster, in dem ich die Kollegen hinter
der Theke unterstützen kann. Darüber würde ich mich sehr freuen.
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