Soziales

Seit 20 Jahren Hilfe aus Bensheim für Kinder in Südafrika

Der Verein Masifunde hat über zwei Millionen Euro in Bildungsförderung investiert. Jetzt fand die Jubiläumsfeier in der voll besetzten Laurentiuskirche statt.

Von 
Thomas Tritsch
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In der bis auf den letzten Platz besetzten Sankt Laurentiuskirche in Bensheim wurde am Wochenende das 20-jährige Bestehen des Vereins Masifunde gefeiert, der in Bensheim gegründet wurde und unter anderem Kindern aus den südafrikanischen Townships den Schulbesuch ermöglicht. © Thomas Neu

Bensheim. Durch die Initiative von Jonas Schumacher wurde vor 20 Jahren den ersten fünf Kindern aus dem südafrikanischen Walmer Township ein Schulbesuch ermöglicht. Seither hat der Verein Masifunde über zwei Millionen Euro in die Bildungsförderung in Gqeberha – ehemals Port Elizabeth – investiert.

Damals war Schumacher Austauschstudent. Heute ist er Geschäftsführer der deutsch-südafrikanischen Nonprofit-Organisation, die sich in beiden Ländern für gleiche Bildungschancen für Kinder und Jugendliche engagiert.

Angefangen hat alles mit einer Südafrika-Reise des Jugendchors des Alten Kurfürstlichen Gymnasiums unter der Leitung von Manfred Hein im Jahr 1998. Kurz danach begann der junge Bensheimer seinen Zivildienst in dem Armenviertel, in dem bis zu 50.000 Menschen unter katastrophalen Bedingungen leben. 2009 ging er nach Beendigung seines Politik-Studiums dauerhaft nach Südafrika. 2004 hat er auf Anregung der damaligen Bundesjustizministerin Brigitte Zypries den gemeinnützigen Verein Masifunde – Bildungsförderung gegründet. Zypries ist bei heute Schirmherrin.

Mit Südafrikareise des AKG-Chors im Jahr 1998 hat alles begonnen

Bei der Jubiläumsfeier in der Sankt Laurentius Kirche gratulierte sie mit einer Videobotschaft. Doch zahlreiche Mitglieder, Freunde, Paten und Förderer des Vereins füllten die Kirche bis auf den letzten Platz. darunter Gäste aus Südafrika sowie aus Hamburg, Kiel und vielen weiteren Regionen Deutschlands.

„Hier verschmelzen Welten“, kommentierte Jonas Schumacher die große Resonanz auf eine Feier, die den Blick nicht nur auf die erfolgreiche Biografie des Vereins richtete, sondern auch die Zukunft der Bildungsarbeit im Visier hatte. Denn es gibt nach wie vor eine Menge zu tun, so der Gründer: Jeder zweite Mensch in Südafrika ist von extremer Armut betroffen, etwa 60 Prozent der Jugendlichen sind ohne Arbeit. Fast die Hälfte der Kinder bricht die Schule vor der 12. Klasse ab. 82 Prozent aller Viertklässler können nicht lesen.

Masifunde bedeutet so viel wie „Lasst uns lernen“ auf isiXhosa, das ist eine der elf Landessprachen in Südafrika. Durch ganzheitliche schulische und außerschulische Bildungsprogramme werden sozial benachteiligte Heranwachsende gefördert und darin bestärkt, Wissen und Erfahrungen zu sammeln und an ihr direktes soziales Umfeld weiterzugeben. Als sogenannte „Changemaker“ (Veränderer) sollen sie eine aktive Zivilgesellschaft fördern und einen positiven Wandel in ihrer Gemeinschaft auslösen oder forcieren.

Jonas Schumacher (re.) und Jacob Birkenhäger begrüßten die Gäste der Jubiläumsfeier. © Thomas Neu

Die Projekte sind nachhaltig ausgerichtet und sollen nicht allein die Perspektive des Einzelnen verbessern, sondern langfristig das Bildungsniveau in Walmer Township heben und den Menschen Perspektiven aufzeigen, wie eine selbstbestimmte und positive Zukunft möglich sein kann. Daher werden Kinder und Jugendliche gezielt zu Multiplikatoren ausgebildet. In den letzten 20 Jahren waren für dieses Ziel über 300 Ehrenamtliche aktiv. Mehr als 100 Freiwillige haben sich in Südafrika engagiert, vor Ort hat der Verein rund 250 Mitarbeiter aus der Umgebung in die Bildungsarbeit integriert, so Jonas Schumacher, der gemeinsam mit Vorstandsmitglied Jacob Birkenhäger, der Masifunde bis 2017 fünf Jahre lang als Vorstandsvorsitzender begleitet hat. Er betonte die enorme Entwicklung, die der Verein seit damals miterlebt hat.

„Hier haben sehr viele Menschen Ideen und Talente eingebracht sowie Zeit und Geld investiert“, sagte Jonas Schumacher, der neben dem AKG-Chor unter dem Dirigat von Sabine Wulf und Manfred Hein auch etliche Vertreter aus der kleinen und großen Politik begrüßte. Bürgermeisterin Christine Klein unterstrich Bildung als Schlüssel zu einem selbstbestimmten und souveränen Leben. Bei Masifunde zeige sich zudem beispielhaft, wie sich lokales Engagement im globalen Maßstab positiv auswirken könne. Klein sprach von einem Bildungs-Modellprojekt mit Bensheimer Wurzeln.

„Wir sind sehr schnell sehr bekannt geworden“

Die Hessische Ministerin für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege, Diana Stolz, betonte den Stellenwert von Bildung für die demokratische Kultur: Wer gebildet ist, der verfüge über ein eigenständiges, kritisches Denken und könne weniger leicht manipuliert oder politisch beeinflusst werden.

Josefine Koebe bereiste Walmer Township 2003 – ebenfalls als Stimme des AKG-Jugendchors. Damals war sie 15. Am Samstag kam sie als Landtagsabgeordnete und Generalsekretärin der Hessischen SPD. „Ich war damals mit einer ganz anderen Welt konfrontiert“, so die Bensheimerin. Sie habe gespürt, dass es mehr gibt als materiellen Wohlstand, nämlich persönliches Glück und Zufriedenheit auch in einer sozial schwierigen Situation. Masifunde habe den Menschen im Township zwei Jahrzehnte lang Hoffnung und Perspektiven vermittelt. Aus kleinen Anfängen und einer privaten Idee habe sich ein starkes Netzwerk entwickelt, das in seiner positiven Dynamik nicht nur in eine Richtung wirke, so Koebe: Die Erfahrungen und Ideen für Südafrika wirken sich auch auf die Strukturen des Vereins in Deutschland aus, sagte sie.

Masifunde wurde anfangs nicht bis ins Detail durchgeplant, die Entwicklung war ein organischer Prozess mit vielen Überraschungen und positiven Konstellationen. Das bestätigt auch Christoph Scheld, von 2007 bis 2010 Pressesprecher des Vereins und Leiter des Bereichs PR. „Wir sind sehr schnell sehr bekannt geworden.“ Das mediale Interesse wuchs beachtlich, 2008 wurde Masifunde mit dem Marion Dönhoff-Förderpreis für internationale Verständigung und Versöhnung der Wochenzeitung „Die Zeit“ ausgezeichnet. Im gleichen Jahr wurde der Verein zum „Ausgewählten Ort im Land der Ideen“, danach mehrmals für den Deutschen Engagementpreis nominiert. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist Schirmherr der „Click4Change“-Spendenkampagne, die den Kreislauf der Armut durch Bildungschancen durchbrechen will.

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„Start small!“ – klein beginnen: Das betonte in Bensheim auch Manelisi Billy, der im Township aufgewachsen ist. Er war einer der ersten Teilnehmer am entwicklungspolitischen Freiwilligendienst Weltwärts Reverse. Über eine Entsendeorganisation wurde es ihm ermöglicht, die Lebenshilfe in Bonn kennenzulernen. Nach einer Ausbildung zum Hotelfachmann im Berliner Adlon hat er in Südafrika eine Event-Agentur gegründet. „Seit 2011 hat mich Masifunde begleitet“, so der junge Mann, dessen Biografie den Ansatz des Vereins spiegelt. Jetzt hofft er, dass Masifunde sein ganzheitlich orientiertes Bildungsangebot irgendwann auf ganz Afrika ausdehnen wird.

Ganz so weit wollte Jonas Schumacher am Samstag noch nicht in die Zukunft blicken. Allerdings, so betont er, hätte vor 20 Jahren auch niemand daran gedacht, was sich aus dem Besuch im Walmer Township einmal entwickeln würde.

Musikalisch umrahmt wurde die Feier von Auftritten des AKG-Jugendchors und einem (eingespielten) Lied des Masifunde Youth Choir. Flankiert wurde das Programm von Informationsständen und einer kleinen Ausstellung mit Kunst und Schmuck aus Südafrika.

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