Bensheim. Die Rheinstraße im Abschnitt zwischen Fabrik- und Moselstraße soll und muss saniert werden. Daran zweifeln auch die Stadtverordneten nicht. Zumal die Ausgaben für die Erneuerung des 240 Meter langen Teilstücks zum Großteil aus dem Programm Hessenkasse beglichen werden können. Konkret: Bei einer Gesamtsumme von 630 000 Euro kämen 567 000 Euro aus dem Fördertopf.
Wobei wegen der allgemeinen Lage mit einer Kostensteigerung im Ausschreibeverfahren gerechnet werden muss, höhere Baukosten wären aber nach Auskunft der Verwaltung dennoch förderfähig. Die Finanzen standen allerdings nicht im Mittelpunkt der Diskussionen in den Fachausschüssen. Sowohl im Bau- als auch im Hauptausschuss drehte sich die Aussprache um Änderungsanträge aus den Fraktionen.
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Diese wiederum befassten sich mit der Möglichkeit einer Tempo-30-Zone, eines Radwegs oder eines Schutzstreifens für die Rheinstraße sowie der Option, eine Fahrradstraße auszuweisen. Aber der Reihe nach: Die Koalition aus CDU, SPD und FDP sowie die FWG wollen, dass der Magistrat bei der Straßenverkehrsbehörde (die ebenfalls im Rathaus sitzt) einen Antrag auf Anordnung einer Tempo-30-Zone in der Rhein- und Moselstraße stellt. Sollten dafür Änderungen am Straßenbau notwendig sein, wäre dies in die Sanierungsplanungen mitaufzunehmen. Die Entscheidung über die Erneuerung der Rheinstraße möchten die vier Fraktionen daher vertragen.
Grüne und BfB hatten einen eigenen Änderungsantrag für die Rheinstraße eingebracht, in dem es um die Prüfung von Radweg, Schutzstreifen oder einer Fahrradstraße vom Berliner Ring bis zur Fabrikstraße geht. Den Zeitrahmen für eine Umsetzung und die geschätzten Kosten sollen ebenfalls ermittelt und mitgeteilt werden.
Chancen auf Temporeduzierung Vergrößern
Zum Vorstoß des Dreier-Bündnisses (plus FWG) hatten die Grünen darüber hinaus zusätzlich Änderungswünsche hinterlegt. Hauptsächlich wollte man damit ein Herauszögern des Beschlusses verhindern – und durch das Streichen der „Zone“ die Chancen auf eine tatsächliche Temporeduzierung vergrößern. Aus Sicht der Grünen kommt aufgrund der aktuellen Rechtslage eine Tempo-30-Zone dort nicht in Betracht, Radwege und Radschutzstreifen seien darüber hinaus in den Zonen nicht möglich.
In beiden Ausschuss-Debatten prallten einmal mehr die unterschiedlichen Vorstellungen der Parteien und Wählergemeinschaften zur Verkehrswende aufeinander. Thomas Götz hob beispielsweise die Bedeutung der Rheinstraße für den Radverkehr hervor, auch für Schüler. „Mit einer Fahrradstraße wären wir alle glücklich“, meinte er Richtung Koalition, weil dadurch auch eine Verkehrsberuhigung und Tempo 30 erreicht werden könnte.
Für die CDU in Person von Feridun Bahadori stellte der Status der Rheinstraße den größten Knackpunkt dar. Weil sie bisher als Durchgangsstraße angesehen werde, gebe es kein Tempo 30. „Wir müssen genau prüfen, wie man die Verkehrsbehörde davon überzeugen kann, dass es keine Durchgangsstraße mehr ist.“ Zeit für die Prüfung habe man, der Sanierungsbeschluss könne auch nach den Sommerferien getroffen werden.
Auf Nachfrage von Norbert Koller (BfB), ob denn eine Tempo-30-Zone überhaupt realistisch sei, nachdem es Ende März von der Straßenverkehrsbehörde dazu praktisch eine Absage gegeben hätte, entgegnete Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung (CDU) im Bauausschuss: „Die Behörde ist der Meinung, dass es dort nicht gemacht werden kann. Ich bin nicht die Straßenverkehrsbehörde. Dass es nicht geht, sage nicht ich, sondern die Straßenverkehrsbehörde.“
Keine Handhabe für Tempo 30
Und damit gehöre das Thema zum Dezernat C – und fällt somit in den Zuständigkeitsbereich von ihrem Kollegen, Stadtrat Adil Oyan (Grüne). Man braucht nach solchen Aussagen nicht viel Fantasie, um die Stimmungslage innerhalb des Rathauses einschätzen zu können. Auf ein kollegiales Miteinander zumindest im hauptamtlichen Magistrat weist jedenfalls nicht viel hin.
Der wenig dezent ins Spiel gebrachte Verkehrsdezernent teilte im Haupt- und Finanzausschuss mit, dass sich die gesetzlichen Vorgaben nicht geändert hätten, mithin es keine Möglichkeit und Handhabe für Tempo 30 gäbe. Mit den Forderungen würden die Fraktionen aber bei ihm offene Türen einrennen. „Wenn es nach mir ginge, sollten die Innenstädte ohnehin den Fahrrädern gehören.“
Er empfahl den beteiligten Parteien, sich an ihre Vertreter in Berlin zu wenden und nachzuhaken, wann die Änderung der Straßenverkehrsordnung kommen soll. Die könnte den Kommunen einen größeren Ermessens- und Handlungsspielraum einräumen.
Kein gemeinsamer Nenner
Letztlich war man sich in beiden Ausschüssen einig, etwas für die Verkehrssicherheit vor allem von Radfahrern und Anliegern in der Rheinstraße unternehmen zu wollen. Auf einen gemeinsamen Nenner kam man dennoch nicht, was mitunter auch an den unterschiedlichen Herangehensweisen und der einen oder anderen Befindlichkeit liegt. Während aus den Reihen der Grünen vor allem der Willen der Koalition, sich für die Verkehrswende und die Radfahrer einzubringen, angezweifelt wurde, kam von der CDU der Vorwurf, die Grünen hätten aus ideologischer Grundsätzlichkeit nicht den Blick für das große Ganze.
Zielführend war das Hin und Her wie sooft nicht. Am Ende stimmten sowohl der Bau- als auch der Haupt- und Finanzausschuss mehrheitlich für das Ansinnen von Koalition und FWG, für den Prüfauftrag von Grünen und BfB fand sich keine Mehrheit. Der Magistrat muss sich demnach bei der Straßenverkehrsbehörde für eine Tempo-30-Zone einsetzen, wohlwissend, dass die Aussichten auf Erfolg nach Aussagen von Adil Oyan überschaubar sind. Der eigentliche Sanierungsbeschluss wird dann vermutlich nach der Sommerpause getroffen.
Dabei ist zu beachten, dass das Projekt bis Ende 2024 abgerechnet sein muss. Bei Verspätung droht der Verlust der Fördermittel aus der Hessenkasse – was mit Blick auf den Haushalt tatsächlich ein Drama wäre, das es zu verhindern gilt.
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