Bensheim. Wie konnte im Haushalt der Stadt Bensheim unbemerkt ein so großes Loch aufklaffen? Und, beinahe noch wichtiger: wie kann es wieder geschlossen werden? Nicht nur die wegen des 42,7 Millionen Euro schweren Defizits verhängte die Haushaltssperre wird am kommenden Donnerstag, 11. Juli, um 18 Uhr im Bürgerhaus Thema der öffentlichen Bensheimer Stadtverordnetenversammlung sein.
Es geht um tiefgreifende Fragen: So steht – nach langem Stillstand, einer enormen Vorlaufzeit, Ideenwettbewerb und Co. – die Neugestaltung des Marktplatzes auf der Kippe. In Zukunft werden in Bensheim durch die Bank weg deutlich kleinere Brötchen gebacken werden müssen. Auf konkrete Maßnahmen hat man sich bisher nicht verständigt. Dafür einigt man sich vor der Sommerpause vielleicht bei den folgenden Themen:
- Förderung für Vereine: Zumindest in diesem Jahr sollen die Fördermittel der Stadt weiter an Bensheimer Vereine, Institutionen und Jugendgruppen fließen. 2025 könnte es dann – Stichwort Sparmaßnahmen – anders aussehen. Im Haushaltsplan der Stadt Bensheim sind jährlich Mittel zur Förderung von Bensheimer Institutionen, Vereinen und Jugendgruppen vorgesehen, so auch 2024. Diese Förderungen sollen trotz der mehr als angespannten Lage im laufenden Jahr vorerst nicht angetastet werden. Konkret geht es um Zahlungen für die Liebfrauenschule, die Kolpingfamilie, das Frauenhaus Bergstraße, den FV Heimatpflege, die SSG Bensheim und die Suchtberatungsstelle Prisma der AWO. Allesamt wichtige Akteure im Stadtleben, des es gilt, trotz schwieriger Zeiten zu halten.
- Programm „Dorfentwicklung“: Beim Dorfentwicklungsprogramm stimmen die Stadtverordneten über einen aktualisierten Zeit-, Kosten- und Finanzierungsplan ab. Die Steuerungsgruppe Dorfentwicklung hat Vorschläge gemacht, die in den Haushalt 2025 eingeplant werden sollen – insgesamt geht es um Maßnahmen in Höhe von rund 274 000 Euro (allerdings Stand 2022). Unter anderem gelistet sind die Umgestaltung von Spielplätzen, erste Planungen für die funktionale Verbesserung des Alten Rathauses in Gronau und die Unterstützung ehrenamtlicher Kleinprojekte. Weitere Maßnahmen, die eigentlich kommendes Jahr hätten umgesetzt werden sollen, sollen auf 2026/27 verschoben werden.
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- Kommunale Wärmeplanung im Konvoi: Bis Mitte 2028 muss Bensheim eine kommunale Wärmeplanung vorlegen. Um hierbei schneller und effizienter zu guten Ergebnissen zu kommen, plant Bensheim eine „Wärmeplanung im Konvoi“ gemeinsam mit den Städten Lampertheim, Heppenheim, Bürstadt und Lorsch. Eine gute Idee, fand schon der Haupt- und Finanzausschuss. Denn vorgelegt werden muss die Planung ohnehin. „Die kommunale Wärmeplanung ist ein entscheidendes Instrument, um die Energiewende voranzutreiben und eine nachhaltige Wärmeversorgung für die Zukunft zu gewährleisten“, heißt es hierzu in der Begründung der Verwaltung. Geplant ist, dass alle Vertragskommunen gemeinsam einen externen Dienstleister beauftragen, der dann für jede Kommune einen individuellen Wärmeplan erstellt. Die Städte bilden zur Beratung und Koordinierung eine Steuergruppe und eine Projektleitung als nach außen verantwortlich handelndes Organ, die Bensheim übernehmen wird.
- Planungsvereinbarung für eine Raddirektverbindung zwischen Heppenheim und Zwingenberg: Beim Planen einer Raddirektverbindung arbeitet Bensheim mit den beiden Nachbarstädten und dem Kreis zusammen. Das Projekt ist Teil eines 70 Kilometer langen Radwegs, der von Frankfurt über Darmstadt an die Bergstraße und weiter über die Landesgrenze führt. Wo die Trasse durch den Kreis verlaufen soll, steht noch nicht fest. Eine Planungsvereinbarung soll die weiteren Schritte konkretisieren. Der Kreis Bergstraße übernimmt die Koordination des Projektes und tritt für die Kosten der Raddirektverbindung in Vorleistung. Die Summe beläuft sich auf etwa 23,6 Millionen Euro brutto. Ihren jeweiligen Anteil bekommen die Städte anschließend in Rechnung gestellt. Zur Förderung des Projektes in Höhe von 70 Prozent wird der Kreis Mittel beantragen. Mit der Planungsvereinbarung erklärt sich die Stadt bereit, ihre Kosten in den folgenden Jahren in voller Höhe in den jeweiligen Haushalt einzustellen. Die genauen Baukosten und mögliche Grunderwerbskosten können erst mit Planung der Trasse ermittelt werden. Der Eigenanteil der Stadt Bensheim beläuft sich derzeit auf schätzungsweise 334 000 Euro, zuzüglich 5400 Euro für die Öffentlichkeitsarbeit.
- Neubaustrecke der Bahn und „übergesetzlicher Lärmschutz“: Viel gesprochen wurde vor der Stadtverordnetenversammlung über die geplante Schnellbahntrasse der Deutschen Bahn und den „Bergsträßer Konsens“, den Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung in der vergangenen Bauausschusssitzung als „nicht durchsetzbare Maximalforderung“, gleichzeitig aber auch als beste Lösung bezeichnet hatte. Ein schlechtes Signal, heißt es vonseiten der SPD-Fraktion, die den Bergsträßer Konsens aufgekündigt sieht, sollte die Versammlung für den übergesetzlichen Lärmschutz stimmen.
- Der sieht wie folgt aus: Die von der Bahn AG geplante sechs Meter hohe Schallschutzwand sei eine vernünftige Forderung nach einem Mindestmaß an erforderlichem Lärmschutz für die Bürger, die auf der freien Strecke vom Tunnelmund Einhausen bis nördlich von Langwaden einer starken Geräuschentwicklung ausgesetzt seien. Maßnahmen für einen aktiven Lärmschutz seien deshalb zwingend erforderlich, heißt es in der Beschlussvorlage. Laut Berechnungen der Bahn würde es in Langwaden nach dem Bau der Trasse nicht lauter als vorher, während dies in Schwanheim und Fehlheim aber der Fall sein würde. Alle Stadtteile rangieren unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte. Damit bewege sich die Bahn innerhalb des erforderlichen Lärmschutzes. In Langwaden gibt es hinsichtlich dieser Entwicklung noch Gesprächsbedarf, in Fehlheim und Schwanheim hat man sich der Formulierung angeschlossen.
- Zuwendungen der Stadt an die MEGB: Die Marketing- und Entwicklungsgesellschaft Bensheim ist von der Stadt mit verschiedenen Dienstleistungen betraut, etwa mit dem Betrieb von Gebäuden wie dem Bürgerhaus. Kostendeckend ist dieser Betrieb allerdings nicht, weshalb die Stadtverordneten nun darüber abstimmen, vorangegangene Beschlüsse über eine Maximalhöhe jährlicher Zuwendungen der Stadt für die Sparte „sozial-, bildungspolitische und kulturelle Projekte“ aufgehoben werden sollen. Auch ein Sperrvermerk in Höhe von 100 000 Euro im diesjährigen Haushalt soll aufgehoben werden. Dazu solen l für die MEGB wegen der Unterdeckung ihrer Kosten für die Jahre 2019 bis 2023 im kommenden Haushalt knapp 170 000 Euro bereitgestellt werden.
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- Wie geht es beim Marktplatz weiter? Oder geht es in absehbarer Zeit weiter? Es wird sicher heiß diskutiert werden, wie sich die Haushaltslage auf das Großprojekt, das so viele Anläufe gebraucht hat und mit dem Ende des Ideenwettbewerbs bereits erfreulich weit vorangeschritten war, auswirkt. Bürgerinnen und Bürger, Verwaltung und Politik haben sich eingebracht und lange nach einem passenden Konzept gesucht. Eigentlich hätte am 11. Juli über die weitere Vorgehensweise abgestimmt werden sollen. Bleibt abzuwarten, wie die neuesten Erkenntnisse sich hierauf auswirken. Im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Marktplatzes soll es weiter um einen Antrag von FWG und Grünen gehen, der die Renovierung der Häuser Marktplatz 2 und 3 fordert.
- Wieder die Wärmeversorgung der neuen Kita in Fehlheim: Lange wurde um eine Entscheidung gerungen. In der vergangenen Stadtverordnetenversammlung ist die dann endlich gefallen: Die Koalition hat mehrheitlich ihren politischen Willen durchgesetzt, die neue Kita Fehlheim soll an das bestehende Nahwärmenetz angeschlossen werden. Nun rütteln BfB und VuA mit einem gemeinsamen Antrag aber noch einmal an dem Beschluss, „um Kosten zu sparen“. Freuen werden sich über die erneute Diskussion sicher vor allem Eltern und Kita-Personal, die seit geraumer Zeit auf den Beginn der Bauarbeiten warten. Er hatte sich bereits verzögert, weil die Frage der Wärmeversorgung und die Kosten für das Außengelände gesondert in den Gremien beraten wurden.
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