Wambolter Hof

Beschwingter Auftakt der Sommerbühne in Bensheim

Sigi’s Jazz Men begeisterten mit Musik, Walter Renneisen mit literarischen Leckerbissen.

Von 
Eva Bambach
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Mit Sigi’s Jazz Men (Bild) und Walter Renneisen wurde am Donnerstagabend die diesjährige Sommerbühne am Wambolter Hof eröffnet. © Thomas Zelinger

Bensheim. „Besser hätten wir es nicht erwischen können“, freute sich Tanja Weber vom PiPaPo-Ensemble am Ende eines wunderbaren, locker beschwingten Sommerabends mit viel Musik und literarischen Leckerbissen. Zur Auftaktveranstaltung der diesjährigen Sommerbühne, die vom PiPaPo mit viel Herzblut und Risikobereitschaft wieder auf die Beine gestellt wurde, waren am Donnerstag rund 60 Zuschauer der Einladung gefolgt und hatten sich auf Stühlen vor dem großen Ahornbaum hinter dem Wambolter Hof versammelt. Sie erlebten ein in jeder Hinsicht hochkarätiges Programm, das nicht zuletzt von der hohen Konzentration außergewöhnlich guter Musiker auf der Bühne profitierte.

Die Sommerbühne erfolgreich vor dem Aus bewahrt

Der Dank der Bürgermeisterin an das PiPaPo-Ensemble und den Förderkreis Kleinkunst und Kultur war kurz und prägnant: „Gut, dass es Sie gibt!“ Christine Klein verwies damit auf die Bereitschaft der Ehrenamtlichen, an der Idee einer Sommerbühne festzuhalten, die vor zwei Jahren vom Stadtmarketing angestoßen worden war und finanziell auf Landesmitteln des hessischen Programms „Ab in die Mitte!“ beruhte, das jetzt nach zwei Jahren nicht mehr aufgelegt wurde. „Eigentlich wäre die Sommerbühne deshalb jetzt tot“, sagte die Bürgermeisterin und betonte noch einmal ihre Dankbarkeit für ein Engagement, das man „nicht einfach mal nebenbei“ betreiben könne.

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Nun also startete die Sommerbühne zum dritten Mal. Zur Eröffnung war Walter Renneisen mit „Hessischer Lyrik“ gekommen und hatte Sigi’s Jazz Men mitgebracht, mit denen ihn eine lange Freundschaft und Bühnenkooperation verbindet. Die als „hessischer Jazz“ angekündigten acht Musiker um Bandleader Sigi Nachtmann spielten Standards aus ihrem Dixie-Jazz-Repertoire – bis auf manche im Gesangspart eingestreute lokale Bezüge also eher nichts Hessisches. Doch dafür sind die Mitglieder der vor mehr als 40 Jahren gegründeten Band biografisch fest im Hessischen verwurzelt.

„You are my Sunshine“ eröffnete dem Wetter angemessen, mit von ansteckendem Gemeinschaftsgeist getragenem, flüssigem Sound und vielen lohnenden Soli – ein musikalisches Vorgehen, das auch den weiteren Abend prägte. Pianist Helge Wierczeiko spielte durchaus auch mal mit dem Ellbogen, Paul Schütt sorgte mit der Posaune für allzeit warmen Klang und Matthias Schwappacher am Schlagzeug beeindruckte mit Nachdruck und Tempo. Harald Nordelli bereitete das Fundament mit Kontrabass und schönen Tuba-Soli.

Besonderes Highlight: Paul Lanzerath, erster Trompeter bei der HR-Bigband, von der FAZ als einer der zehn Besten seines Fachs tituliert, der nicht nur sein Instrument zwitschern ließ, sondern auch mit der eigentlich doch unnachahmlich rauen Stimme von Louis Armstrong beeindruckte. Mit dabei auch Rolf Bußalb, unter anderem Tourgitarrist von Stargeiger Nigel Kennedy sowie Werner Röder mit präzisem Spiel auf dem Saxofon. Nicht zu vergessen Saxofonist, Bandleader und -gründer Sigi Nachtmann, der ab dem siebten Lebensjahr Blockflöte (!) spielte und am Donnerstagabend eine Lanze für dieses offenbar unterschätzte Instrument brach.

Schöne Mischung aus Humor und Nachdenklichkeit

Walter Renneisen brachte eine schöne Mischung aus Humor und Nachdenklichkeit und hatte manche vergessene Perle des Hessischen mitgebracht. Er begann mit drei eher bekannten Stücken – dem anrührenden „Märchen von dem alten Großvater und dem Enkel“ der Brüder Grimm, Friedrich Stolzes skurriler „Blutblas“ und der hessischen Parodie vom Erlkönig – und brachte dann eine reiche Auswahl zum Teil scharf beobachteter Anekdoten, mit der er an den Rüsselsheimer Mundartdichter Jakob Falk erinnerte. Außerdem im Programm: Der Wiesbadener Autor Rudolf Dietz mit Gedichten in Nassauischer Mundart und Ernst Schildger mit main-hessischen Gedichten und Sprüchen.

Ob Renneisen die regionalen Töne differenziert ausspielen kann, wird sich dem Zuhörer normalerweise nicht erschließen. Auf alle Fälle klingt es jederzeit authentisch und wird von dem Vortragenden so liebevoll und genüsslich zelebriert, dass das Zuhören schon deshalb ein großer Spaß ist. Ein großes Glück ist auch, dass Renneisen ja nicht bloßer Rezitator, sondern auch Schauspieler ist und den Gedichten und Anekdoten auch deshalb zu großer Plastizität verhelfen kann. Vieles möchte man im Kopf behalten. Etwa das entlarvende „Halt dei Maul, wann de mit mer reddst“ oder „Am Anfang wie Weihnachten, aber danach wie immer“.

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Doch zu groß war der von Renneisen gebundene Strauß und dann kamen auch noch die großen Kaliber dran: Fritz Grasshoff, der ein paar Jahre in Zwingenberg gelebt hat, und natürlich Goethe, weniger lustig als vor allem liebeskrank. Zum Schluss wurde es aber doch wieder sehr ulkig und dann packte Renneisen noch recht spontan seine Trompete aus und der ohnehin recht lockere Abend ging in eine Art Jam-Session über, deren ausgelassene, spielfreudige Stimmung von der Bühne ins Publikum sprang, das sich dem Sog der langjährigen, freundschaftlichen Beziehung zwischen Sigi’s Jazz Men und Walter Renneisen nicht entziehen konnte.

Zwei weitere Jazzkonzerte und einmal Poesie

Wer Walter Renneisen und Sigi’s Jazz Men diesmal verpasst hat, kann das am 16. Juli bei den Heppenheimer Festspielen nachholen. Für den Abend erarbeitet Renneisen ein Programm über Hans Richter, den Gründer der Festspiele Heppenheim.

Zwei weitere Jazzkonzerte gibt es auf der Sommerbühne: Am 30. Juni um 19 Uhr spielen die Original Blütenweg Jazzer und am Sonntag, 7. Juli, ebenfalls um 19 Uhr, kommt der großartige Mannheimer Trompeter Thomas Siffling mit dem Akkordeonisten Laurent Leroi, dem Bassisten Matthias TC Debus und dem Perkussionisten Erwin Ditzner – das ganz besondere Quartett steht für einen entspannten Sound und sommerliche Atmosphäre.

Und es gibt auch noch einmal Lyrik: Am Freitag, 5. Juli, ab 20 Uhr steht PIPAPoesie auf dem Programm, „ein poetischer Sommerabend mit Jule Weber & friends“. Die gebürtige Bensheimerin Jule Weber ist aktuelle Turmschreiberin von Darmstadt, war sowohl hessische als auch deutsche Meisterin im Poetry Slam und wurde 2019 zur Slam-Poetin des Jahres gewählt.

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