Bensheim. Ron Spielman macht seinem Namen alle Ehre: Der Gitarrist und Sänger glänzt bei seinem Auftritt im Rex nur so vor Spielfreude. Es vergeht kein Song, bei dem er nicht ein exquisites Solo auf den sechs Saiten raushaut – kongenial unterstützt von seinen Sidekicks, Julian Külpmann an den Drums und Thomas Stieger am Bass. Das Power-Trio zelebriert so einen um den anderen Song und verzückt dabei die Fans, die ihre kleine Zahl mit umso mehr Begeisterung wettmachen.
Dass der Deutsch-Amerikaner Jimi Hendrix, Cream, Free und Traffic zu seinen frühen Einflüssen zählt, merkt man seinem Spiel an. Seine Soli haben Ecken und Kanten, sind nicht glattgebügelt wie die mancher seiner (bekannteren) Kollegen. Spielman hat Lust daran, seiner Gitarre alle verfügbaren Töne zu entlocken, ungewöhnliche Übergänge zu schaffen, von leise-gediegen bis zu laut-kraftvoll alle Register zu ziehen. „Es ist wunderbar, hier zu sein in dieser bizarren Zeit“, meint der 57-Jährige zu Beginn. Um danach bis auf ein paar launige Ansagen die Musik sprechen zu lassen. Mit warmen Gitarrensound zaubert er immer wieder filigrane Soli auf die Bühne. Nach spätestens einer Stunde aber tritt ein gewisser Gewöhnungseffekt ein.
Die Songs haben einen eher ähnlichen Aufbau, ohne die Spielkunst Spielmans schmälern zu wollen. Langsamer, oft verspielter, leicht sphärischer Beginn, Strophe, Solo, und das immer schneller werdend. Genauso abrupt endet ein Song wieder, die Fans aufgrund der Virtuosität des Meisters mit offenem Mund zurücklassend.
Aber der beste Chef auf der Bühne wäre nichts ohne seine Mitspieler. Külpmann und Stieger drängen sich zwar nicht in den Vordergrund, aber dafür sind sie umso mehr im Hintergrund aktiv und umtriebig. Der eher stoische Bassist scheint wie festgenagelt an seinem einmal gewählten Standplatz, aber dafür bewegen sich die Finger umso heftiger. Der Drummer wirbelt sich einen ab, ohne dabei aber einer Double-Bass-Verlockung zu verfallen. Immer schön gesittet, wie es sich eben für einen anständigen Rocker gehört. Wenn Ron Spielman anfängt zu singen, reibt man sich ab und an verwundert die Augen. Steht da vorn etwa Sting? Denn bei manchen Stücken ist die stimmliche Ähnlichkeit mit dem ehemaligen Police-Frontmann frappierend.
Sein Gitarrenspiel wiederum erinnert teilweise an den viel zu früh verstorbenen Jeff Healey. Aber nur dann, wenn der Berliner mit Welt-Erfahrung nicht gerade seinen Vorlieben freien Lauf lässt, um jedoch immer wieder mit einer gewissen Vorsehung zu den rockigen Wurzeln zurückzukehren.
Ein Beginn mit funkigen Einflüssen oder ein latenter Jazz-Einschlag sind kurzzeitige Ausflüge, die bald wieder von der eigentlichen Bestimmung Spielmans eingeholt werden: „I was a Rock’n’Roller“, wie es treffend in einem Song heißt. Das Zusammenwirken von Blues, Jazz, Fusion, Rock, Pop und Folk hat er sich eindeutig auf seine Fahnen geschrieben. Auch wenn sich der eine oder andere Ohrwurm einschleicht, kommt die Gitarre ab und zu kantig rüber und biedert sich kaum an den Mainstream an. Wie auch in den neuen Stücken, gerade fertig geworden und im Rex präsentiert: fünf Ein-Minuten-Songs, auf das Wesentliche reduziert.
Die Band will aber damit etwas ganz anderes rüberbringen: die Macht von Musik-Streamingdiensten, in denen sechs oder acht Sekunden darüber entscheiden, welcher Song gehört wird oder welcher nicht. Da passt einer wie der gebürtige Schweinfurter Autodidakt natürlich schlecht rein, der seine komplexen Ideen in Lieder packt, die gern auch mal zehn Minuten lang sein dürfen.
Vielleicht liegt es auch an dieser Konsequenz, sich dem Mainstream zu verweigern, dass Spielman trotz seiner illustren musikalischen Vita bisher eher unter dem Radar vieler Musikfans segelt. Aber es gibt zum Glück genügend, die ihn kennen und feiern. Wie in Bensheim.
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