Bensheim. Man konnte der Vorsitzenden des deutsch-italienischen Freundeskreises Bensheim – Riva del Garda, Pina Kittel, die Erleichterung anmerken, im Bürgerhaus Kronepark endlich im dritten Anlauf ein zahlreich erschienenes Publikum begrüßen zu können.
Ursprünglich hatte die Veranstaltung „Raffael – Maler und Architekt“ zeitnah zum 500. Todestag des Künstlers im Jahre 2020 stattfinden sollen. Für diese Corona-bedingt erbrachte Geduld wurden die Riva-Freunde nun von Richard Konrad Blasy, dem Münchener Kunsthistoriker und Dozent für Fotografie, reichlich entschädigt.
Blasy, inzwischen zum 14. Mal als Referent zu Gast, hatte einmal mehr eine sorgfältig komponierte Zusammenstellung zum Sujet mitgebracht, 60 Foto-Arbeiten, die durch die rücksichtslose Genauigkeit, mit der ein Profi sein Kamera- und Lichtkonstrukt die Objekte betrachten lässt, beeindrucken. Und jedes Bild unterlegte Blasy mit druckreif formulierten Erläuterungen und kunsthistorischen Hintergründen. Eine perfekte Balance zwischen Wort und Bild.
Sohn eines Malers
Geboren wurde Raffael am Karfreitag 1483 in Urbino, einer glanzvollen Residenzstadt der Frührenaissance. Als Sohn eines Malers ging er bei seinem Vater und später bei Perugino in Perugia, dem damals „berühmtesten Maler Italiens“, in die Lehre.
Diese bis 1504 dauernde Phase eröffnete Blasy mit einem Selbstbildnis des zwölf- bis 14-jährigen Raffael, bei dem schon der überlegene Umgang mit Bleistift und Kreide tief beeindruckt und sich die spätere Meisterschaft unübersehbar ankündigt.
Zeigt sich in den ersten Madonnen-Bildern Raffaels noch der Einfluss Peruginos, so wird ein sukzessiver Ablösungsprozess von seinem Lehrer offensichtlich. Deutlich wurde dies besonders beim Vergleich zwischen Raffaels „Vermählung Mariens“ (1504) und dem gleichnamigen Bild seines Lehrers (um 1500). Bei Raffael wirkt der meisterhaft gelungene Zusammenklang von bewegtem Rhythmus des Geschehens und der Raumdarstellung bei exakt zentralperspektivischer Konzeption deutlich gelöster als die strenge Symmetrie und Statuarik der Personen bei Perugino.
Viele künstlerische Anregungen
Der Wechsel Raffaels in die Handels- und Kulturmetropole Florenz brachte – nach Ausweis seiner Florentiner Skizzenbücher – vielfältige künstlerische Anregungen. Die Auseinandersetzung mit Leonardo da Vincis Bilderfindungen und Michelangelos Skulpturen, die Konfrontation mit aktuellen Gedanken aus Wissenschaft und Philosophie sowie die Berührungen mit dem Neoplatonismus verändern Raffaels Malweise allmählich vom Anmutigen zum Heroischen und Heroisierbaren.
Gleichwohl blieb die Darstellung religiöser Inhalte, insbesondere von Madonnen (wie „Bridgewater“, „d’Orleans“, „Della Sedia“ als bekanntestes Rundbild) bei Verwendung eines pyramidalen Bildaufbaus Schwerpunkt der Arbeit. Gegen Ende der Florentinerzeit entstand auch die „Grablegung Christi“, eine mit Dynamik und Dramatik aufgeladene Bildgestaltung, in der sich neue künstlerische Auffassungen andeuteten.
Wohl auf Empfehlung Donato Bramantes berief Papst Julius II. 1509 den jungen Künstler in seine Dienste nach Rom und beauftragte ihn, die Wände der Stanza della Segnatura mit Fresken zu bemalen. Das ikonografische Programm zielte dabei auf die bildliche Darstellung der klassischen Ideen des „Wahren, Guten und Schönen“.
Als Raffael nach drei Jahren das Riesenwerk „Die Schule von Athen“ (philosophische Wahrheit), „Die Disputa del Sacramento“ (theologische Wahrheit), „Der Parnass“ (das Schöne) unter anderem ablieferte, war der Papst so angetan, dass Raffael auch mit der Freskierung der Stanza d’Eliodoro beauftragt wurde. In jedem dieser Wandbilder – „Die Vertreibung des Heliodors aus dem Tempel“, „Die Befreiung des Petrus aus dem Kerker“ – übertraf Raffael gleichsam sich selbst. Seine Formensprache wuchs hier zu monumentaler Größe und antizipierte schon Gestaltungstendenzen des Barocks.
Hinwendung zur Architektur
Raffaels letzte Lebensjahre gehörten verstärkt der Architektur. Nach dem Tod von Bramante wurde er 1515 von Papst Leo X. zum päpstlichen Architekten und Bauleiter von Sankt Peter, ferner zum Präfekten der römischen Altertümer ernannt. Neben Kapellen und Palazzi entstand das Projekt der Villa Madama, ein Zeugnis seiner Kenntnisse von antiker römischer Baukunst bei gleichzeitiger Bedeutung für die Architekturentwicklung der Neuzeit.
Das letzte Bild, das in wesentlichen Teilen als eigene Arbeit des Vielbeschäftigten gelten kann, ist die „Verklärung Christi“. Raffael starb im Alter von 37 Jahren am Karfreitag 1520.
Nach dem Defilee an Raffaels Kunstwerken bestand kein Zweifel, dass das Diktum von Giorgio Vasari (1511 bis 1574), der Raffael zu jenen Künstlern rechnete, „welche der Himmel allein mit dem ganzen Reichtum seiner Schätze begnadet, die er sonst in langen Zeiträumen unter viele zu verteilen pflegt“, zutrifft. Langer und herzlicher Applaus für den 86-jährigen Blasy. Ein beglückender Abend für Kunstfreunde.
Peter J. Zeyer
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