Bensheim. Die Woche junger Schauspieler geht in der kommenden Woche mit drei Veranstaltungen in die nächste Runde: Zu Gast ist am Dienstag (22.) das Staatstheater Kassel mit „FAUSTGretchen“ – einer theatralen Videoinstallation von Bert Zander nach Johann Wolfgang von Goethe.
Zum Inhalt: Margarete verliebt sich in Faust und lässt sich auf ihn ein. Ahnungslos tötet sie ihre Mutter und wird ungewollt schwanger. Vom Vater des Kindes im Stich gelassen, verfolgt von Schuld und Angst vor gesellschaftlicher Ächtung, vom Bruder öffentlich als Hure beschimpft, tötet sie in Verzweiflung und Überforderung ihr Neugeborenes. Sie wird gefangen genommen, verurteilt und hingerichtet.
Bereits ausverkauft
Faust hingegen, nachdem er ihr Leben zerstört hat, zieht in die Welt hinaus. Seither ist die Figur Gretchen im Kerker männlicher Zuschreibungen eingeschlossen. Bert Zander zeigt nun Gretchens Perspektive und eröffnet ein angemessenes Bild gegenwärtiger Vielschichtigkeit. Er versetzt die Zuschauer in die Rolle der Geschworenen, lässt Kasseler Bürger das Faust-Drama mit eigenen Worten erzählen und das Ensemble als Tribunal des realen Kindsmordfalls aus dem Jahre 1771 auftreten.
Die Vorstellung ist bereits ausverkauft. Bei diesem besonderen Format können nur rund 35 Zuschauer teilnehmen, die dann auf der Bühne sitzen. Es ist aber möglich, die Vorstellung live als Streaming online zu verfolgen. Streaming-Tickets gibt es wie normale Karten ebenfalls im Vorverkauf.
Weiter geht es am Donnerstag, (24.) mit einer Inszenierung von Anna Marboe für das Kosmos Theater Wien: „Liebe / Eine argumentative Übung“. Ungeniert, komplex und witzig – wie kann Paar-Sein funktionieren, ohne sich selbst aufzugeben? Dieser Frage geht das Stück nach. Im Mittelpunkt stehen Popeye & Olivia, das legendäre Comic-Paar: der spinatverschlingende Matrose und sein unauffälliges Frauchen mit der Falsettstimme.
Aber wer ist eigentlich diese Frau, die Popeye Tag für Tag den Rücken freihält, damit er sich unbekümmert auf seine großen Abenteuer konzentrieren kann? In „Liebe / Eine argumentative Übung“ ist sie eine kluge und erfolgreiche Schriftstellerin, die sich nur im Hintergrund hält, damit ihr Glanz nicht die Unbedeutsamkeit ihres Liebsten überstrahlt.
Sivan Ben Yishai holt Olivia aus dem Schatten der unwichtigen Nebenfiguren heraus und stattet sie mit scharfen kollektiven Zungen aus, mit der sie die Beziehung selbstkritisch analysiert und seziert.
Sprachgewaltig und witzig hinterfragt sie die Ambivalenz zwischen der feministischen Selbstdarstellung und der Rolle der Frau im Beziehungsgefüge.
Digitales Stück zum Abschluss
Ein Theatererlebnis der anderen Art ist die Abschlussveranstaltung am Freitag (25.) mit dem digitalen Theaterstück „möwe.live“. Die Vorstellung wird live gespielt und kann von überall aus gesehen werden. Mit den in Social Media zum Leben erweckten Charakteren des Stückes kann das Publikum vor, während und nach den Vorstellungen über Facebook, Instagram und Co. in Interaktion treten. Gleichzeitig können die Besucher die Aufführung im Saal des Parktheaters auf einer großen Leinwand verfolgen. Hierfür ist der Eintritt frei.
Zum Inhalt: Einen Sommer voller unbeschwerter Tage verlebten Kostja, Nina, Mascha mit Kostjas Mutter Arkadina und ihrem neuen Liebhaber Trigorin in Frankreich. Die Erlebnisse von damals sind nunmehr Erinnerungen. Festgehalten nur in Aufnahmen aus Trigorins Video-Tagebuch und zahlreichen Fotos. Verbunden über soziale Medien verfolgen die Figuren, was aus den anderen geworden ist.
Glänzende, glückliche Lebenswege zeigen die Bilder, doch sie trügen. Denn alle Beteiligten müssen feststellen, dass ihre Erwartungen ans Leben nicht unbedingt mit der Realität vereinbar sind. Tschechows 1895 geschriebenes Drama dient als thematischer Leitfaden. Die Kernthemen sind Einsamkeit, Sehnsucht und das Scheitern daran, sich ehrlich mitzuteilen. Cosmea Spelleken inszeniert dabei explizit für den digitalen Raum. Jeden Abend neu und live performt, werden die Grenzen zwischen Film und Theater, öffentlich und privat neu ausgelotet.
Alle Vorstellungen beginnen um 19.30 Uhr. Eine Einführung in das Stück gibt es jeweils um 19 Uhr. Im Anschluss an die letzte Veranstaltung werden der Preisträger des Günther-Rühle-Preises sowie das Publikums- und Schülervotum bekannt gegeben.
Eintritts- und Streamingkarten für die Vorstellungen sind unter anderem in der Tourist-Info und im Medienhaus des Bergsträßer Anzeigers erhältlich sowie online bei reservix.de. Im Parktheater gelten die aktuellen Corona-Regeln. red
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