Verkehr

Nicht nur der Umzug des Bensheimer Ortsschilds sorgt für Frust

Eigentlich wollten die Anwohner der Arminstraße die Verkehrslage an der B3 Richtung Heppenheim beruhigen, bekommen haben sie einen „Beschleunigungsstreifen“

Von 
Anna Meister
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Wo bis vor Kurzem das Bensheimer Ortsschild montiert war, heißt es nun „Tempo 50“ - eigentlich ist dies gleichbedeutend, weshalb sich vielen Bürgern die Maßnahme nicht erschließt. Das Ortsschild ist an den „tegut-Kreisel“ gewandert. Das ist nicht der einzige Grund, warum sich die Anwohner der Arminstraße aufregen. © Thomas Neu

Bensheim. „Wir hätten ja mit allem gerechnet - aber dass sich die Lage weiter verschlimmert, war eine echte Überraschung“, erklärt Martin Türck. Er hat im vergangenen Jahr gemeinsam mit Detlef Römer eine Petition im Hessischen Landtag eingereicht. Das Ziel: Die Verkehrslage am Ortsausgang von Bensheim in Richtung Heppenheim - B3/Heidelberger Straße, Kreuzung Arminstraße - sollte entschärft werden. Regelmäßig kommt es dort zu Unfällen und gefährlichen Situationen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen. Ein tödlicher Motorradunfall im Mai 2024 gab den beiden Anwohnern der Arminstraße Anlass, tätig zu werden.

Im November 2024 waren die Petenten gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aller involvierten Behörden und des Petitionsausschusses im Hessischen Landtag vor Ort, um Maßnahmen zur Verbesserung zu beraten. Im Dezember wurde dann in einem ersten Schritt eine Geschwindigkeitsanzeige installiert (wir haben berichtet). „Das war eine gute Idee - allerdings fällt sie regelmäßig aus und ist auch aktuell nicht in Betrieb“, kommentiert Detlef Römer.

Der neuste „Schildbürgerstreich“ der Behörden, wie Römer ihn nennt, hängt wörtlich gleich mit mehreren Schildern zusammen: „Die Anwohnerinnen und Anwohner der Arminstraße wurden kurzerhand ausgebürgert.“ Anfang Mai wurde nach mehreren Jahrzehnten das Ortsschild an den „tegut-“, den Älteren noch als „AOK-Kreisel“ geläufigen Standort, versetzt. Fährt man nun also von Heppenheim kommend auf der B3 in Richtung Bensheim, gilt wenige Meter Tempo 100, gefolgt von einem Tempo 70-Schild. Auf ehemaliger Ortsschild-Höhe - einige Meter vor der Einmündung in die Arminstraße - wurde ein 50er-Schild angebracht. „Dabei gilt doch nach einem Ortsschild ohnehin Tempo 50“, stellt Martin Türck das Offensichtliche fest.

Erneutes Schreiben an den Petitionsausschuss

Was die beiden Petenten allerdings weitaus mehr verärgert, ist ein Schild auf der gegenüberliegenden Straßenseite, hinter der Einfahrt zum Kleingärtnerverein: Dort wurde ein weiteres Tempo-70-Schild angebracht. „Wir haben statt einer Verkehrsberuhigung an der Querungshilfe zur Bushaltestelle einen Beschleunigungsstreifen bekommen. Der Bereich, in dem bisher 50 galt, ist nun viel kürzer und lädt Autofahrer geradezu zum Beschleunigen ein.“ Türck, der Vater von zwei Kindern ist und sich wie viele andere Eltern in der Arminstraße Sorgen um deren Sicherheit im Straßenverkehr macht, hat seinem Ärger Luft gemacht und sich erneut mit einem Schreiben an den Petitionsausschuss gewandt.

„Unser Anliegen umfasste insbesondere eine Reduzierung der gefahrenen Geschwindigkeiten und eine sichere Querungsmöglichkeit für Fußgängerinnen und Fußgänger im Umfeld der Bushaltestelle. Mit großem Bedauern müssen wir nun feststellen, dass die kürzlich umgesetzten Maßnahmen nicht nur am Anliegen der Petition vorbeigehen, sondern die Situation sogar massiv verschlechtert. Eine Ampel oder andere sicherheitssteigernde Maßnahmen wurden bisher nicht installiert. Aus unserer Sicht wurde damit aus einer bereits problematischen Übergangszone eine Beschleunigungsstrecke mit zusätzlichem Gefahrenpotenzial geschaffen“, schreibt er. Türck und Römer bitten den Ausschuss erneut um eine Überprüfung der Situation vor Ort. Eine Rückmeldung haben die Petenten bisher nicht bekommen.

Wer ist für den Schilderwald verantwortlich?

Auch die BA-Redaktion hat noch einmal beim Petitionsausschuss des Landtags nachgehört. Interessanterweise teilte ein Sprecher mit, dass das Gremium noch gar nicht final über die Petition und damit weitere Empfehlungen zur Verkehrsberuhigung an der B3 entschieden hat. Woher kommen dann aber jetzt die Schilder? Und wer hat die Versetzung des Ortsschildes angeordnet? Die Begründung, soweit sie Türck und Römer bekannt ist, lautet wie folgt: Das Ortsschild wurde von der zuständigen Verkehrsbehörde auf Höhe des Kreisels versetzt, weil die sichtbare Bebauung Bensheims erst auf dieser Höhe beginne - „Quatsch“, entgegnet Detlef Römer. Zuständig ist in diesem Fall die Straßenverkehrsbehörde des Kreises Bergstraße, die Umsetzung erfolgte durch die Straßenmeisterei Bensheim.

„Diese Entscheidung ist aus unserer Sicht weder nachvollziehbar noch mit den örtlichen Gegebenheiten vereinbar, wenn nicht wenigstens die Tempo-50-Zone ausgedehnt wird“, sagt Türck. Die neuen Regelungen stoßen bereits jetzt auf erheblichen Unmut in der Bevölkerung – sowohl vor Ort als auch in den sozialen Medien. Viele Menschen empfinden die Maßnahme als Symbolpolitik oder gar als gezielte Missachtung des Bürgerengagements. „Sollte es infolge der neuen Regelung zu schweren Unfällen kommen, wird sich die Frage stellen, inwieweit die nun verantwortlichen Stellen ihrer Verantwortung gerecht geworden sind.“ Dass das aktuelle Vorgehen im Sinne der Landesregierung ist, können sich die beiden Männer nicht vorstellen.

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Sowohl bei Hessen Mobil als auch der Straßenverkehrsbehörde des Kreises Bergstraße war auf Anfrage der Redaktion keine ausführliche Begründung für die Umsetzung der Beschilderungen zu erfahren oder weshalb die Entscheidung des Petitionsausschusses nicht abgewartet wurde. „Die Verkehrsbehörden können Geschwindigkeitsbeschränkungen sowie andere Verbote und Beschränkungen insbesondere des fließenden Verkehrs anordnen, wenn diese erforderlich, geeignet und angemessen sind, um bestimmte Gefahren vom oder für den Straßenverkehr abzuwehren. Hessen Mobil nimmt bei der B3 keine straßenverkehrsbehördlichen Aufgaben wahr, sondern ist als Straßenbaubehörde - neben der Polizei - lediglich von der Straßenverkehrsbehörde vor jeder Entscheidung anzuhören. Die Straßenverkehrsbehörde trifft abschließend Entscheidungen immer in eigenem Ermessen; ein Einvernehmen mit Polizei und Straßenbaubehörde ist nicht herzustellen. Hessen Mobil hat als Straßenbaubehörde dann nur die Aufgabe, die straßenverkehrsbehördliche Entscheidung durch die Anbringung der angeordneten Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen vor Ort umzusetzen“, erklärte ein Sprecher. Römers Ergänzung zum letzten Satz: „Ohne über die Sinnhaftigkeit nachzudenken.“

„Die verkehrsrechtliche Anordnung zur Versetzung der Ortstafel sowie den geplanten Geschwindigkeitsbeschränkungen auf der B3 zwischen dem Beanue Kreisel und der südlichen Gemarkungsgrenze in Bensheim wurde aus Gründen der Sicherheit und Ordnung erlassen, die wiederum aufgrund von Bürgerhinweisen sowie im Rahmen einer Petition geprüft wurden“, heißt es knapp vonseiten der Pressestelle des Kreises Bergstraße.

Die laute Kritik der Bürgerinnen und Bürger ist auch dort schon angekommen: „Derzeit gibt es erneute Hinweise von Bürgerinnen und Bürgern, welche mit der Anordnung, insbesondere der Verlegung des Ortsschildes, nicht einverstanden sind. Diese Hinweise werden aktuell geprüft.“ Das Ergebnis bleibt abzuwarten.

Redaktion

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