Bensheim. Der Winter naht - und nicht wenige hoffen, dass er doch möglichst schnell und frostfrei dem Frühling weichen möge. Das dürfte ein frommer Wunsch bleiben, zumal nicht alle Probleme verschwinden, nur weil es wärmer und morgens wieder früher hell wird. Dennoch lassen Energiekrise, russischer Angriffskrieg, die wackelige Gasversorgung und ganz weit im Hinterkopf die Corona-Pandemie die kommende Jahreszeit nicht unbedingt verlockend dastehen.
Panik und ein Leben im dauerhaften Ausnahmezustand sind jedoch keine guten Wegbegleiter. Jens-Peter Karn weiß das. Der Bensheimer Stadtbrandinspektor beschäftigt sich nicht erst seit diesem Jahr mit der kritischen Infrastruktur der Stadt und möglichen Katastrophenfällen, konkret einem flächendeckenden und länger anhaltenden Stromausfall. „Wir planen für den Fall, der hoffentlich nie eintritt“, erklärt er im Gespräch mit dieser Zeitung. Nur wenn er denn eintritt, wollen sich Karn und seine Mitstreiter nicht vorwerfen lassen, unvorbereitet und ohne Konzept reagieren zu müssen.
750 000 Euro im Haushalt 2022
Unabhängig von der jetzigen Situation könne es jederzeit zu einem Stromausfall kommen, schickt der Stadtbrandinspektor voraus. Die Feuerwehren befassen sich daher schon länger mit dem Thema und haben einige Gebäude so umgerüstet, dass diese im Bedarfsfall vorübergehend mit Notstrom versorgt werden können. In den Gerätehäusern von Schwanheim, Gronau und Auerbach ist dies ebenso möglich wie im Stützpunkt in der Robert-Bosch-Straße. An den anderen Standorten müsste über Baustromverteiler improvisiert werden, kurz- und mittelfristig steht bei diesen Feuerwehrunterkünften aber auch eine Umrüstung zur Direkteinspeisung an.
In einem Stufenkonzept (wir haben berichtet) haben die Einsatzkräfte detailliert dargelegt, welche Vorhaben in den nächsten Jahren umgesetzt werden müssen. Dafür mussten alleine für dieses Jahr im Haushalt zusätzlich 750 000 Euro bereitgestellt werden.
Das Geld fließt unter anderem in neun Stromerzeuger für die Gerätehäuser in den Stadtteilen, damit diese im Ernstfall autark betrieben werden können. Eine größere Einheit (Kostenpunkt 70 000 Euro) ist für Zell vorgesehen, weil dort im Verbund mit dem Dorfgemeinschaftshaus eine größere Notunterkunft, die mit einer Pelletheizung auch unabhängig von Gas wäre, betrieben werden kann.
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Hinzu kommen Ausgaben für den Aufbau einer Kraftstoffreserve, diverses Material und ein neues Lager, das von der Stadt für die Feuerwehr angemietet wird. In einem Bensheimer Gewerbegebiet haben die Verantwortlichen mittlerweile die geeigneten Räume gefunden. Dort will man Ausrüstung unterbringen, die bei einem Einsatz nicht sofort benötigt wird, zurzeit aber Flächen im Stützpunkt belegt. Der freiwerdende Platz wird künftig von den neuen mobilen Generatoren eingenommen. Die Aufträge für die Geräte sind erteilt, geliefert werden sie jedoch erst 2023.
In den 750 000 Euro sind 150 000 Euro Planungskosten enthalten. Diese werden benötigt, weil man bei sechs Feuerwehrhäusern prüfen will, in welchen Umfang sich die Installation von Photovoltaikanlagen lohnt. Das habe mit Blick auf eine generelle ökologische Stromproduktion sowie eine autarke Versorgung bei einem Blackout Priorität. Theoretisch könnte das Vorhaben zeitnah umgesetzt werden, dafür bräuchte es aber weitere Mittel im Haushaltsplan. „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, alle Ausschreibungen sind auf dem Weg“, fasst der Stadtbrandinspektor den momentanen Sachstand zusammen.
Insgesamt schnüre man ein Paket, das es den Feuerwehren im Stadtgebiet ermöglicht, bei einem Stromausfall 24 Stunden unter Volllast handlungsfähig zu bleiben. Die Hilfsorganisationen haben in einem solchen Fall mit erhöhtem Einsatzaufkommen zu rechnen „und sind vor besondere Herausforderungen gestellt“. Der Katastrophenschutz solle deshalb kontinuierlich ausgebaut werden in den nächsten Jahren.
Das geht nicht ohne finanziellen Aufwand und persönliches Engagement der zumeist ehrenamtlichen Kräfte. 2023 dürfte die anstehende Umrüstung der Gebäude für die Stromeinspeisung ein Kostenfaktor sein, hinzu kommt das Thema Kommunikation im Krisenfall. Im Zuge einer Funkübung haben die Feuerwehren kürzlich getestet, ob sie sich analog erreichen, sollte der Digitalfunk versagen.
Die Vernetzung funktionierte ebenso wie die Einbindung von Partnern wie dem DRK oder dem THW. Weil man sich bislang aber nicht in einer solchen Lage befand, „muss vieles vorgedacht werden“, so Karn. In Arbeitskreisen und beim Runden Tisch der Hilfsorganisationen werden die weiteren Schritte besprochen.
Das Sirenen-Konzept für das Stadtgebiet wird ebenfalls fortgeschrieben. Das betrifft (wie berichtet) die Umrüstung alter Anlagen sowie mögliche neue Standorte. Aufträge wurden erteilt, allerdings seien die wenigen Fachfirmen überlaufen, so dass es an der Umsetzung hakt.
Die Mithilfe der Bevölkerung ist dabei unerlässlich. Mit einer guten Vorbereitung und Vorsorge jedes einzelnen „erhöhen wir die Chance, eine flächendeckende Notfallsituation gemeinsam lösen zu können“, betonte der Stadtbrandinspektor. Er appelliert an die Bürger, in diesen schwierigen Zeiten mehr aufeinander zu achten. Besonders, wenn der eine oder andere mit „komischen Ideen“ (Karn) versucht, sein Haus oder seine Wohnung auf Temperatur zu bringen, ohne Öl oder Gas zu verbrauchen.
Holzkohlegrill im Wohnzimmer
Zuletzt habe jemand versucht, mit einem Holzkohlegrill im Wohnzimmer zu heizen. „Das kann ganz schnell lebensgefährlich werden“, konstatierte der Stadtbrandinspektor. Auch Heizpilze seien nicht für den Innenbereich geeignet. Und Heizlüfter sollten möglichst ausgeschaltet bleiben, um das Stromnetz nicht zu überfordern. Einen kälteren Tag könne man auch mit einem dicken Pulli oder einer Decke überbrücken.
Grundsätzlich sieht er die Stadt und die Einsatzkräfte auf die kalte Jahreszeit gut vorbereitet - auch wenn es keine hundertprozentige Sicherheit gibt und man nicht für alle Eventualitäten detaillierte Pläne machen kann. „Wir sehen uns aber gut aufgestellt für Notfälle.“ Damit das so bleibt, wird das Thema den Katastrophenschutz und die Kommunalpolitik in den nächsten Jahren weiterhin beschäftigen.
Bürgermeisterin Christine Klein dankte dem Stadtbrandinspektor und seiner zumeist ehrenamtlichen Mannschaft für deren Engagement. „Hier wird klar nach Plan strukturiert gearbeitet, eine tolle Leistung.“
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