Vorkaufsrecht

Zum Schutz vor „Mondpreisen“ beim Bensheimer Neumarkt

Die Stadt Bensheim will sich per Satzung ein Vorkaufsrecht sichern, sollte das Neumarkt-Center mal wieder verkauft werden. Der Bauausschuss befürwortete am Donnerstag dieses Vorgehen.

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Dirk Rosenberger
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Das Neumarkt-Center befindet sich in Privatbesitz. Sollte der Komplex verkauft werden, will sich die Stadt ein Vorkaufsrecht sichern. © Thomas Neu

Bensheim. Das Neumarkt-Center war schon immer eines der größten städtebaulichen Sorgenkinder – und die jüngsten Entwicklungen haben sicherlich nicht dazu beigetragen, den schlechten Ruf aufzupolieren. Im Rathaus scheinen sich – wie berichtet – jetzt auch die Verdachtsmomente zu mehren, dass es mit dem aktuellen Eigentümer kein Happy End geben könnte.

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Mit einer Satzung über ein besonderes Vorkaufsrecht für das Neumarkt-Center will man sich deshalb Handlungsspielraum verschaffen, sollte die Blackrock Real Estate GmbH aus Darmstadt ihre Abriss- und Neubauplanungen zu den Akten legen und die Immobilie loswerden wollen.

Im Bauausschuss gab es am Donnerstag weitgehend kommunalpolitische Rückendeckung für ein solches Vorgehen. Bei einer Enthaltung (Franz Apfel, BfB), befürwortete das Gremium ansonsten die Verwaltungsvorlage.

Vertrauen – oder nicht

Mit dem Vorkaufsrecht sichert sich die Stadt nach eigenem Bekunden den Einfluss darauf, ob „wir Vertrauen in einen Käufer haben, das Grundstück in unserem Sinn zu entwickeln – oder nicht“, erklärte Baudezernentin Nicole Rauber-Jung (CDU). Sollte dieses Vertrauen in eine gute Lösung nicht gegeben sein, könne man in den Kaufvertrag eintreten und entscheiden, was man damit mache.

Sie verdeutlichte auf Nachfrage von Franz Apfel, dass sie der Stadtverordnetenversammlung in einem solchen Szenario zu einem Kauf raten würde. „Es ist im Moment nicht akut, aber ich sehe das als wichtig für die Stadtentwicklung an und empfinde das als meine Pflicht, es den Stadtverordneten dann zu empfehlen.“

Welche Summe investiert werden müsste, könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht gesagt werden – zumal man aktuell noch nicht einmal absehen könne, ob der Fall überhaupt eintritt. Fest steht aber, dass keine Fantasiepreise für den sanierungsbedürftigen Komplex gezahlt werden müsste.

Verkehrswert muss durch Gutachter ermittelt werden

Die Stadt dürfte den zu zahlenden Betrag nach dem Verkaufswert des Grundstücks bestimmen, sollte der ursprünglich vereinbarte Kaufpreis den Verkehrswert überschreiten. Der Verkäufer, im konkreten Fall die Blackrock GmbH, wäre dann wiederum dazu berechtigt, bis zum Ablauf eines Monats vom Vertrag zurückzutreten.

Früher gab es einen solchen Zusatz nicht. Vor einiger Zeit wurde diese Option aber im Baugesetzbuch geschaffen. „Für Kommunen ist das eine große Hilfe“, so Rauber-Jung. Wie hoch der Verkehrswert für das Neumarkt-Center ist, muss, sollte das Thema akut werden, von einem Gutachter ermittelt werden.

Diese Klausel wurde sowohl von Thomas Götz (Grüne) als auch Thorsten Eschborn (FDP) begrüßt. „Sie schützt uns vor astronomischen Mondpreisen“, bemerkte Eschborn. Durch das Vorkaufsrecht sichere man sich zum ersten Mal seit 20 Jahren die Möglichkeit zum Handeln. Die Satzung koste nichts, sie müsse lediglich beschlossen werden. Birgit Rinke (Grüne) ergänzte, dass es unbedingt notwendig sei, sich an dieser Stelle Optionen zu verschaffen.

Unterschiedliche Vorstellungen über den Kaufpreis

Franz Apfel äußerte jedoch Bedenken, dass eine solche Investition „jeden Haushalt, den wir haben, zerpflücken ohne Ende. Da müssten Steuererhöhungen ohne Ende beschlossen werden“, blickte Apfel nicht unbedingt positiv gestimmt in die Zukunft. Diese Bedenken wurden von Stadträtin Rauber-Jung jedoch nicht geteilt.

Feridun Bahadori (CDU) verwies darauf, dass Investitionen nicht so haushaltswirksam seien und man darüber hinaus ja eine städtische Gesellschaft habe – gemeint war damit die MEGB – die den Kauf unter Umständen abwickeln könnte. Unabhängig bekomme man somit ein Instrument für den Tag X an die Hand.

Neu wären solche Überlegungen nicht. Bereits 2015 hätte die städtische Tochter das Neumarkt-Center im Erfolgsfall erwerben sollen.

Damals ging der ehemalige Bürgermeister Rolf Richter mit dem Segen der Stadtverordnetenversammlung in den finanziellen Zweikampf mit dem damaligen Eigentümer. Es wurde sogar eine alleinige Verhandlungsvereinbarung getroffen.

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Am Ende kam es zu keiner Einigung, weil man unterschiedliche Vorstellungen über den Kaufpreis hatte. Die Verwaltung hatte ein Verkehrswertgutachten erstellen lassen. Mehr als 3,1 Millionen Euro sollte man demnach nicht für die Immobilie ausgeben. Noch ein bisschen weiter zurück in die Vergangenheit reiste Rudolf Volprecht (CDU). Er erinnerte an Planspiele des damaligen Verwaltungschefs Thorsten Herrmann, auf dem Areal des Neumark-Centers ein neues Rathaus zu bauen und zur Gegenfinanzierung das frühere Bischöfliche Konvikt zu verkaufen. „Es gibt also Möglichkeiten, die gar nicht so weit weg sind. Das Vorkaufsrecht räume die Möglichkeit ein, das Gebäude zu kaufen, aber daraus entstehe nicht die Pflicht, dies zu tun. „Bevor das Vorkaufsrecht gezogen wird, muss die Stadtverordnetenversammlung darüber befinden. Und dann muss das auf gescheite Beine gestellt werden“, so Volprecht.

Franz Apfel konnte sich mit den Gedankenspielen und einem potenziellen Kauf nicht anfreunden. Er könne da nicht viel Positives für die Stadt erkennen. Die MEGB als Partner in der Angelegenheit sah er darüber hinaus kritisch. „Warum sollten wir sie dann ein zweites Mal retten?“, spielte er auf finanzielle Engpässe der Gesellschaft vor rund 20 Jahren an.

Ralph Stühling (SPD) attestierte Franz Apfel, berechtigte, kritische Fragen zu stellen. Allerdings gehe er den dritten und vierten Schritt vor dem ersten. Niemand könne die Entwicklung voraussehen, über Detailpunkte brauche jetzt nicht geredet werden.

Stadtparlament entscheidet

„Wenn wir es bekommen, können wir immer noch überlegen, was wir daraus machen und wie wir es machen“, bemerkte Peter Leisemann (FWG). Zunächst brauche es aber die Möglichkeit, überhaupt aktiv zu werden – was mit der Satzung gewährleistet wäre.

Am Ende der Debatte stand das erwartete Abstimmungsergebnis. Für die Stadtverordnetenversammlung, die am 14. Dezember final beschließen wird, dürfte mit einer ähnlich großen Mehrheit zu rechnen sein.

Wie es aktuell mit der maroden und in Teilen stromlosen Immobilie weitergeht, bleibt abzuwarten. Die GGEW AG hat bisher darauf verzichtet, weitere Stromzähler vom Netz zu nehmen – weil es Gespräche mit dem Eigentümer gibt. Am desolaten Zustand des Komplexes und der Tatsache, dass sich die Stadtbibliothek vom Standort verabschieden wird (wir haben berichtet), ändert diese Entscheidung aber nichts.

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