Bensheim. Es ist ein Trauerspiel, passend zum trostlosen Novemberwetter – und das schon seit Jahrzehnten. Als Bühnenstück müsste man die Geschichte des Neumarkt-Centers irgendwo zwischen Absurdem Theater, Lokalposse und Tragödie ansiedeln – ohne große Hoffnung auf ein Licht am Ende des Leerstands-Tunnels.
Das jüngste Kapitel jedenfalls toppt nicht nur gefühlt die vorherigen Episoden. Die GGEW AG sieht sich als Energieversorger gezwungen, „aus rechtlichen Gründen“ in weiten Teilen des Gebäudekomplexes den Strom abzustellen – am 27. November sollen weitere Stromzähler abgeschaltet werden (wir haben berichtet). Die Tiefgarage ist bereits seit Anfang dieses Monats aus Sicherheitsgründen verrammelt. Wenn es stockdunkel ist, lässt es sich halt nur bedingt gut ein- und ausparken.
Im Neumarkt-Center gehen nach und nach die Lichter aus
Die Stadtbibliothek hat seit Ende Juli wegen eines Wasserschadens geschlossen – und baulicher Mängel, die von der Stadtverwaltung ins Feld geführt, aber offenkundig vom Besitzer nicht beseitigt werden. Mittlerweile kann immerhin nach Monaten des Prüfens „Click und Collect“ angeboten werden. Die Bauaufsicht des Kreises ist ebenfalls im Spiel, dessen Ausgang mehr denn je sehr ungewiss ist. Ob nach dem 27. November die Heizungsanlage noch funktioniert oder die verbliebenen Mieter im Kalten sitzen müssen, kann im Vorfeld offenkundig niemand sagen.
Warum im Center nun nach und nach die Lichter ausgehen, müsste der Eigentümer, die Darmstädter Blackrock GmbH, beantwortet. Eine schriftliche Anfrage dieser Zeitung blieb unbeantwortet. Aber auch ohne öffentliche Auskunft braucht es vermutlich keine prophetischen Gaben, um die Gründe erahnen zu können.
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Und im Rathaus? Dort wachsen offenbar langsam mehr und mehr die Zweifel, ob der Investor noch in der Lage ist, das Großprojekt zu stemmen. Eigentlich sollten nach einem Abriss eines Großteils des Ensembles Wohnungen gebaut werden – und die Stadtbibliothek im Bereich der leerstehenden Markthalle eine neue Heimat finden. Ursprünglich hätte sich dort auch das Familienzentrum einfinden können. Die Vereinsverantwortlichen zogen jedoch schon vor geraumer Zeit die in Bensheim berüchtigte Reißleine. Eine nicht nur in der Rückschau sehr weise Entscheidung.
In der aktuellen Sitzungsrunde liegt den Stadtverordneten nun ein interessanter Beschlussvorschlag zur Abstimmung vor: Die Satzung über eine besonderes Vorkaufsrecht für das Neumarkt-Center. Heißt in der Praxis: Sollten die Grundstücke verkauft werden, könnte die Stadt sich das Areal sichern – und zwar zu den Konditionen, wie sie vom Verkäufer mit dem ursprünglichen Käufer vereinbart waren.
Das betrifft auch den Verkaufspreis, abgesehen von einem nicht unerheblichen Zusatz. Die Stadt dürfte den zu zahlenden Betrag nach dem Verkaufswert des Grundstücks bestimmen, sollte der vereinbarte Kaufpreis den Verkehrswert überschreiten. Der Verkäufer, im konkreten Fall die Blackrock GmbH, wäre dann wiederum dazu berechtigt, bis zum Ablauf eines Monats vom Vertrag zurückzutreten.
Ausführliche Begründung und ein spannender Satz
In der Verwaltungsvorlage für die Kommunalpolitiker finden sich neben einer ausführlichen Begründung ein spannender Satz: „In jüngster Vergangenheit lassen nicht getätigte dringende Unterhaltungsarbeiten an den Immobilien Befürchtungen aufkommen, dass der Eigentümer nicht mehr in der Lage sein könnte, das Projekt zu verwirklichen.“ Bisher hieß es aus dem Rathaus bei Nachfragen zum Sachstand stets, dass man mit dem Grundstückseigentümer und seinen Architekten an einem städtebaulichen Konzept arbeitet. Dem ist wohl nach wie vor so. Wie sinnvoll dies vor dem aktuellen Hintergrund ist, steht auf einem anderen Blatt.
Die Fachausschüsse sowie final die Stadtverordnetenversammlung am 14. Dezember entscheiden darüber, ob eine entsprechende Satzung nach Paragraf 25 des Baugesetzbuches erlassen wird.
Es wäre nicht das erste Mal, dass sich die Stadt mit potenziellen Kaufabsichten der Mutter aller Bensheimer Leerstände nähert. 2015 ging der ehenalige Bürgermeister Rolf Richter mit dem Segen der Stadtverordnetenversammlung in den finanziellen Zweikampf mit dem damaligen Eigentümer. Es wurde sogar eine alleinige Verhandlungsvereinbarung getroffen.
Am Ende kam es zu keiner Einigung, weil man unterschiedliche Vorstellungen über den Kaufpreis hatte. Die Verwaltung hatte ein Verkehrswertgutachten erstellen lassen. Mehr als 3,1 Millionen Euro sollte man demnach nicht für die Immobilie ausgeben. Das sah der Eigentümer zu jener Zeit offenkundig anders. Im Erfolgsfall hätte übrigens die MEGB das Center kaufen sollen.
Schon 2015 skizzierte die Verwaltung den Zustand des Komplexes wie folgt: „Das Anwesen ist in einem insgesamt mäßigen und deutlich gebrauchten Zustand. In Teilbereichen weist es erhebliche Mängel auf.“ Das betrifft die Tiefgarage ebenso wie die Markthalle und die technische Gebäudeausrüstung. Darüber könnte man acht Jahre später fast verzweifelt lachen, stünden nicht akut Mieter vor dem Schicksal einer kalten Wohnung im Winter.
Ohnehin sind die Verhältnisse im Neumarkt kein Geheimnis, die Fassade bröckelt schließlich seit Jahren in aller Öffentlichkeit vor sich hin. Von der Tiefgarage ganz zu schweigen. Die Auswirkungen der Schließung ließen sich am Wochenende wieder bestaunen. Da wurde kurzerhand in den Abendstunden der Beauner Platz automobile okkupiert. Ob das bei Veranstaltungen künftig offiziell möglich sein kann – wie von der CDU vorgeschlagen –, wird von der Stadtverwaltung nach wie vor geprüft.
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