Bensheim. Neubeginn und Abschied bei den Bensheimer Musiktagen: Das erste Konzert des Oratorienchores Bergstraße nach langer Corona-Pause war zugleich das letzte Konzert unter Leitung von Konja Voll. Der seit 2005 amtierende Propsteikantor wechselt bekanntlich Anfang nächsten Jahres als Landeskirchenmusikdirektor der Nordkirche für Mecklenburg-Vorpommern an den Greifswalder Dom.
Kontinuierliche Chorarbeit bleibt dennoch gewährleistet: Nach der für April vorgesehenen „Johannes-Passion“ unter Uta Voll steht als Interimsdirigent der ehemalige Dekanatskantor Klaus Thielitz bereit. Natürlich fand auch dieses Konzert am Reformationssonntag ganz im Zeichen der Pandemie statt: nur 120 zugelassene Besucher, reduziertes Programm, stark verkleinerte Chorbesetzung, Klavier- statt Orchesterbegleitung.
Konja Voll sprach im Programmheft von „Bedingungen, die mit ‚kompliziert‘ noch sehr vorsichtig umschrieben sind“. Hinter dem Chor lägen „viele Monate mit virtuellen Proben per ‚Zoom‘, Live-Proben in Kleingruppen mit drei Metern Abstand und Durchzug, abgesagte Konzerte und manches mehr. Das Einzige, was es zuverlässig nicht gab, waren reguläre Probenbedingungen. Aber es war auch klar: Wir wollen das Beste herausholen, das unter diesen Rahmenbedingungen möglich ist.“ Und genau das ist dem scheidenden Propsteikantor und seinem in knapp vierzigköpfiger Besetzung angetretenen Ensemble bravourös gelungen.
Schon die berühmte Psalmvertonung „Jauchzet dem Herrn alle Welt“ opus 69/2 aus Mendelssohns Todesjahr 1847 beeindruckte durch beachtlich geschlossene Chorpräsenz, weiträumig angelegte Linienführung, sorgfältig ausgearbeitete Dynamik und gut verständliche Textartikulation. Sogar noch populärer ist das dem Oratorium „Elias“ (1846) entstammende A-Dur-Juwel „Hebe deine Augen auf“, das in stattlicher Frauenchor-Formation besonders bezwingend wirkte.
Fein beseelte Mendelssohn-Anklänge bot „Befiehl dem Ewigen deinen Weg“ aus den 1879 publizierten „Liturgischen Psalmen“ des deutsch-jüdischen Kantors Louis Lewandowski (1821-1894), der einst zu den führenden Berliner Musikerpersönlichkeiten gehörte. Zurück zu Mendelssohn selbst ging es mit der ebenfalls überaus sauber und flüssig gesungenen Frauenchor-Motette „Laudate pueri“ op. 39/2 (1837), die wie bereits das Lewandowski-Werk von Kyeyoung Lim am Klavier begleitet wurde.
Die an der Kirchenmusik-Hochschule Heidelberg als Dozentin für Korrepetition wirkende Koreanerin war auch im abschließenden „Magnificat“ von John Rutter (*1945) eine absolut souveräne Partnerin. Dieses anhaltend beliebte Erfolgsstück des englischen Ohrwurm-Garanten erlebte seine Premiere 1990 in der Carnegie Hall in Großbesetzung mit rund 200 Choristen und entsprechendem Orchester.
Die Bensheimer Aufführung musste auf derartige Massenpracht naturgemäß verzichten, gewann aber dank der außergewöhnlichen Hingabe aller Beteiligten dennoch wahrhaft werkgerechte Leuchtkraft. Der Oratorienchor Bergstraße ließ an seiner Begeisterung für Rutters melodische Emotionalität und rhythmische Vitalität keinerlei Zweifel. Besonders schön gerieten dem Ensemble betont lyrische Abschnitte wie vor allem der wunderbar andächtige Satz „Of a rose, a lovely rose“.
Für echte Glanzlichter sorgten darüber hinaus die überwältigend warmherzig und emphatisch klingenden Sopransoli der charismatischen jungen Mexikanerin Claraliz Mora – obenan in „Et misericordia“ und „Esurientes“. Aus dem langen Beifall der Konzertbesucher in Sankt Georg sprach denn auch jene helle Freude, die ideal zum Gestus von Rutters „Magnificat“ zu passen schien.
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