100. Todestag

Mit seinem Landhausstil hat Heinrich Metzendorf die Bergstraße geprägt

Der Todestag des Architekten Heinrich Metzendorf jährt sich am 15. Februar zum 100. Mal. Der "Baumeister der Bergstraße" hat in der Region viele Spuren hinterlassen.

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Heinrich Metzendorf © Stadtarchiv

Bensheim/Bergstraße. Am 15. Februar vor 100 Jahren nahm sich Heinrich Metzendorf das Leben. Lang wurde öffentlich nicht über seinen als beschämend empfundenen Suizid gesprochen. Professionelle Hilfe für Suizidgefährdete gab es 1923 weniger als heute.

Frank Oppermann, Vorsitzender der Metzendorfgesellschaft, berichtet aber, dass Metzendorf 1906 für mehrere Wochen im Sanatorium Amelung in Königstein im Taunus zur Behandlung war. Im heute noch dort vorhandenen Patientenbuch sind „Schlaflosigkeit, Verstimmung und Arbeitsunfähigkeit“ als Leiden eingetragen. Der medizinische Befund lautete: Neurasthenie mit Depressionen und Schlafstörungen. Auch vom Nervenarzt Dr. Laudenheimer in Alsbach wurde Metzendorf offenbar behandelt.

Die Inflation als Belastung

Metzendorfs Tod auf dem Höhepunkt der Inflation wird bisweilen auch finanziellen Sorgen zugeschrieben. Tatsächlich gibt es aber wohl keine Hinweise darauf, dass ihn die Krise stärker getroffen habe als andere. Doch hat Frank Oppermann von seinen Töchtern erzählt bekommen, dass der Architekt sehr stark darunter gelitten habe, dass er die Handwerker nicht mehr bezahlen konnte, weil das Geld durch die Inflation schon wertlos geworden worden sei, bevor er es den Handwerker geben konnte. Heinrich Metzendorf hinterließ, 56-jährig, eine Frau und fünf Kinder.

Der Höhepunkt seines Wirkens lag in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg. Er schuf in Bensheim stadtbildprägende Viertel. Doch war die Wertschätzung einem starken Wandel unterworfen. Versäumen die Reiseführer vom Anfang des 20. Jahrhunderts nicht, die malerischen Metzendorfbauten als Attraktion hervorzuheben - man fuhr von Darmstadt aus zum Beispiel nicht nur der Blüte, sondern auch der schönen Häuser wegen an die Bergstraße -, so war der Architekt Metzendorf denkmalpflegerischen Publikationen der 1960er Jahre kaum eines Satzes würdig.

Das Wohnhaus Heinrich Metzendorfs an der Ernst-Ludwig-Straße 25 in Bensheim, erbaut 1902. Hier wohnte der „Architekt der Bergstraße“ bis zu seinem Tod am 15. Februar 1923. © Eva Bambach, Stadtarchiv

Die Wohnräume galten in der Bevölkerung als dunkel, schlecht zu heizen und unpraktisch. Heute sind vom Trafogebäude über die Arbeiterhäuser bis zum gehobenen Wohnhaus alle Metzendorf-Bauten denkmalgeschützt und die meist aufwendig restaurierten Villen ungefähr ebenso repräsentative Adressen wie zur Erbauungszeit.

Die um 1902/03 gebaute Häusergruppe in der Ernst-Ludwigstraße fand schon früh überregionale Anerkennung und wurde mehrfach durch Fotos in deutschen Architekturzeitschriften bekannt. In der Fachzeitschrift „Moderne Bauformen“ rühmte ein Aufsatz im Jahr 1906, Metzendorf habe wie ein Künstler „aus den alten Klängen in neuen Melodien seine eigenen Weisen aufgebaut, er hat die Märchen der Schönheit, die sich ihm erschlossen haben, nacherzählt in seiner eigenen Sprache“.

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Und doch: „Die Kunst Metzendorfs ist bodenwüchsig. Was die Heimat bietet, dünkt ihm gerade recht.“ Drei Jahre später berichten die in Darmstadt herausgegebenen Monatshefte „Deutsche Kunst und Dekoration“ im September 1909 nicht nur von Bensheimer Häusern, sondern unter anderem auch von Metzendorfs Planungen zum Haus einer Gräfin Liedekerke in Wörishofen oder dem Landhaus eines Geheimen Rats Voith am Bodensee.

Denn zwar stehen etwa ein Drittel seiner Bauten in Bensheim, doch wirkte Metzendorf auch weit über die Stadt und die Region hinaus. In Alsbach baute er das lebensreformerische Sanatorium Dr. Laudenheimer, in Worms beauftragte ihn der Lederfabrikant Wilhelm von Heyl zu Herrnsheim mit mehreren großen Bauprojekten, im Taunus baute er das Sanatorium Amelung. Walter Gropius lobte 2011 das Fabrikgebäude für die Eulersche Papierfabrik - bemerkenswert schon allein, dass er das Objekt in der Provinz überhaupt wahrgenommen hatte.

Gute Vernetzung

Zu Metzendorfs Berühmtheit beigetragen hatten nicht nur sein architektonisches Konzept und seine rationelle Arbeitsweise, bei der er Baupläne häufig wiederverwendete, sondern auch die gute Vernetzung des Architekten, mit dem Bensheimer Papierfabrikanten und Kommerzienrat Wilhelm Euler als zentraler Figur.

Nicht nur für ihn und dessen große Familie baute Heinrich Metzendorf viel, anfangs noch gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Georg, sondern auch für dessen Kontakte in der Bensheimer Gesellschaft und darüber hinaus.

Das Grab Heinrich Metzendorfs mit einem von ihm selbst entworfenen Grabstein befindet sich auf dem Bensheimer Friedhof westlich der Kirchenmauer. © Armin Kübelbeck/Wikimedia

Es war damals schon allein vom Namen her prestigeträchtig, sich ein Haus von Heinrich Metzendorf planen zu lassen.

Doch was machte dessen Baustil im Wesentlichen aus? Heutige Autoren sprechen von „einem aus englischer Architektur sowie lokaler Bautradition gespeisten Landhausstil“, „einem moderat-modernen Reformstil“ oder dem „sogenannten Reformstil der Jahrhundertwende, der Jugendstilelemente mit älteren historischen Formen und lokalen Bautraditionen verbindet“. Auch der Begriff des „Heimatstils“ taucht häufig auf.

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Die Webseite der Stadt Heppenheim, wo Metzendorf 1866 geboren wurde, wo sein erstes Büro war und wo er ebenfalls viele Häuser baute, wird konkreter: „Charakteristische Merkmale des Metzendorfschen Baustils sind die Verwendung von Sandstein, Biberschwanzziegeln und Odenwälder Holzschindeln aus regionalen Handwerksbetrieben, aber auch großzügige Dachlandschaften wie ineinander geschobene Satteldächer, mit Gauben besetzte Walmdächer und Mansarddächer sowie holzverschalte Giebel, Türmchen, Erker, Sprossenfenster, große Rundbogenfenster und Staketenzäune.“

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