Bensheim. Die Vorsitzende der Metzendorfgesellschaft, Bettina Hesse, begrüßte neben den Mitgliedern des Vereins viele weitere Interessierte, darunter auch Angehörige der Schulgemeinde zum Rundgang duch die Schlossbergschule. Fachkundig geführt wurde die Gruppe durch den ausgewiesenen Metzendorfkenner Frank Oppermann, Mitgründer der Metzendorfgesellschaft und ehemaliger Professor an der Hochschule Darmstadt. Die historischen Ausführungen wurden von dem Architekten Sanjin Maracic ergänzt, der unter anderem aus seiner langen Erfahrung bei der Wiederertüchtigung von Metzendorfbauten berichten konnte.
Oppermann erinnerte an den 100. Todestag von Heinrich Metzendorf, dem in diesem Jahr mit vielfältigen Aktionen in der Region gedacht wird. Ein ganz typisches Merkmal Metzendorfscher Architektur hatten die Zuhörer im Hof der Schlossbergschule angesichts des monumentalen Sandsteinaufgangs zum Haupteingang gleich vor Augen: Der Architekt, obwohl vom Großherzog ehrenhalber mit einem Professorentitel bedacht, war mehr oder minder Autodidakt und hatte seine Kenntnisse zu einem großen Teil durch die praktische Arbeit im väterlichen Sandsteinbruch erworben.
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Seine Planungen zeichnen sich durch viele Detailzeichnungen aus, in denen er nicht nur die dekorativen Einzelheiten beschrieb, sondern auch deren Position in Bezug auf den handwerklich sinnvollen Versatz der Steine. So sind zum Beispiel die scheinbar auf der Mauerabdeckung aufliegenden Zierkugeln des Treppenaufgangs direkt aus dem Stein herausgehauen, der die obere Ecke der Anlage bildet.
Die Auerbacher Schule stellt einen eher ungewöhnlichen Teil im Schaffen Metzendorfs dar, der vor allem als Architekt der Villen bekannt ist - über 370 davon hat er, auch über die Region hinaus, gebaut. Doch kommen vereinzelt auch Großbauten unter seinen Aufträgen vor, darunter mehrere Kaufhäuser in der Region, der Umbau des Bensheimer Rathauses, ein Erholungsheim in Birkenau oder ein Sanatorium im Taunus.
Auf der Fachmesse gab es intensive Diskussionen
Ein regelrechter Schulbau ist jedoch ansonsten nicht darunter. Allerdings konnte Oppermann Pläne zeigen, die Metzendorf für den Bau einer Schule in der Gartenstadt Buchschlag skizziert hatte - sie wurden niemals umgesetzt, ähneln der im Jahr 1911 eingeweihten Auerbacher Schlossbergschule aber in verblüffendem Maße: Auch dort sah er eine malerische Schulhofanlage vor, die von allen Seiten von Bauten eingefasst ist, darunter eine Turnhalle und außerhalb des Hauptgebäudes gelegene Toiletten, die über einen Gang auch bei Regen trockenen Fußes erreicht werden konnten. Die Lage der noch nicht mit Wasserspülung versehenen Toiletten musste immerhin auch Aspekte wie Sonneneinstrahlung und Windrichtung berücksichtigen - Aspekte, die nicht zuletzt in der Fachpresse damals intensiv diskutiert wurden, wie Oppermann erläuterte.
Nicht nur die Steindetails zeichnete Heinrich Metzendorf. Aus seinem Büro stammten auch die Pläne für Holzeinbauten wie der Wandvertäfelung der Turnhalle. Ein großer Tisch und ein Wandschrank nach den Entwürfen von damals sind in der Schule noch heute in Gebrauch.
100 Mark als Gewinn bei einem Wettbewerb
Kurios und nicht ohne Geschmäckle ist die Geschichte der Auftragsvergabe für den Schulneubau, der auf Beschluss des Gemeinderates vom Juli 1909 die zu klein gewordene und schon aufgestockte alte Schule an der Bachgasse ersetzen sollte. Oppermann zeichnete plastisch die Machtspiele und Eifersüchteleien nach, die das Projekt begleiteten.
Zunächst hatte die Gemeinde einen begrenzten Wettbewerb ausgeschrieben, bei dem Architekten gegen ein Honorar von 100 Mark aufgefordert wurden, ihre Entwürfe anonymisiert einzureichen. Vier Planer nahmen am Ende teil, darunter die Architekten Robert Sommer und Wilhelm Nahrgang. Gutachter sollten der renommierte Professor Hugo Eberhardt aus Offenbach sein - und Heinrich Metzendorf.
Alle eingereichten Entwürfe ernteten einen harschen Verriss, sie seien allesamt nicht geeignet, „das schöne Bild der Landschaft, das Tausende von Besuchern jährlich in die Gegend lockt“ zu heben. Das könne nur einer, so muss man die Stellungnahme interpretieren, nämlich Heinrich Metzendorf. Und der erhielt den Auftrag zur künstlerischen Leitung (mit einem Honorar von 3 Prozent der Bausumme), während Georg Meckel aus Auerbach, der ebenfalls Wettbewerbsteilnehmer gewesen war, die Bauleitung und ein Honorar von 2 Prozent erhielt.
Der vehemente Protest Wilhelm Nahrgangs, damals ein stetiger Konkurrent Metzendorfs, wurde von den Behörden strikt abgewiesen. Die Baugrube wurde im Juli 1910 ausgehoben. Was dann als Gebäude in einer für heutige Verhältnisse unfassbar kurzen Bauzeit entstand, entsprach den Prinzipien, die damals für den Schulbau galten, unter anderem mit nach Süden und Südosten ausgerichteten Klassenzimmern und Fenstern, die das Licht von links auf die Schüler einfallen ließen, wegen der Erziehung zum Schreiben mit der rechten Hand.
Die nächste Metzendorf-Führung ist schon ausgebucht
Doch, so zeigte Oppermann, hatte die großherzogliche Behörde auch in die von Metzendorf eingereichten Entwürfe noch einmal mit dem Rotstift eingegriffen: Die äußere Gestalt des Gebäudes wurde als zu steif empfunden und sollte durch eingezeichnete geschweifte Giebel weicher gemacht werden.
Als weiteres Beispiel eines - völlig anders gearteten - Schulbaus durch Heinrich Metzendorf bietet die Metzendorfgesellschaft am 27. August eine schon ausgebuchte Führung mit der Architektin Doris Gölz über das Gelände des Wohnparks Ober-Hambach an.
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