Museum

Kunst aus Baumaterial: Brett Seilers Subtile Welten

Die neue Ausstellung in Bensheim „Low Budget – Love Story“ zeigt Werke von Brett Seiler. Wandfarbe und Bitumen wurden bei den Kunstwerken höchst subtil aufgetragen.

Von 
Eva Bambach
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Das Museum Bensheim zeigt unter dem Titel „Low Budget – Love Story“ Werke von Brett Seiler. © Thomas Zelinger

Bensheim. „Low Budget – Love Story“, so der Titel der neuen Ausstellung im Bensheimer Museum, handelt nicht von der Liebe zum kleinen Preis. Es ist das Material, mit dem die Bilder gemalt, die Objekte gestaltet sind: Sie kommen aus dem Baufachhandel und kosten nicht viel. Wandfarbe und Bitumen werden normalerweise quadratmeterweise aufgetragen – Brett Seiler verwendet sie selbst in seinen großformatigen Bildern höchst subtil.

Auf ungrundierter oder mit einem gebrochenen Weiß versehener Leinwand trägt er diese Farben in vielen fein nuancierten Schichten auf, die bis zur fast völligen Transparenz reichen. So wird nicht nur das Malen, sondern auch das Betrachten zum Prozess, in dessen Verlauf sich immer wieder neue Figuren aus der Fläche schälen, aus dem Dunkel wie aus dem Hellen.

Die fein gewobenen Geschichten, die Brett Seiler erzählt, sind autobiografisch. Es sind Szenen aus dem queeren Alltag in der Wohnung ebenso wie Aktsitzungen im Atelier, wo mit Klebeband an die Wand geheftete Skizzen oder scheinbar achtlos am Boden liegende Zeichnungen bewusste Reminiszenzen an Vergangenes darstellen.

Kleine Holzschnitte der besonderen Art

Die ausgestellten Bilder sind alle in den letzten Jahren entstanden und in den drei Räumen chronologisch angeordnet. Der erste Raum mit eigens dunkel gestrichenen Wänden bringt die älteren, statischer und flächiger gebauten Malereien eindrucksvoll zur Wirkung.

Darunter befindet sich neben großformatigen Leinwänden eine Reihe schöner kleiner Holzschnitte der besonderen Art, die nämlich nicht als Druckstock gedacht sind: Mit sparsamen, in hell bemaltes Holz geschnittenen Linien erschuf der Künstler im Jahr 2023 atmosphärisch dichte Schilderungen eines traurigen Hundes ebenso wie einer „Casual Cigarette Outside the Gay Bar“ – oder, geradezu programmatisch für die Methode des Künstlers, Gegenwärtiges und Vergangenes zu verweben: „Discovering What Was Underneath the Floor Boards“.

Die Titel sind bei Brett Seiler eng mit der Aussage der Kunstwerke verbunden. Wörter, Buchstaben und Sprachspielereien übernehmen auch in den Bildern selbst immer eine Rolle, bis hin zu ausschließlich aus Texten bestehenden Bildern wie dem „D“ aus der Serie „Alphabutt“ mit einer Sammlung von Bezeichnungen homosexueller Praktiken.

Bei der Vernissage zur Ausstellung am Samstagabend sprach Brett Seiler mit Museumsdirektor Jan Christoph Breitwieser über seine Kunst. Es sei schön, die normalerweise bei 17 unterschiedlichen Leihgebern verteilten Arbeiten der vergangenen Jahre wieder einmal zusammen zu sehen. Auf die Bedeutung von Davis Hockney als Vorbild angesprochen, bestätigte der Maler, wie dieser die queere Sexualität in die Normalität holen zu wollen.

Wichtige gesellschaftliche Themen in einer berührenden Bildsprache

Auch die Wahl der künstlerischen Mittel kann in diesem Zusammenhang gesehen werden – aus dem harten männlichen Kontext des Bauhandwerks verwandelt Brett Seiler sie in etwas Weicheres, Zärtliches. Es ergibt sich eine einheitliche Farbpalette, die entfernt auch an die Sepiatöne historischer Porträtaufnehmen erinnert.

Brett Seiler wurde 1994 in Simbabwe geboren und machte 2015 seinen Abschluss an der Ruth Prowse School of Art in Kapstadt, Südafrika. Er arbeitet heute in Leipzig und in Kapstadt und wird von der Leipziger Galerie „Eigen + Art“ vertreten, die schon mehrfach Museumsausstellungen in Bensheim unterstützt hat.

Dafür bedankte sich bei der Vernissage auch Bürgermeisterin Christine Klein. Sie brachte den Stolz der Stadt zum Ausdruck, den Künstler Brett Seiler erstmals in Deutschland in einem musealen Kontext zu zeigen. Seine Kunst sei mehr als Malerei und Installation, indem er wichtige gesellschaftliche Themen in eine berührende Bildsprache bringe. Diese Ausstellung in für die Stadt finanziell schweren Zeiten sei nur durch die Unterstützung der Sparkasse Bensheim möglich geworden. Einen besonderen Dank richtete die Bürgermeisterin auch an das Ehepaar Koch, das der Bensheimer Bürgerstiftung einen namhaften Betrag für die Kulturförderung zur Verfügung gestellt und ausdrücklich auch für die aktuelle Ausstellung vorgesehen hatte.

Zur Ausstellung gibt es auch ein Katalogheft

Museumsdirektor Jan Christoph Breitwieser konnte bei der sehr gut besuchten Vernissage Gäste aus ganz Deutschland begrüßen. Der große Zuspruch zeige, wie wichtig solche Ausstellungen seien – als Nahrung für das Gehirn und als Zeichen der Menschlichkeit. Ein weiteres Zeichen dafür sei, dass es neben den großen Sponsoren immer auch kleinere Spenden gebe, wie etwa der für die Vernissage gestiftete Wein vom Weingut Hanno Rothweiler.

„Low Budget – Love Story“ ist noch bis zum 16. November im Museum der Stadt Bensheim zu sehen, geöffnet donnerstags und freitags von 15 bis 18 Uhr, samstags und sonntags von 12 bis 18 Uhr sowie nach Vereinbarung. Am 26. Oktober um 15 Uhr gibt es eine Direktorenführung mit Jan Christoph Breitwieser. Zur Ausstellung ist ein Katalogheft erschienen.

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