Bensheim. Das Bergsträßer Netzwerk „bergstraße.mobil“ begrüßt den Beschluss der Bensheimer Stadtverordneten für eine neue Stadtbuslinie auf dem nördlichen Berliner Ring. Um die gravierenden Mängel im übrigen Bensheimer ÖPNV abzustellen, sei jedoch ein Nahverkehrskonzept nötig, das in ein umfassendes Mobilitätskonzept eingebettet ist.
Mit gemischten Gefühlen nimmt das Netzwerk daher nach eigenem Bekunden den jüngsten Beschluss zur Kenntnis, demzufolge auf dem nördlichen Berliner Ring eine neue Stadtbuslinie im 30-Minuten-Takt eingerichtet werden soll. Damit werde ein Vorschlag realisiert, der schon seit mindestens sechs Jahren vorliegt.
Nachfolger des Fahrgastbeirats "bergstraße.mobil" ist ein Netz ...
Gemeint sind, so die Initiative, die Arbeitsergebnisse des fraktionsübergreifenden „Arbeitskreis Stadtbus“, an dem zwischen 2012 und 2016 interessierte Bürger mit der Stadtverwaltung Verbesserungsvorschläge für den gesamten Bensheimer ÖPNV erarbeitet haben.
Weiterhin „miese Klimabilanz“
„Es ist einerseits sehr erfreulich, dass sich eine große Mehrheit nun hinter der Vorlage der Verwaltung vereinigen konnte, für die es sehr viele gute Gründe gibt, über die schon umfassend berichtet wurde. Andererseits ist das Tempo mit Blick auf die dringend nötige Verkehrswende und der weiterhin miesen Klimabilanz des Verkehrsbereichs eindeutig zu langsam“, beklagt Peter Castellanos, Sprecher des Netzwerks den Zeitraum zwischen Idee und Umsetzung. „Wirklich gravierend ist aber, dass die übrigen Ergebnisse des Arbeitskreises weder damals noch heute in der notwendigen Tiefe diskutiert und in eine integrierte ÖPNV-Strategie überführt wurden“, führt Castellanos weiter aus.
Nach Auffassung von „bergstraße.mobil“ zeigen folgende Mängel den weiteren Handlungsbedarf im Bensheimer ÖPNV beispielhaft:
Die Befürworter der neuen Linie erhoffen sich einen Fahrgasterfolg, der zumindest unter den aktuellen Umständen nur mit viel Glück erwartet werden könne. So fehle eine Haltestelle an der Weststadthalle und am Obi-Kreisel, womit Auerbacher auch weiterhin nicht direkt dorthin kommen können. Um diese Haltestellen in den Fahrplan integrieren zu können, müsste der vorgesehene Umweg im Bereich des Ärztehauses über die Straße „Zwischen den Bächen“ wieder abgeplant werden. Die Linienführung müsse in beiden Fahrtrichtungen beschleunigt über den Berliner Ring laufen. Dafür wiederum sei eine Querungshilfe über den stark befahrenen Berliner Ring nötig. Dieser werde aber nicht nur für querende Fahrgäste benötigt, sondern auch, damit Radfahrer den Radweg Richtung Süden sicher erreichen können.
Durch die neue Linie 672 kann die vorhandene Linie 673 im Bereich des Basinus-Bades und der Eifelstraße zwar so angepasst werden, dass die (vorhersehbaren) Probleme in der engen Odenwaldstraße behoben werden könnten. Weiterhin beibehalten werden solle bei dieser Linie dagegen weiterhin der für einen Stadtverkehr unzureichende 60-Minuten-Takt. Damit bleibe diese Linie nur ein Zwangskunden-Vehikel und keine überlegenswerte Alternative zum eigenen Pkw.
2017 wurde das Ruftaxi-Konzept, das damals aus zwölf Linien bestand, erheblich übersichtlicher gestaltet und neu vertaktet. Trotzdem seien hier immer noch zu viele Fahrten nicht auf wichtige Bus- und Bahnanschlüsse abgestimmt.
Wichtige Ziele wie das Hospiz, das Auerbacher Schloss und die Klinik Schloss Falkenhof sind weiterhin nicht an den ÖPNV angebunden. Ein On-Demand-Verkehr nach dem Vorbild des „Michelbus“ in Wald-Michelbach sei hier die naheliegende Lösung. Solch einen Vorschlag formulierte der Arbeitskreis schon 2015; leider habe man diese Idee nicht weiterverfolgt.
Damit der gesamte Bensheimer Stadtbus – und damit auch die neue Linie auf dem nördlichen Berliner Ring – angenommen wird, brauche es ein attraktives Gesamtkonzept, das Antworten auf die innerstädtischen Mobilitätsbedürfnisse und jener der vielen Einpendler liefert. Bis heute fehle ein solches.
„Der Masterplan für nachhaltige Mobilität der Stadt aus dem Jahr 2018 enthält keine belastbaren Aussagen darüber, wie der ÖPNV nutzergerecht weiterentwickelt werden soll. So überrascht es uns nur wenig, dass sowohl beim damaligen Beschluss des heutigen Stadtbuskonzeptes in 2016 als auch diesmal bei dessen Erweiterung einige Stadtverordnete nur mit Bauchschmerzen zustimmten“, stellt Castellanos abschließend fest. red
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