Bensheim. Die neue Stadtbuslinie hat im entscheidenden Moment die Kurve gekriegt. In der Stadtverordnetenversammlung gab es eine Mehrheit für das Projekt entlang des Berliner Rings bis zum Ärztezenzentrum. In der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, FDP und SPD war das Vorhaben auf Wunsch der Sozialdemokraten festgeschrieben worden, im Sommer 2021 gab es einen entsprechenden Beschluss durch das Stadtparlament.
Vor diesem Hintergrund wäre die Angelegenheit in der jüngsten Sitzungsrunde eigentlich als reine Formsache zu betrachten gewesen. Doch im Haupt- und Finanzausschuss machte die FDP ihre Ablehnung mehr als deutlich, die CDU äußerte sich skeptisch (wir haben berichtet). Während der eine oder andere schon das Dreier-Bündnis vor dem Aus sah, votierten die Christdemokraten aber aus Koalitionsräson für das Vorhaben – wie der Großteil der Stadtverordnetenversammlung. Nur FDP und die Fraktion „Vernunft und Augenmaß“ stellten sich dagegen.
BfB wollte Prüfung 2025 festlegen
Keine Zustimmung erhielt jedoch die BfB für ihr Anliegen, am Ende des Jahres 2025 zu prüfen, ob sich die Stadtbuslinie (und damit die Investition) lohnt. In der Verwaltungsvorlage ist von einer Finanzierung der Strecke bis 2028 die Rede, so lange läuft der mit dem Verkehrsverbund Rhein-Neckar geschlossene Konzessionsvertrag. Die jährlichen Kosten belaufen sich dabei auf 220 000 Euro, was günstiger ist als angenommen. Im vergangenen Jahr ging man noch von 330 000 Euro aus. Allerdings wollten die Fraktionen damals auch, dass schon 2023 erörtert wird, wie gut der Zuspruch für die Linie ist, um eventuell gegensteuern zu können. Das wiederum rechnet sich aus Sicht des Rathauses nicht. Im Fachausschuss gab es vor allem an diesem Punkt Debatten.
Losgelöst vom Jahr 2028 steht es der Verwaltung aber jederzeit frei, die Sinnhaftigkeit des Stadtbusses am Berliner Ring zu hinterfragen, um möglicherweise frühzeitig auszusteigen.
„Die neue Stadtbuslinie wird durch die Infrastrukturkostenhilfe des Kreises gefördert. Wie hoch die Förderung ausfällt, ist leider noch nicht bekannt, warum auch immer. Die neue Stadtbuslinie fährt attraktive Ziele am Berliner Ring nach Norden an. Als BfB-Fraktion hoffen wir, dass sie gut angenommen wird“, signalisierte Franz Apfel Zustimmung.
Seiner Meinung nach sei es aber sinnvoll, schon 2025 zu prüfen. Zumal die beim VRN bestellten Mehrkilometer bei einer Stilllegung auf andere Strecken umverteilt werden können. Unabhängig davon sei der Zeitraum bis 2028 auch wegen der Abschreibung des erforderlichen neuen Busses die günstigste Option. Dem Dreier-Bündnis warf der Fraktionschef Uneinigkeit nicht nur in diesem Punkt vor. „Das Beste wäre, die Koalition würde beendet und es gäbe eine Zusammenarbeit in den Sachfragen über Parteigrenzen hinweg.“
Hanns-Christian Wüstner (Grüne) sprach hinsichtlich der Diskussion im Finanzausschuss von einem Debakel. Die neue Linie sei notwendig wegen der Siedlungspolitik der vergangenen Jahre. Er prophezeite ebenfalls das „Ende der uneinigen Koalition“. So könne man jedenfalls keine Stadtentwicklung betreiben. Ruftaxis, wie von der FDP gepriesen, seien wegen ihres starren Bestellsystems ungeeignet, tagsüber vielfrequentierte Stadtgebiete zu erschließen.
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Halt an der Weststadthalle nötig
Die Grünen hätten beim Neuzugang für das Streckennetz noch kleine Verbesserungsmöglichkeiten gesehen – eine zusätzliche Haltestelle bei Obi wäre wünschenswert gewesen. Was wirklich fehle, sei eine Haltestelle an der Weststadthalle. Einer vorzeitigen Überprüfung erteilte Wüstner für die Grünen eine Absage. Eine Buslinie brauche Zeit, bis sie von den Bürgern angenommen werde. „Sie pflanzen ja auch keine Blumen und reißen sie nach kurzer Zeit heraus, um zu schauen, ob sie angewachsen sind.“ Es gebe kein vernünftiges Argument gegen die Linie.
Ähnlich argumentierte SPD-Fraktionschef Jürgen Kaltwasser. In den vergangenen Jahrzehnten habe der ÖPNV in Bensheim eher ein Schattendasein gefristet. Die Sozialdemokraten hätten sich mit Nachdruck für einen Ausbau eingesetzt. „Wir brauchen Buslinien, die bequem, sicher und preiswert betrieben werden.“ Die baldige Einführung einer „Nullwabe“ mit reduzierten VRN-Tarifen sah Kaltwasser als nächsten Schritt an.
Die Vorlage aus dem Rathaus sei ein großer Schritt in die richtige Richtung, auch weil sie neben der neuen Linie ein Gesamtkonzept mit Verbesserungen für das gesamte Netz beinhaltet. Der Bus entlang des Berliner Rings schließe eine Lücke.
FDP-Fraktionschef Thorsten Eschborn kritisierte, dass die Verwaltung nicht vor der Einrichtung der neuen Buslinie den Bedarf festgestellt habe. Nach Auskunft aus dem Rathaus könne aber frühestens in dreieinhalb Jahren seriös ermittelt werden, wie die Strecke angenommen wird. „Das wären circa 700 000 Euro bis dahin, die unter Umständen umsonst ausgegeben werden müssen.“
Die Ruftaxis hingegen seien besonders in der Pandemie besser genutzt worden. Anstelle nun verstärkt auf solche Angebote zu setzen, soll nun die neue Linie eingeführt werden. Diese werde aber laut Prognosen des VRN nur sehr wenig in Anspruch genommen. Bei den Ruftaxis würden Kosten nur bei tatsächlicher Inanspruchnahme anfallen, ein wirtschaftlicher Vorteil für die Stadt im Vergleich zum Bus.
Die Einrichtungen entlang des Berliner Rings seien ohnehin sehr gut an den Individualverkehr angebunden, „damit meine ich nicht nur das Auto, sondern auch das Fahrrad“. Die neue Buslinie sollte Geld einsparen und kein Geld verbrennen. Anhand der Prognosen in der Verwaltungsvorlage sei die Buslinie unwirtschaftlich.
Er wolle sich mit der Ablehnung nicht gegen den ÖPNV aussprechen. Dieser sei ein wichtiger Teil der Infrastruktur. Die Linie sollte auch eingerichtet werden, der Zeitpunkt komme nur zu früh. Besser sei es, die Entwicklung der Pandemie abzuwarten. Dann könne man sie immer noch initiieren. Gestützt wurden die Aussagen der Liberalen von Rolf Kahnt. Der Fraktionsvorsitzende von „Vernunft und Augenmaß“ (VuA) hielt eine zeitnahe Evaluation für durchaus möglich, das stürze niemanden in Depressionen. Wenn es um Geld und Laufzeiten gehe, müsse eine Überprüfung erfolgen. Eine Laufzeit bis 2028 halte er für viel zu lang. „Es müssen Zahlen vorgelegt werden, damit wir rechtzeitig entscheiden können“, so Kahnt. Er begrüße daher das Ansinnen der BfB.
Letztlich gab es bei der finalen Abstimmung eine große Mehrheit (nur FDP und VuA lehnten ab) für den neuen Stadtbus, der damit ab dem 12. Juni an den Start gehen kann – und damit das Ruftaxi in diesem Bereich ablöst.
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