Immobilien

Keine Auskunft zur Miete für das Bensheimer Rathaus

Die Mutter wohnt bei der Tochter zur Miete. Prinzipiell nichts Ungewöhnliches und für die Mitarbeiter der Bensheimer Stadtverwaltung seit Jahrzehnten Alltag.

Von 
Dirk Rosenberger
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Das Bensheimer Rathaus ist nicht nur ein imposantes Gebäude, es steht auch unter Denkmalschutz und befindet sich im Besitz der MEGB. Wie hoch die Mietzahlungen der Stadt sind, wollen die Vertragspartner nicht mitteilen. © Thomas Neu

Bensheim. Die Mutter wohnt bei der Tochter zur Miete. Prinzipiell nichts Ungewöhnliches und für die Mitarbeiter der Bensheimer Stadtverwaltung seit Jahrzehnten Alltag. Denn das Rathaus gehört bekanntlich der Marketing- und Entwicklungsgesellschaft Bensheim (MEGB). Die Bürgermeisterin ist damit – ebenso wie ihre Vorgänger – zumindest auf dem Papier nicht die Herrin im eigenen Haus. Was wiederum nicht dramatisch ist, solange der Vermieter nicht auf Eigenbedarf klagt. Davon ist allerdings nicht auszugehen.

Theoretisch denkbar ist jedoch eine Mieterhöhung, was mit Blick auf die galoppierenden Energiepreise keine Überraschung wäre. Warum sollte es der Verwaltung da besser gehen als Millionen Deutschen, die für ihre Unterkunft tiefer in die Tasche greifen müssen. Im Rathaus teilt man diese Befürchtung aktuell aber nicht. „Es gibt keine Erhöhung der Miete. Die monatlichen Mietzahlungen sind gleichbleibend und unabhängig von Nebenkosten. Erhöhte Nebenkosten resultieren aus gestiegenen Energiekosten, die der Vermieter an den Verbraucher, die Stadt Bensheim, weitergibt“, heißt es auf Nachfrage dazu aus dem Rathaus.

2014 war man auskunftsfreudiger

Bleibt die Frage, was die Stadt an die Tochtergesellschaft für die Vorzeige-Immobilie an der Kirchbergstraße überhaupt überweisen muss, schließlich handelt es sich ja um Steuergelder aus dem städtischen Haushalt. Das imposante Gebäude verfügt immerhin über eine Nutzfläche von 3339 Quadratmetern. Der Großteil der Verwaltungsmitarbeiter geht dort seinen Aufgaben nach. Das Außengelände mit kleiner Parkanlage bringt es auf 4700 Quadratmeter.

Eine diesbezügliche Anfrage zu den genauen Kosten bleibt unbeantwortet. Stattdessen wird um Verständnis gebeten, „dass wir zu den Mietkosten keine Auskunft erteilen“. Vor ein paar Jahren stellte sich die Situation noch anders da. 2014 flüchtete man sich nicht in die handelsüblichen Floskeln, sondern legte Zahlen auf den Tisch. 476 299 Euro wurde als jährliche Kaltmiete genannt. Ob seitdem (analog zum überhitzten Bensheimer Wohnungsmarkt) mehr für den denkmalgeschützten Komplex hingeblättert werden muss, wissen zunächst nur die Verantwortlichen im Rathaus und auf Seiten der MEGB.

Eine aktuelle Zahl findet sich immerhin im städtischen Haushaltsplan für dieses Jahr. Darauf wies die Verwaltung auch am Montag hin. Demnach verursacht das Rathaus Gesamtkosten von 736 110 Euro. Die Miete dürfte dabei den Großteil ausmachen.

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Die Marketing- und Entwicklungsgesellschaft hatte das Rathaus Ende der 1990er Jahre von der damaligen Bürgerhaus GmbH übernommen. Errichtet wurde der Komplex 1899/1900 nach Plänen des Mainzer Dombaumeisters Ludwig Becker. Im Auftrag des Bischöflichen Ordinariats entstand ein Neubau für das 1888 gegründete Konvikt.

Die Einrichtung musste bis dahin in einem beengten Wohnhaus an der Darmstädter Straße zurechtkommen. Wegen zu hoher Baukosten wurde das Ensemble erst zehn Jahre später verputzt und ausgeschmückt. Was zeigt, dass finanzielle Engpässe keine Spezialität der Neuzeit sind. 1939 wurde die Schule auf Druck der Nazis geschlossen und zu einem Lazarett umfunktioniert. Ein Jahrzehnt später richtete das Studienwerk für heimatvertriebene Schüler in den Räumlichkeiten das Schülerheim Sankt Bonifatius ein. Es bestand bis 1981, bevor das Jungeninternat aus Kostengründen vom Ordinariat geschlossen wurde.

Die Stadt kaufte das ehemalige Bischöfliche Konvikt, baute es um und ließ 1983 die Verwaltung einziehen. Dabei erhielt das Gebäude einen neuen Eingangsbereich mit einem zur Wilhelmstraße ausgerichteten Vorbau. Die Kapelle im rückwärtigen Bereich wird heute als Sitzungssaal genutzt, der Bürgermeister beziehungsweise die Bürgermeisterin hat ein Büro mit kleinem Konferenzraum im dritten Obergeschoss des vierstöckigen Hauses.

In den vergangenen Jahren musste immer mal wieder punktuell in die Immobilie investiert werden. Rathauschefin Christine Klein hatte nach ihrem Amtsantritt einen „dringenden Sanierungsbedarf“ sowie eine „digitale Modernisierung“ ausgemacht. Die Liste der Aufgaben sei lang, es gebe viele Baustellen, erläuterte sie im Frühjahr 2021. Sie kündigte eine Analyse an, es müsse in alle Richtungen gedacht werden. Auch ein neues Domizil für die Verwaltung wurde nicht ausgeschlossen.

Neubau war mal ein Thema

Wie eineinhalb Jahre später der Sachstand ist, lässt sich nicht sagen. Christine Klein sprach nach ihrem Amtsantritt davon, nicht erst in ein paar Jahren zu einer Lösung kommen zu wollen. Öffentlich hört man danach nicht mehr viel von diesem Thema. Aber vielleicht wurde hinter den Kulissen schon ordentlich analysiert und ein Ausweg aufgezeigt. Man darf jedenfalls gespannt sein, wie es mit dem Rathaus weitergeht.

Übrigens: Der Verwaltungssitz ist bekanntermaßen nicht die einzige prominente Bensheimer Immobilie, für die von der Stadt Miete gezahlt wird. Auch die Alte Faktorei, in der sich unter anderem das Bürgerbüro befindet, gehört der MEGB.

Und die Unterbringung der Stadtbücherei im Neumarkt-Center kostet ebenfalls. Der Begünstigte ist in diesem Fall aber nicht die städtische Tochtergesellschaft, sondern der jeweilige Eigentümer, aktuell die Blackrock Real Estate GmbH von Murat Karakaya. Er will dort – wie mehrfach berichtet – nach einem Teilabriss Wohnungen bauen. Platz für die Stadtbücherei wäre in den Planungen aber immer noch.

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