Bensheim. Kein zweiter hauptamtlicher Stadtrat, also auch kein Wahlvorbereitungsausschuss: Klingt einfach und ist es auch. Trotzdem musste sich der Haupt- und Finanzausschuss am Montagabend mit der Thematik befassen. Auf der Tagesordnung stand nämlich die Abstimmung über die Bildung des besagten Ausschusses, die mit großer Mehrheit (nur die Grünen waren dafür) abgelehnt wurde.
Anlass war der vorzeitige Abschied des bisherigen Stelleninhabers Adil Oyan (Grüne). Der hatte sich ein Jahr vor dem Ende seiner Amtszeit nach Groß-Gerau abgesetzt, um dort als Erster Kreisbeigeordneter seinen Dienst zu versehen. Genauer gesagt wurde er dort am 10. Oktober vom Kreistag offiziell gewählt (wir haben berichtet). Überraschend kam das nicht, zumal der 56-Jährige spätestens zum 30. November 2023 in Bensheim sowieso ohne Job im Rathaus gewesen wäre.
Die Koalition aus CDU, SPD und FDP hatte bekanntlich in ihrer Bündnisvereinbarung beschlossen, den Posten aus finanziellen Gründen einzusparen. In der Hauptsatzung der Stadt Bensheim steht aber nach wie vor, dass es – verkürzt formuliert – zwei hauptamtliche Stadträte zu geben hat, plus neun, die ehrenamtlich tätig sind.
„Wir sind daher ohne schuldhaftes Zögern gehalten, die Hessische Gemeindeordnung umzusetzen“, erklärte Markus Wetzel, Teamleiter Parlamentarisches Büro, im Ausschuss die Hintergründe der Beschlussvorlage. Die Verwaltung müsse sich an geltendes Recht halten, was in einer Koalitionsvereinbarung geschrieben steht, „hat keine bindende Wirkung für uns“.
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Auslöser für seine Einlassungen war ein Kommentar des SPD-Fraktionschefs Jürgen Kaltwasser. „Ich weiß nicht, was den Magistrat bewogen hat, dieses tote Pferd zu reiten.“ Die Koalition habe nach der Wahl von Oyan keine Möglichkeit gehabt, zu reagieren. Wetzel entgegnete darauf, dass die drei Fraktionen seit der Kommunalwahl 2021 eineinhalb Jahre Zeit gehabt hätten, die Hauptsatzung gemäß ihren Vorstellungen zu ändern.
Bei Moritz Müller (Grüne) lösten Kaltwassers Äußerungen leichtes Kopfschütteln aus. Die Koalition habe doch eine Mehrheit im Magistrat und Einfluss auf die Beschlüsse. Als man selbst in der Koalition gewesen sei, „haben unsere Magistratsmitglieder und die Fraktionsspitzen gewusst, was beschlossen wird“. Sich im Nachhinein zu wundern, sei schon komisch.
Der Fraktionschef betonte, dass es aus Sicht der Grünen notwendig sei, die Stelle wieder zu besetzen. Daher werde man für den Ausschuss stimmen und sich bei der Suche nach einem geeigneten Kandidaten oder einer geeigneten Kandidatin gerne einbringen. Als einen Beleg für die Notwendigkeit führte er an, dass Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung (CDU) bereits bei vorangegangenen Tagesordnungspunkten über die gestiegene Arbeitsbelastung geklagt habe. Zumindest habe er ihre Aussagen dahingehend interpretiert. Von der Ersten Stadträtin wurde dies aber umgehend zurückgewiesen.
Allein auf weiter Flur
Die Grünen waren mit ihrer Meinungen ohnehin allein auf weiter Flur. Rolf Tiemann (FWG) sprach sich ebenso wie Franz Apfel (BfB) für nur noch einen hauptamtlichen Stadtrat aus. „Die Koalition will den Posten aus Kostengründen einsparen. Wenn das so umgesetzt wird, unterstützen wir das“, meinte Apfel. Ob es tatsächlich so kommt, werde man bei den Haushaltsberatungen im Stellenplan sehen.
Was der BfB-Chef damit sagen wollte: Sollte die Bürgermeisterin den Abgang von Oyan mit der Schaffung neuer Stellen in der mittleren Führungsebene kompensieren wollen, gäbe es auch keine Einsparungen. Das wiederum ist allerdings ein Thema für die Etatdiskussionen, die nach der Einbringung des Zahlenwerks am 3. November starten.
Feridun Bahadori attestierte dem Magistrat, sich rechtskonform verhalten zu haben mit der Beschlussvorlage zum Vorbereitungsausschuss. Die HGO stehe schließlich vor der Koalitionsvereinbarung. Der CDU-Kommunalpolitiker kündigte zur Stadtverordnetenversammlung einen Antrag auf Änderung der Hauptsatzung an, der offenbar vom Bündnis und der FWG eingereicht werden wird.
Generell werde sich erst in Zukunft zeigen, ob sich die Veränderung im Stellenplan spiegelt. Bahadori ging am Montag jedoch davon aus, dass Bürgermeisterin und Erste Stadträtin alles so organisieren, dass es funktioniert.
Tobias Fischer (FDP) vertrat die Ansicht, die Koalition hätte erst nach der Wahl von Adil Oyan in Groß-Gerau bezüglich der Hauptsatzung handeln können. Dem widersprach Markus Wetzel. Die Hauptsatzung hätte längst angepasst werden können, die Änderung wäre dann nach dem Ende der Amtszeit des Grünen-Politikers in Kraft getreten.
„Rechtswidriger Zustand“
Was allerdings nicht geht: Die Hauptsatzung bis zur nächsten Kommunalwahl in vier Jahren unangetastet lassen und dennoch keinen zweiten Hauptamtlichen wählen. Das stellte der Leiter des Parlamentarischen Büros ebenfalls klar. „Das wäre ein rechtswidriger Zustand.“ Wetzel hatte sich zur Bestätigung seiner Einordnung auch Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände eingeholt, die seine Einschätzung teilen.
In der Praxis bedeutet das: Am 3. November wird aller Voraussicht nach die Hauptsatzung geändert. Die Bensheimer Rathausspitze besteht ab sofort und nach dem Beschluss in zehn Tagen rechtlich abgesichert mindestens bis nach der nächsten Kommunalwahl aus einem weiblichen Führungsduo.
Sollten sich die politischen Mehrheitsverhältnisse irgendwann ändern, könnte es genauso gut ein Comeback für den zweiten Stadtratsposten geben. Dafür braucht es nur einen erneuten Eingriff in die Hauptsatzung. Aber bis dahin muss Bensheim ganz andere Herausforderungen bewältigen.
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