Insolvenzverfahren

Im Bensheimer Pegasus gehen die Lichter aus

Das Insolvenzverfahren gegen die Betreiber des Varietés Pegasus in Bensheim wurde eröffnet - die Tage des Theaters sind gezählt. Das bestätigte Insolvenzverwalter Andreas Maurer auf Anfrage dieser Zeitung.

Von 
Gerlinde Scharf
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Das Insolvenzverfahren gegen die Betreiber des Varietés Pegasus in Bensheim wurde eröffnet – die Tage des Theaters sind gezählt. © Pegasus

Bensheim. Im Varieté-Theater Pegasus gehen die Lichter aus. Am Mittwoch dieser Woche, 17 Uhr, wurde das Insolvenzverfahren gegen die weit über die Region hinaus bekannte Kultureinrichtung und die Green Point Entertainment GmbH als Betreiberin offiziell eröffnet. Dies teilte Insolvenzverwalter Andreas Maurer von der Darmstädter Kanzlei Walter & Walter auf Anfrage dieser Zeitung mit.

Heike Grammbitter, die seit 2007 das Pegasus, das einzige Varieté zwischen Frankfurt und Stuttgart, mit großem Erfolg und jährlich zwei bis drei internationalen Shows geleitet hat - zunächst gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Thorsten Dewald bis zu dessen plötzlichem Tod - ist ab sofort keine Geschäftsführerin mehr. Das Sagen hat der Insolvenzverwalter.

Kein Nachfolger gefunden

In seinem nicht öffentlichen Gutachten hat der Anwalt die Gründe für ein Insolvenzverfahren bejaht. Ausschlaggebend waren Steuerforderungen des Finanzamtes Darmstadt an die GmbH aus den Jahren 2014 und 2015 in fünfstelliger Höhe. Ein Teil davon - so Maurer - sei allerdings noch strittig und bei Gericht anhängig.

Darüber hinaus sei es seit Eröffnung des Verfahrens bis zum heutigen Tag, auch aufgrund der schwierigen Nach-Corona-Lage, nicht gelungen, einen Nachfolger als Betreiber des Hauses zu finden.

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Ganz abschreiben wollte der Insolvenzverwalter die Zukunft des Bensheimer Varietés jedoch nicht und sieht ein kleines Licht am Ende des Tunnels. Derzeit befinde man sich in Verhandlungen mit einem Investor. Auch Grammbitter, mit der man nach wie vor in engem Kontakt stehe, sei darin eingebunden.

„Ich bin eine unbeugsame, starke Frau und kein Opfer. Ich habe keine Angst, sondern Zivilcourage“, sagt Heike Grammbitter im Gespräch mit dieser Zeitung und fügt doch mit leicht brüchiger Stimme hinzu: „Ich hätte gern weiter gemacht, aber der Druck ist jetzt weg.“ Sie fühle sich insbesondere von der Stadt Bensheim, von Bürgermeisterin Christine Klein und Erster Stadträtin Nicole Rauber-Jung, „kulturell unverstanden.“ Man rede mehr über- als miteinander, bedauert die Powerfrau, die Verhandlungen auf Augenhöhe vermisst und stattdessen von Geringschätzung für die Varieté-Kultur spricht.

Hohe Betriebskosten

Die Pachtgebühren für die städtische Immobilie, die ehemalige Alte Gerberei, seien zwar gering, die monatlichen Betriebskosten aber extrem hoch. Frühere Wahlversprechen zur Beschaffung von Fördermitteln seien nicht eingehalten worden, so die ehemalige Geschäftsführerin. Die Schließung und fehlende Einnahmen während der Pandemie hätten das Pegasus wie viele andere Betriebe zudem hart getroffen: „Erst wenn etwas nicht mehr da ist, weiß man, was man gehabt hat.“ Unterstützung und Zuspruch habe das Variete Pegasus von politischer Seite lediglich vom früheren Landrat Matthias Wilkes - obendrein von Unternehmer Gernot Köhler und der GGEW in Person von Vorstand Carsten Hoffmann - erfahren.

Der GGEW AG sei es zu verdanken, dass das Internet nach dem vorläufigen Insolvenzverfahren im Herbst nicht abgestellt wurde und aus dem Pegasus weiter gestreamt werden konnte.

Auf der Straße, schriftlich und in sozialen Netzwerken hätten ebenfalls viele Menschen ihr Bedauern über das Aus der Kulturstätte, die Ben Köhler 1996 aufgebaut, die zwischenzeitlich von Thomas Richter und die letzten 16 Jahre von Grammbitter/Dewald geleitet wurde und Menschen aus ganz Deutschland, aus Österreich und der Schweiz nach Bensheim gebracht und die Gastronomie und Übernachtungsbetriebe unterstützt haben, ausgedrückt.

„Das hat mir gut getan, aber was fehlt ist Geld“, so die Geschäftsfrau, die sich für jede geflossene Kleinspende an den Förderverein „Kultur im Denkmal“ bedankt und ihr Unverständnis darüber ausdrückt, dass das Varieté-Theater selbst im Imagefilm der Stadt „nicht vorkommt“.

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Immer wieder betont die Ex-Varieté-Chefin, dass es ihr nicht um die eigene Person gehe, sondern um das Varieté als kulturelle, multifunktionale Einrichtung und generationsübergreifende Begegnungsstätte - auch für lokale und politische Veranstaltungen. Umso mehr bedaure sie, dass es ihr auf Grund der Insolvenz nicht möglich sei, alle ausgegebenen Gutscheine einzulösen.

Abschließend berichtet Grammbitter von einem Erlebnis in jüngster Zeit, das ihr bis heute nachgeht und die Tränen in die Augen treibt. In ihrem Privathaus, in dem sich zu diesem Zeitpunkt lediglich sie selbst und ihr Ehemann aufhielten, seien gegen 8 Uhr in der Früh zehn Zollbeamte „mit Schusswaffen“ und einem Durchsuchungsbefehl aufgetaucht.

Es sei um einen angeblichen Sozialversicherungsbetrug bei der Anstellung eines Mietkochs durch ihren früheren Geschäftspartner im Herrenhaus des Fürstenlagers gegangen. „Wir haben niemals betrogen und alle unsere Mitarbeiter, die wir in sechs Berufen ausgebildet und beschäftigt haben, ordentlich versichert“, bestätigt Grammbitter.

Freie Autorin Seit vielen Jahren "im Geschäft", zunächst als Redakteurin beim "Darmstädter Echo", dann als freie Mitarbeiterin beim Bergsträßer Anzeiger und Südhessen Morgen. Spezialgebiet: Gerichtsreportagen; ansonsten alles was in einer Lokalredaktion anfällt: Vereine, kulturelle Veranstaltungen, Porträts. Mich interessieren Menschen und wie sie "ticken", woher sie kommen, was sie erreiche haben - oder auch nicht-, wohin sie wollen, ihre Vorlieben, Erfolge, Misserfolge, Wünschte etc.

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