Varieté Pegasus

Bürgermeisterin weist Vorwürfe der ehemaligen Pegasus-Chefin zurück

Wie geht es nach dem nun eröffneten Insolvenzverfahren mit dem Varieté-Theater Pegasus in Bensheim weiter? Die Stadtverwaltung hat sich auf Anfrage zum Sachstand und den Vorwürfen in Richtung der Bürgermeisterin geäußert.

Von 
Dirk Rosenberger
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Das Insolvenzverfahren gegen die Betreiber des Varietés Pegasus in Bensheim wurde eröffnet – die Tage des Theaters sind gezählt. © Pegasus

Bensheim. Kultur ist besonders in Zeiten wie diesen immer auch ein Drahtseilakt - der manchmal auch schiefgehen kann. Dass im Varieté-Theater Pegasus die Lichter ausgehen könnten, hatte sich in den vergangenen Wochen angedeutet. Nun ist das Insolvenzverfahren (wie berichtet) gegen die Green Point Entertainment GmbH als Betreiberin eröffnet und die bisherige Geschäftsführerin Heike Grammbitter von ihren Aufgaben entbunden.

Wie ist mit der Spielstätte und damit mit der Alten Gerberei, die sich in städtischem Besitz befindet, weitergeht, steht aktuell in den Sternen. Insolvenzverwalter Andreas Maurer von der Darmstädter Kanzlei Walter & Walter erklärte vor wenigen Tagen im Gespräch mit dieser Zeitung, dass man in Verhandlungen mit einem Investor stünde.

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Im Rathaus weiß man davon zumindest nach offiziellen Angaben nichts. „Weder ein Investor noch Pläne sind bekannt. Für potenzielle Investoren aber gilt, dass über neue Verträge der Magistrat und die Stadtverordneten entscheiden sowie gegebenenfalls das Vergaberecht zu beachten ist“, erklärte die Pressestelle auf Nachfrage.

Keine rechtliche Auskunft

Die Stadt selbst zählt zu den Gläubigern, es stehen noch Rückzahlungen für Pacht- und Betriebskosten aus, heißt es. Über die Höhe der Außenstände könne aus rechtlichen Gründen jedoch keine Auskunft erteilt werden. Auch könne man nicht beurteilen, wie die Chancen stehen, überhaupt an Geld zu kommen. „Wir kennen weder die Forderungen anderer Gläubiger noch die Insolvenzmasse, deren Verteilung dem Insolvenzverwalter obliegt“, teilte Pressesprecher Asswin Zabel mit.

Besonders in den vergangenen Tagen gab es auch kritische Äußerungen von Heike Grammbitter an die Adresse von Bürgermeisterin Christine Klein. Von der Rathausspitze fühle sie sich „kulturell unverstanden“, Verhandlungen auf Augenhöhe habe sie ebenso vermisst wie eine Wertschätzung der Arbeit im Pegasus. Frühere Versprechen im Bürgermeisterwahlkampf 2020 zur Beschaffung von Fördermitteln seien nicht eingehalten worden.

Auf der Bühne des Varieté-Theaters Pegasus standen in den vergangenen Jahren nicht nur Künstler. Auch für städtische Veranstaltungen sowie ein Bürgermeisterwahl-Forum (unser Bild) im Jahr 2020 wurden die Räumlichkeiten genutzt. Wie es nach dem Insolvenzverfahren gegen die Betreiberin weitergeht, ist aktuell offen. © Dietmar Funck

Dem widerspricht die Bürgermeisterin auf Nachfrage. Die Vorwürfe seien für sie in keiner Weise nachvollziehbar und haltlos. Die Stadt habe die Green Point Entertainment GmbH in den vergangenen Jahren mehrfach finanziell unterstützt und sei ihr in vielen Punkten immer wieder entgegengekommen.

Darüber hinaus habe man aber keine Befugnis, Fördermittel für Unternehmen abzurufen. Bund und Land hätten unterschiedliche Förderprogramme während der Corona-Pandemie für Kultureinrichtungen aufgelegt.

„Green Point standen diese als Betreiberin des Pegasus - wie allen anderen Unternehmen auch - grundsätzlich zur Verfügung. Diese beantragen oder abrufen konnte allerdings nicht die Stadt, sondern musste durch Green Point selbst erfolgen. Unserer Kenntnis nach hat sie auch verschiedene Förderprogramme des Landes erfolgreich in Anspruch genommen“, so die Rathauschefin in ihrer Stellungnahme.

Zudem ist nach städtischen Angaben Geld aus der Bensheimer Corona-Förderung geflossen. In einer ersten Runde im Juli 2020 seien 3500 Euro bewilligt worden, in der dritten Runde (Sommer 2021) weitere 10400 Euro. Beim zweiten Aufruf im Winter 2020/21 habe Green Point keinen Antrag gestellt.

Im Zuge der kulturellen Förderung sei die Stadt der Betreiberin besonders mit dem Pachtzins entgegengekommen. Bei der Bewältigung der Pachtschulden habe man Kompromissbereitschaft gezeigt und einer Stundung zugestimmt.

„Um dem Insolvenzverwalter noch eine Chance einräumen, ein zugesagtes Sanierungskonzept vorzustellen, hat die Stadt von einer Kündigung bis zuletzt Abstand genommen. Doch trotz schriftlicher Erinnerung ist dieses Konzept nie vorgestellt worden.“
Christine Klein Bürgermeisterin der Stadt Bensheim

Unabhängig vom nun laufenden Insolvenzverfahren hatte die Stadtverordnetenversammlung Mitte Dezember 2020 beschlossen, einen Verkauf der Alten Gerberei sowie das Stadtkellers und des Gebäudes Rodensteinstraße 8 zu prüfen. Neue Erkenntnisse gibt es in diesem Fall jedoch nicht. Die Prüfaufträge befänden sich noch in Arbeit, hieß es dazu am Dienstag aus der Verwaltung. Die BfB-Fraktion sowie die Koalition aus CDU, SPD und FDP hatten die Prüfung bei den Haushaltsberatungen auf den Weg gebracht.

1873 als Rindenmagazin erbaut

Die Alte Gerberei kann auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken. Sie wurde 1873 als Rindenmagazin mit Gerberwerkstätte durch den Rotgerber Philipp Franz Müller gebaut. In einem Rindenmagazin wurden die angelieferten Baumrinden gelagert, die dann gemahlen für den Gerberprozess gebraucht wurden. Rotgerber verarbeiteten mit fein gemahlener Baumrinde, meistens Eiche oder Fichte, Tierhäute zu Leder. Mit Eichenlohe gegerbtes Leder ist rot bis braun, daher leitete sich die Berufsbezeichnung ab.

Die Gerberei an der Lauter wurde 1915 an die Großherzogliche Weinbaudomäne verkauft. Nach dem Ersten Weltkrieg ging sie in den Besitz der Verwaltung der Staatsweingüter, die das Gebäude jahrzehntelang als Wohnung und Weinlager nutzte. Viele Jahre wurde das beeindruckende Ensemble allerdings unter Wert genutzt, so diente es beispielsweise dem städtischen Weingut als Scheune.

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1996 erfüllte sich der damalige „Jardin“-Betreiber und Wirt, Willigis „Ben“ Köhler, seinen lange gehegten Traum von einem Varieté - es war die Geburtsstunde des Pegasus. Acht Jahre hielt er die Kulturstätte am Leben, bevor es finanziell keinen Sinn mehr machte. Danach hatte die Stadt nicht immer ein glückliches Händchen bei der Auswahl der Pächter für das Varieté samt Restaurant.

Anfang 2007 übernahmen Heike Grammbitter und der mittlerweile verstorbene Thorsten Dewald das Ruder und sorgten mit ihren Shows und einem abwechslungsreichen Angebot dafür, dass sich das Pegasus in der überregionalen Kulturszene einen Namen machte.

Wie nun das nächste Kapitel für das denkmalgeschützte Ensemble aussieht, dürfte eine der spannenderen Fragen in nächster Zeit sein - und das in einer Stadt, in der es an spannenden Fragen zur Stadtentwicklung meistens nicht mangelt.

Freier Autor

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