Woche junger Schauspieler

Hitler und Friedrich II. auf Wolke 7

Mit „Hitlers Ziege und die Hämorrhoiden des Königs“ startete das Theaterfestival

Von 
Mareike K. Albrecht
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Bensheim. Mitten auf der Bühne steht eine Ziege auf einer großen Drehscheibe. Hitler besingt unter Tränen seine geliebte Mutter und Friedrich hängt im Himmel Erinnerungen an vergangene Geliebte nach. Die Ziege beißt dem jungen Hitler in seiner braunen Lederhose in den überdimensionalen rosa Luftballon-Penis und verstümmelt seine Männlichkeit.

Die Geschichte mit der Ziege, ob Wahrheit oder Dichtung, inspirierte Rosa von Praunheim zu diesem skurrilen, grellen Stück zweier männlicher Diktatoren der deutschen Geschichte.

Hitler-Parodien gibt es in Hülle und Fülle, da fragt man sich: Was macht diese Inszenierung der Farce von Rosa von Praunheim durch das Theater Altenburg Gera so besonders? Von Praunheim sagt selbst, dass die Texte aus ihm heraus entstehen, spontan, sprunghaft, fragmentartig, mit einer gehörigen Portion sexueller Anspielungen und Perversionen. So lässt sich auch diese Inszenierung beschreiben: Wild, wirr, bunt und laut.

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Michaela Dazian in pinker Führeruniform und mit angeklebtem Bärtchen in der Rolle Hitlers und Antonia Marie Waßmund als Friedrich der Große scheinen diese Inszenierung Damian Popps von anderen abzuheben. Vielleicht ist es die sexualisierte Darstellung der beiden Hauptfiguren oder die weibliche Besetzung der Rollen, die der gesamten Dynamik zusätzliche Spannung verleiht.

Darstellungen mit sich selbst in Bezug auf ihre sexuellen Vorlieben, Andersartigkeiten oder mangelnde Männlichkeit auf die Schippe nehmender Männer gibt es bereits genug. Frauen, die sich über die Männerwelt und deren angeblichen Abgründe lustig machen, stellen einen besonderen Reiz dar. Die Schauspielerinnen lassen sich ohne Scham auf die Rollen ein und scheuen nicht die Interaktion mit dem Publikum, das auch Teil der Inszenierung wird. Sie wechseln mehrfach ihre Rollen, sprühen vor Spiellaune und brillieren mit schauspielerisch erstklassiger Mimik und Gestik. Das Publikum lässt sich gerne auf das Feuerwerk an Enthusiasmus und Situationskomik ein.

Aber zwischen all dem Klamauk und oftmals leichter Unterhaltung fallen auch dutzende Anspielungen auf Fragen der modernen Gesellschaft: Rassismus, Sexismus, toxische Männlichkeitsideale, pupsende Vegetarier und natürlich die AfD. Ein fiktiver Politiker namens „Vogelschiss“ feiert seine „Arschlöcher für Deutschland“-Partei.

Zwischen blendenden Lichteffekten, lauten Musikeinlagen, einer eher unzusammenhängenden Handlung ohne roten – oder besser gesagt rosa – Faden und gewagtem Humor, was die gesamte Aufmerksamkeit des Publikums erfordert, kann die Botschaft der Inszenierung schnell verloren gehen.

Eine extravagante Parodie, die man so nicht erwartet hätte.

Mareike K. Albrecht ist Schülerin des AKG und nimmt am Schulprojekt „Theaterkritik“ teil, von dem das Festival auch in diesem Jahr wieder begleitet wird.

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