Bensheim. Der heilige Josef mit dem Jesuskind über den Köpfen der Passanten gehört untrennbar zum Bensheimer Stadtbild. Seit bald drei Jahrhunderten prägt die rund 300 Kilogramm schwere Skulptur das südwestliche Marktplatzeck vom ersten Geschoss des Hauses Hauptstraße 48 aus.
Die Zeit hat die 1757 angebrachte, fein ausgearbeitete Figur aus gelbem Sandstein ohne große sichtbare Veränderungen überstanden. Sogar die ursprüngliche Blattgoldauflage der Kugel, des Palmzweigs und der Inschrift ist noch zum Teil erhalten. Doch wurden schon im vergangenen Jahr Schäden bemerkt, die eine sofortige Notsicherung erforderlich machten: Teile drohten herabzustürzen, etwa der Kopf des Kindes, Gliedmaßen und Gewandteile – sie wurden zunächst entfernt.
Ausgezeichnete Steinmetze aus Gernsheim
Bei der aktuellen Sanierung der Fassade des stadtbildprägenden Fachwerkhauses werden sie wieder angebracht und ergänzt. Nachdem die Maler und Zimmerleute ihre Arbeiten am Fachwerk abgeschlossen haben, widmen sich Hermann und Luca Freymadl als ausgewiesene Experten im Restaurieren von Steinmetz- und Bildhauerarbeiten ausschließlich der Figur. Ihr Betrieb in Gernsheim wurde unter anderem mit dem Hessischen Denkmalschutzpreis 2023 ausgezeichnet. Beide sind ausgebildete Steinmetze und Steinbildhauer. Der Vater arbeitet seit mehr als 39 Jahren als Meister in der Denkmalpflege, Sohn Luca setze seine Ausbildung an der Kölner Dombauhütte mit einer Ausbildung zum Europäischen Restaurator in der Baudenkmalpflege in Thiene bei Vicenza fort.
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Eines der Probleme der Bensheimer Josefsfigur besteht in den vielen Schichten nicht geeigneter, steinfarbener Anstriche. Hier kamen im Lauf der Jahrzehnte unterschiedliche Dispersionsfarben zum Einsatz, die zu Substanzverlust durch Verwitterung führten. Im Labor wurden nun diese Farbschichten analysiert, um die passenden Abbeizmittel zu ihrer Entfernung zu finden. Im Anschluss wird eine geeignete, wasserabweisende Lasur auf Kieselsolbasis aufgetragen, die für die nächsten zehn bis zwanzig Jahre halten sollte. Letztlich muss man aber etwa alle zehn Jahre den Zustand überprüfen, erklärt Hermann Freymadl. Die Verantwortung dafür liegt beim Eigentümer.
Um das Jahr 1500 von der Stadt Bensheim erbaut
Zwar wird die Qualität solcher Restaurierungsarbeiten vom Hessischen Landesamt für Denkmalpflege überwacht, das auch Empfehlungen für geeignete Handwerker ausspricht und zu Fördermöglichkeiten berät. Doch obliegt die Beauftragung der Arbeiten den jeweiligen Besitzern einer Immobilie, so auch im vorliegenden Fall, wo die Sanierung der Fassade in Absprache mit der Landesdenkmalpflege unter Leitung der Architektin Doris Gölz durchgeführt wird.
Das Haus in der Hauptstraße 48, genannt Haus Fleck nach dem Händler für „Colonialwaren und Südfrüchte“ Heinrich Fleck, der das Haus am Ende des 19. Jahrhunderts erworben hatte, wurde um das Jahr 1500 von der Stadt Bensheim als ein Gebäude zur öffentlichen Nutzung erbaut und wird zu den bedeutendsten spätgotischen Fachwerkhäusern in Südhessen gezählt. Ab 1714 verpachtete die Stadt das Gebäude an den italienischen Kaufmann Carlo Zetti, der hier mit seinem Geschäftspartner Josef Ferrari unter anderem mit Südfrüchten und Textilien handelte. 1748 kaufte Ferrari der Stadt dann das Gebäude ab, die damit im Österreichischen Erbfolgekrieg entstandene Schulden tilgte.
Figur des heiligen Josefs muss vor dem Absturz gesichert werden
Ferrari ließ 1757 an der Ecke des ersten Obergeschosses die noch heute gut sichtbare Sandsteinfigur eines heiligen Joseph anbringen. Bis heute sind mehrere Umbaumaßnahmen am Haus erfolgt – die letzte, das Bild bis heute prägende ab dem Jahr 1922 durch den Architekten Heinrich Metzendorf im Auftrag von Heinrich Fleck. Dabei wurde das massive Untergeschoss erneuert, das ursprünglich als Fleischschranne gedient hatte, also als öffentlich kontrollierter Markt der Metzger. Metzendorf ließ auch das zuvor verputzte Fachwerk in den oberen Stockwerken freilegen. Die Figur des heiligen Josefs blieb dabei erhalten.
Eine weitere große Aufgabe, die derzeit anliegt, ist die Sicherung der Figur und ihrer Teile vor dem Absturz. Dazu wurde auch ein Statiker zu Rate gezogen, der zu zusätzlichen Dübeln riet. Bislang ist die Figur nur an zwei Punkten befestigt – per Rundeisen im Rücken der Figur am Fachwerkbalken und mit einer geschmiedeten Konsole, die die Skulptur von unten stützt. Letztere dürfte aus der Zeit der Umbaumaßnahmen Metzendorfs stammen, zumal die viereckige Form der verwendeten Schraubenköpfe in diese Zeit weist: Erst seit den 1930er Jahren kamen sechseckige Schraubköpfe zum Einsatz.
Bis zum heiligen Josef in voller Pracht dauert es noch ein wenig
Die historischen Schrauben sieht man nur, wenn man oben auf dem derzeit aufgebauten Gerüst steht. Auch die fein ausgearbeiteten Details wie Fußzehen und Sandalenriemen sind nur von hier oben zu bewundern und waren – wie die Haare und der Hinterkopf der großen Figur – wohl von Anfang an letztlich unsichtbar bleibende Details. Bis der heilige Josef mit dem Kind wieder in voller Pracht zu sehen sein wird, werden noch ein paar Wochen ins Land gehen, schätzt Hermann Freymadl. Denn das hängt nicht nur von der Arbeit der Restauratoren ab, sondern auch von der Dauer der Freigaben für einzelne Arbeitsschritte und von der Zuarbeit weiterer Handwerker.
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