Auerbach. Kontinuität an der Spitze der Freien Wählergemeinschaft (FWG) Bensheim: Bei der Mitgliederversammlung am Dienstag wurde nahezu das gesamte Vorstandsteam einstimmig wiedergewählt. Vorsitzender bleibt Peter Leisemann, Schatzmeister Günter Horscht. Als Schriftführerin wurde Liane Frahs bestätigt. Pressesprecher ist Andreas Scharff. Nur im Amt des Zweiten Vorsitzenden gab es einen Wechsel, hier folgt Brigitte Hamer auf Jürgen Beck. Sie vertritt die FWG im Ortsbeirat Mitte. Kassenprüfer bleiben Alois Hillenbrand und Günther Müller-Falcke.
Die Mitgliederversammlung in der Gaststätte „Weiherhaus“ stand noch ganz unter dem Eindruck der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am Abend zuvor. Rolf Tiemann, Kopf einer dreiköpfigen Fraktion im Stadtparlament, kritisierte eine seiner Meinung nach nicht nachvollziehbare Investitionspolitik mit Ausgaben, die angesichts der desolaten Haushaltslage zum jetzigen Zeitpunkt nicht tragbar seien.
Sechs Poller für die Terrorsperren sollen 30 000 Euro kosten
Konkret nannte er die Anschaffung von sogenannten Terrorsperren, die im HFA mehrheitlich befürwortet wurden (siehe Seite 11). Tiemann hält die Pläne für deutlich überdimensioniert. Es gebe kostengünstigere Alternativen, um lokale Feste und andere Großveranstaltungen vor potenziellen Anschlägen zu sichern.
30 000 Euro sollen sechs solcher Poller kosten, um Events wie Winzerfest oder Weihnachtsmarkt künftig zusätzlich abzusichern. Sie sollen davor schützen, dass Fahrzeuge in die Menschenmassen gelenkt werden können. „Dem Bürger ist dieser Kostenaufwand nicht zu vermitteln“, so der Fraktionsvorsitzende, der sich ein „vernünftiges Konzept“ auf rationaler Grundlage wünscht, das an die Bensheimer Gegebenheiten angepasst ist. Kurzschlussreaktionen aus Angst vor Terror seien der falsche Weg.
Herstellung einer besseren Infrastruktur sei begrüßenswert aber zu kostspielig
Theoretisch könne man sich auch vorstellen, statt den 900 Kilogramm schweren und 1,20 Meter hohen Objekten auch durch mit Beton gefüllte, große Blumenkübel zu nutzen, die man in Bensheim ja zur Genüge auf Lager habe. Das war keineswegs humoristisch gemeint, denn am Ende komme es immer auf den Nutz- und Sicherheitswert an. Teure Spezialmodelle könne und dürfe sich die Stadt derzeit nicht leisten, so Rolf Tiemann, der auch gegen eine Aufwertung des Nibelungenbrunnens in der oberen Fußgängerzone votiert hatte.
Auch hier hatte der Ausschuss einen Sperrvermerk im Haushalt 2024 aufgehoben. Vorgesehen sind ein Kanal- und ein Trinkwasseranschluss sowie eine Stromversorgung über die GGEW AG. Die Kosten hierfür belaufen sich auf etwa 35 000 Euro. Tiemann hielt diese Maßnahme aktuell für nicht zwingend notwendig.
Die Herstellung einer besseren Infrastruktur sei grundsätzlich begrüßenswert, momentan aber zu kostspielig. Ob eine solche Maßnahme taugt, die Hauptstraße zu beleben, sei zudem fraglich. In den Reihen der FWG kommentierte man es als Skandal, dass gerade der Haupt- und Finanzausschuss diesen Punkten trotz Skepsis auch in anderen Fraktionen mehrheitlich zugestimmt hat.
Blick auf städtische Baustellen fällt pessimistisch aus
Auch der Blick auf die weiteren Baustellen fiel eher pessimistisch aus. Der Dalberger Hof bleibe ein Zuschussbetrieb, das einst als „Filetstück“ angepriesene ehemalige Hoffart-Gelände sei zu einem Ladenhüter verkommen – mehr als ein Wandgemälde sei dort nicht zu erkennen. Auch die Idee einer Zwischennutzung als „Urban Gardening“-Konzept sei leider geplatzt: die Kosten waren zu hoch, das Interesse der Bürger zu gering.
Nach dem Ideenwettbewerb zur Entwicklung des Marktplatzes sei an eine Realisierung der Pläne im Kontext des Haushalts wohl in den nächsten Jahren nicht zu denken, so Tiemann. Und auch die Hoffnungen zur Entwicklung des Millionengrabs Neumarktcenter durch einen neuen Investor hätten sich nicht erfüllt. Für das ehemalige Kaufhaus Krämer erhofft man sich eine profitable Nutzung ohne Zuschüsse der Stadt. Die MEGB müsse hier gezielt investieren, um der Immobilie eine Zukunft zu ermöglichen.
Auch die vom Magistrat vorgeschlagene Erhöhung der Grundsteuer B von derzeit 620 auf 1450 Prozent war ein Thema in der Sitzung. Alois Hillenbrand warnte vor einer derart großen Steigerung des Hebesatzes. Dadurch würden Hausbesitzer und Gewerbetreibende extrem belastet. Mit der Konsequenz, dass Unternehmen an Investitionen sparen würden, was sich wiederum negativ auf die Gewerbesteuereinnahmen auswirke. Mit einer Entscheidung wird in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung im Dezember gerechnet.
Rückblick skizzierte ein eher ruhiges Jahr 2023
Mit Blick auf die parlamentarische Situation wies Rolf Tiemann darauf hin, dass die FWG-Fraktion unter insgesamt 45 Stadtverordneten eigene Vorstellungen nur umsetzen könne, wenn man die nötigen Mehrheiten finde. Es gehe daher auch darum, andere Fraktionen mit Inhalten zu überzeugen. Die ursprüngliche Hoffnung der FWG auf eine sachlichere Bensheimer Stadtpolitik durch wechselnde Mehrheiten habe sich mit Bildung der Koalition aus CDU, SPD und FDP im Sommer 2022 leider nicht erfüllt.
Die FWG will sich frühzeitig auf die nächste Kommunalwahl im Frühjahr 2026 vorbereiten. Es gehe auch darum, jüngere Mitglieder zu finden und für eine Mitarbeit zu begeistern, so Rolf Tiemann. In seinem Rückblick skizzierte Peter Leisemann ein eher ruhiges Jahr 2023. Es sei bedauerlich, dass aus dem Rathaus keine effizienten Einsparmaßnahmen zur Konsolidierung des Haushalts formuliert würden. Eine Reduzierung von Ausgaben sei nicht zu erkennen. Das forciere die Politikverdrossenheit der Bürger und stärke die Parteien an den Rändern, sagte Leisemann, der sich in Bensheim transparentere Entscheidungen und eine höhere Berücksichtigung der bürgerschaftlichen Interessen wünschte. Kasse und Vorstand wurden einstimmig entlastet.
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