Partnerschaft für Demokratie

Förderprogramm in Bensheim füllt sich immer weiter mit Leben

Im Jugendzentrum stellten Vereine und Initiativen ihre Projekte für dieses Jahr vor

Von 
Anna Meister
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Im Jugendzentrum in Bensheim stellten Vereine und Initiativen ihre Projekte vor, die im Rahmen des Förderprogramms „Partnerschaft für Demokratie“ finanziell unterstützt werden. © Thomas Zelinger

Bensheim. Mit dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ bekommt das langjährige Engagement vieler Bensheimer Initiativen, Vereine und Aktiver Rückenwind. Das wurde bei einem Pressegespräch zur „Partnerschaft für Demokratie“, wie das Programm auf lokaler Ebene heißt, im Bensheimer Jugendzentrum deutlich: Neun Projekte der in der ersten Förderrunde insgesamt 17 eingegangenen Vorschläge wurden bereits bewilligt und stehen in den Startlöchern. Die anderen sollen bald folgen.

Vertreterinnen und Vertreter der geförderten Vereine und Aktionen nutzten die Gelegenheit, ihre Vorhaben vorzustellen – und erklärten, worum es ihnen geht: um Haltung zeigen, um Teilhabe ermöglichen, um Menschen zusammenzubringen und die Demokratie im Alltag lebendig zu halten. Für viele Beteiligte ist die Förderzusage mehr als finanzielle Unterstützung – sie ist auch Anerkennung für jahrelanges ehrenamtliches Wirken und eine Einladung, neue Ideen umzusetzen.

Ziel des Programms ist es, Demokratie zu fördern, Vielfalt zu gestalten und Extremismus vorzubeugen – insbesondere in Zeiten zunehmender rechtsextremer, rassistischer und antisemitischer Tendenzen. Die Stadtverordnetenversammlung entschied sich nach intensiven Debatten im Dezember 2024 mit großer Mehrheit für die Teilnahme. Bensheim erhält für das Jahr 2025 eine Förderzusage in Höhe von 140.000 Euro, davon 60.000 Euro für konkrete Projekte aus einem Jugend- und einem Aktionsfonds. Die Koordinierungs- und Fachstelle für das lokale Programm ist im Mehrgenerationenhaus des Caritasverbands Darmstadt in Bensheim angesiedelt. Eine halbe Personalstelle wird aus Fördermitteln finanziert, um die operative Umsetzung zu gewährleisten.

Seit einem Monat arbeitet Christine Schmitt in der Koordinierungsstelle. Beim Pressegespräch gab sie einen Einblick, wie sich das Programm immer weiter mit Leben füllt. Ende Mai haben die ersten neun eingereichten Projekte eine Förderzusage über insgesamt 12.440 Euro erhalten. „Wir freuen uns besonders darüber, wie viele Bewerbungen bei uns eingegangen sind. Alle Ideen bieten einen Querschnitt spannender, gesellschaftlich relevanter Aktionen, die sowohl Jugendliche als auch Erwachsene ansprechen“, sagte Schmitt. Speziell junge Menschen sollen ermutigt werden, sich aktiv einzubringen, statt wie üblich den „Alten“ den Vortritt lassen zu müssen.

Alle interessierten Bensheimerinnen und Bensheimer können sich in den kommenden Monaten auf ein breitgefächertes Angebot an Veranstaltungen rund um die Themen Demokratie, Zivilcourage, psychische Gesundheit oder die Aufarbeitung lokaler NS-Geschichte freuen. Auch neue digitale Formate werden durch die Förderung ermöglicht. Ein Überblick:

  • 20. Juni, 19 Uhr: Kurzfilm-Premiere „GANZ schön jüdisch“ in der Alten Feuerwache in Bensheim. An diesem Abend präsentieren die Schülerinnen und Schüler der Geschichtswerkstatt Geschwister Scholl nach fast zweijähriger Vorarbeit ihren dokumentarischen Kurzfilm „GANZ schön jüdisch. Auf den jüdischen Spuren von Kaufhaus Ganz in Bensheim“. Die Veranstaltung findet auf Einladung von Museumsleiter Dr. Jan Christoph Breitwieser in der Alten Feuerwache des Museums Bensheim (Zugang Platanenallee) statt. An die 25-minütige Filmvorführung schließt sich eine moderierte Gesprächsrunde an, in der es um die Bedeutung von Erinnerungskultur am Beispiel der Geschichte von Kaufhaus Ganz und um praktische Einblicke in die historische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit gehen soll. Gäste sind unter anderem Thilo Figaj (Vorsitzender des Heimat- und Kulturvereins Lorsch und Initiator der Dokumentation Landjudenschaft im Alten Schulhaus Lorsch) und Armin H. Flesch (freier Autor und Journalist), die beide bereits im Film als Experten befragt werden, außerdem Claudia Sosniak (Leiterin des Stadtarchivs Bensheim), die im Film Einblicke ins Archiv gewährt, sowie Nicole Rieskamp (Museumsverein Alsbach-Hähnlein), die uns im Film fachkundig über den jüdischen Friedhof in Alsbach führt. Weitere, ebenfalls im Film mitwirkende Experten bzw. Zeitzeugen sind Tatjana Steinbrenner (Geschäftsführende Gesellschafterin der Kaufhaus Ernst Ganz GmbH und Vizepräsidentin des Handelsverbandes Hessen e. V.), sowie Howard Wolf, der als Sohn der letzten jüdischen Kaufhausbesitzerin Else Schwabacher im September 2024 anlässlich der Stolpersteinverlegung für seine Familie aus den USA nach Bensheim angereist war. Zum Abschluss wird es noch eine kurze Ehrung für die beteiligten Schülerinnen und Schüler geben.
  • 27. Juni, 18.30 Uhr: Infoveranstaltung der Initiative: Vielfalt. Jetzt!: „Warum wählen Menschen Rechtsaußen?“: In der Veranstaltung im Café Klostergarten (Klostergasse 5a) beleuchtet die Autorin und Referentin Prof. Dr. Eva Walther von der Universität Trier (Leiterin der Abteilung Sozialpsychologie im Fachbereich Psychologie) folgende Fragen: Warum gewinnen die rechts-außen-Parteien immer mehr Zuspruch bei den Wählerinnen und Wählern? Sind es die Ängste vor Veränderungen und der Wunsch nach Stabilität in einer Zeit, in der Veränderungen inflationär sind und eine fortlaufende Neuausrichtung von Politik stattfindet? Ist es die Bedrohung des sozialen Status und die Angst, die wirtschaftliche Grundlage zum Leben zu verlieren? Auch der Frage, wie dieser Trend gestoppt werden könnte, soll auf den Grund gegangen werden.
  • 6. und 7. September: Workshop „Was hat Demokratie mit mir zu tun?“ mit dem Verein Fabian Salars Erbe. Zwei Tage lang (Uhrzeit folgt) können die Teilnehmenden dieses Workshops demokratische Entscheidungsprozesse hautnah miterleben - und zwar nach der Betzavta-Methode. Betzavta (hebräisch für „Miteinander“) ist ein Programm aus der israelischen Friedensbewegung und wurde 1995 vom Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) an der Universität München gemeinsam mit der Bertelsmann-Stiftung für den deutschsprachigen Raum adaptiert und evaluiert. Ziel des Projektes ist es, Demokratie erlebbar und erfahrbar zu machen sowie Toleranz, Konflikt- und Handlungskompetenz zu fördern. „Betzavta“ macht demokratische Entscheidungsfindung mit ihren Herausforderungen und Chancen erfahrbar. Die Besonderheit des Ansatzes besteht in der Annahme, dass Konflikte kreativ bearbeitet werden können, wenn die beteiligten Personen anerkennen, dass das gleiche Recht auf freie Entfaltung für alle Menschen gleichermaßen gilt. Diese Veranstaltung findet in den Räumlichkeiten von Fabian Salars Erbe in der Mittleren Hasengasse 13 statt.
  • 15. September: Buchvorstellung „Rechter Terror in Hessen - Geschichte, Akteure, Orte“ mit der Initiative: Vielfalt. Jetzt! Die Buchvorstellung bietet Gelegenheit, die Geschichte rechtsextremer Gruppen in Hessen und speziell in der Bergsträßer Region von 1945 bis in die Gegenwart zu vergegenwärtigen. Im Grenzbereich der drei Bundesländer Hessen, Baden Württemberg und Rheinland-Pfalz gelegen, war der Kreis Bergstraße seit der Jahrtausendwende in besonderer Weise von rechten Umtrieben betroffen. Die Veranstaltung verfolgt folgende Ziele: Aufklärung über die Gefahren des Rechtsextremismus sowie Kennenlernen und Offenlegung der Methoden, mit denen rechte Gruppierungen in Vergangenheit und Gegenwart ihre menschenverachtenden Vorstellungen unter die Menschen bringen. Die beiden Autoren des Buches, Sascha Schmitt und Yvonne Weyrauch, werden zu Gast sein. Uhrzeit und Veranstaltungsort werden noch bekanntgegeben.
  • 19. September: „Vielfaltsfest am Tag der Zivilcourage“ mit Fabian Salars Erbe im Musiktheater Rex: Dieses Projekt soll Kinder und Jugendliche in ihrem demokratischen Handeln stärken. Vorab werden zwei Wochen lang im Rahmen von Workshops und Aktionen an Bensheimer Schulen zu den Themen Zivilcourage, Mitbestimmung und Empowerment durchgeführt. Zum Abschluss organisieren die Akteurinnen und Akteure dann einen öffentlichen Aktionstag, bei dem junge Menschen ihre Perspektiven auf die Bühne bringen, durch Musik, Kunst, Reden oder Performances. Ziel ist es, ihnen Raum, Sichtbarkeit und Stimme zu geben und zugleich ein deutliches Zeichen gegen Adultismus zu setzen. Fachpublikum und Zivilgesellschaft sind eingeladen, gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen über echte Teilhabe und demokratische Verantwortung nachzudenken. Ein „Markt der Möglichkeiten“ lädt zum Kennenlernen und Vernetzen ein.
  • 30. Oktober: Lesung „Unter Verrückten sagt man du“ mit Autorin Lea de Gregorio im gemeindepsychiatrischen Zentrum der Caritas. Die Lesung soll dazu beitragen, die gesellschaftliche Teilhabe psychisch erkrankter Menschen zu stärken, ihre Rechte sichtbar zu machen und ihnen Räume für Austausch und gegenseitige Unterstützung zu bieten. Ziel ist es, das Bewusstsein für die Bedürfnisse dieser Menschen zu erhöhen und eine inklusive Gemeinschaft zu fördern. Die Uhrzeit wird noch bekanntgegeben.
  • 15. und 16. November: „Eine Welt der Vielfalt“, Workshop zu Diskriminierung, Privilegien und struktureller Ungleichbehandlung mit Fabian Salars Erbe. Das Programm „Eine Welt der Vielfalt“ ist eine Adaption des amerikanischen Programms „A world of Difference“, das 1985 von der Anti Defamation League in den USA entwickelt wurde. Das Programm thematisiert Vielfalt als Chance und zugleich Ursachen für Ungleichbehandlung und Unterdrückung. Entstanden ist das Programm als Reaktion auf die Bedrohung demokratischer Gesellschaftssysteme und Institutionen durch Diskriminierung und Vorurteile – und könnte damit nicht aktueller sein. Hauptanliegen des Programms ist es, den Teilnehmenden die Wege der Entstehung von Vorurteilen, Diskriminierung und Rassismus im jeweiligen gesellschaftlichen Kontext aufzuzeigen. Darüber hinaus unterscheidet sich das Programm von vielen anderen Programm dadurch, dass es auch strukturelle Formen von Diskriminierung bewusstmacht. Der Workshop findet in der Mittleren Hasengasse 13 statt, die Uhrzeiten werden noch bekanntgegeben.
  • „Portal der Möglichkeiten“ bietet Geflüchteten und Zugezogenen Anschluss und Überblick über Angebote von Vereinen: Mit dem Portal der Möglichkeiten entwickelt der Verein „Welcome to Bensheim“ eine digitale Informationsquelle, die primär Geflüchteten, aber auch Zugezogenen einen barrierearmen Zugang zu bestehenden ehrenamtlichen Angeboten und Vereinsaktivitäten in Bensheim ermöglicht. Ziel ist es, Teilhabe, Integration und demokratische Mitgestaltung im lokalen Raum zu fördern. Bisher fehlten für die Umsetzung die Mittel, die Förderung macht es nun möglich.

Neben diesen anstehenden Veranstaltungen hat außerdem bereits ein Klassenprojekt zu zivilcouragiertem Handeln im Alltag am Goethe-Gymnasium stattgefunden.

Wie sich die Partnerschaft organisiert

Organisatorisch liegt die Umsetzung bei drei zentralen Akteuren: Die Stadtverwaltung übernimmt als federführendes Amt die Koordination mit dem Bund, beantragt und verteilt die Fördermittel, ist Ansprechpartner für die Netzwerkarbeit und leitet das sogenannte Ämternetzwerk. Die Koordinierungs- und Fachstelle, angesiedelt beim Caritaszentrum und Mehrgenerationenhaus in Bensheim, begleitet zivilgesellschaftliche Projekte, prüft Anträge und berät Antragsteller. Sie wird aus Fördermitteln mit einer halben Stelle finanziert. Herzstück des Programms ist außerdem ein Jugendforum, das eigenständig von Jugendlichen organisiert und geleitet wird und ihnen echte Beteiligung ermöglicht.

Über die Vergabe der Fördermittel entscheidet ein geschäftsführendes Bündnis aus sechs Vertreter*innen zivilgesellschaftlicher Gruppen. Dieses Gremium entwickelt ein kommunales Handlungskonzept, bewertet Projektanträge und spricht Förderempfehlungen aus. Die Beteiligung der Stadtgesellschaft ist dabei breit: Schon zur Auftaktveranstaltung kamen über 40 Interessierte aus Schulen, Vereinen, Religionsgemeinschaften und Initiativen.

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Zu den ersten Mitgliedern des Bündnisses zählen unter anderem Vertreterinnen und Vertreter von Schulen, Religionsgemeinschaften, Kulturinitiativen und Vereinen wie „Welcome to Bensheim“ und „Fabian Salars Erbe“.

Info: Die Partnerschaft für Demokratie Bensheim ruft weiterhin zur Einreichung neuer Projektideen auf. Die Koordinierungs- und Fachstelle unterstützt Interessierte gerne bei der Antragstellung. Ansprechpartnerin: Christine Schmitt, Telefon: 06251/85425-152, E-Mail: kuf.bensheim@caritas-bergstrasse.de - gefördert werden unter anderem Workshops, Theateraufführungen, Konzerte, Lesungen, Ausstellungen und Demokratiefeste, die der politischen Bildung und der Stärkung zivilgesellschaftlicher Teilhabe dienen.

Weitere Termine der „Partnerschaft für Demokratie“: Am kommenden Mittwoch (11.) trifft sich das Jugendforum um 16 Uhr im JUZ. Interessierte können gerne dazukommen. Am 24. Juni um 19 Uhr findet im Caritas Zentrum eine Klausurtagung und ein Austausch mit Interessierten statt. Am 1. November ist eine Demokratie-Konferenz in Bensheim geplant - weitere Infos folgen.

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