Diskussion um Parteiverbot

„AfD versucht nicht nur im Landtag gezielt, politische Arbeit lahmzulegen“

„Omas gegen Rechts Bergstraße“ und Josefine Koebe tauschten sich über Pro- und Kontraargumente eines Verbots der Partei aus

Von 
Anna Meister
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Josefine Koebe im Gespräch mit Vertreterinnen und Unterstützern der Initiative „Omas gegen Rechts Bergstraße". © Thomas Zelinger

Bensheim. Die Debatte um ein mögliches Verbot der AfD hat Aufwind bekommen: Angesichts der Einstufung als „gesichert rechtsextrem“ durch den Verfassungsschutz fordern immer mehr Stimmen Konsequenzen. Die Initiative „Omas gegen Rechts Bergstraße“ begrüßt diesen Schritt. Nicht aus Kalkül, sondern aus Sorge um den Zustand der Demokratie. Gemeinsam mit SPD-Generalsekretärin und Landtagsabgeordneter Josefine Koebe diskutierten die „Omas“ das Für und Wider eines Parteiverbotsverfahrens.

„Wir haben die Radikalisierung in der Geschichte schon einmal durchlebt – wir wissen, wohin das führen kann“, stellte Sprecherin Traudel Billig klar. „Deshalb müssen wir heute laut sein, bevor es zu spät ist.“ Das deutsche Grundgesetz kenne das Prinzip der „wehrhaften Demokratie“. Es erlaubt das Verbot von Parteien, die aktiv darauf hinarbeiten, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen. „Im Fall der AfD sind die Hinweise zahlreich: Hetze gegen Minderheiten, das Infragestellen rechtsstaatlicher Prinzipien und ein zunehmender Schulterschluss mit extremistischen Kräften – verbal wie strukturell.“

„Wollen AfD-Wähler wirklich für immer Opfer sein?“

Ein Verbot würde nicht nur juristisch ein deutliches Signal setzen, sondern auch politisch und gesellschaftlich, finden die „Omas“: Die Demokratie ist nicht neutral gegenüber ihren Feinden. Sie darf nicht auf das Prinzip hoffen, dass sich alles durch Debatte lösen lässt – vor allem nicht, wenn eine Partei genau dieses System sabotiert. „Die AfD stilisiert sich als Opfer des Systems – als verfolgt, zensiert, angeblich mundtot gemacht. Diese Strategie verfängt, vor allem bei den eigenen Anhängern.“ Doch hier müssten folgende Fragen erlaubt sein: Wollen AfD-Wähler wirklich für immer Opfer sein? Wollen sie sich dauerhaft auf eine Position zurückziehen, in der sie sich beklagen, statt Verantwortung zu übernehmen? Oder ist das politische Ziel nicht vielmehr, konstruktiv mitzugestalten?

„Die Realität hat bereits gezeigt, dass dort, wo die AfD politische Verantwortung übernimmt, wenig von den großspurigen Versprechen übrigbleibt“, so Billig. Im thüringischen Sonneberg wurde 2023 erstmals ein AfD-Politiker Landrat. Die Bilanz nach einem Jahr sei ernüchternd: Zentrale Versprechen wurden nicht eingehalten, politische Gestaltung blieb aus. Und doch konnte die AfD bei der folgenden Kommunalwahl zulegen. Das zeigt: Der Mythos vom „Opfer“ ist offenbar stärker als die Bilanz politischer Verantwortung.

Aber wie kann endlich ein geeigneter Umgang mit dieser Partei gelingen? „Könnte es nicht eine Lösung sein, die AfD im politischen Betrieb einfach zu ignorieren, sie nicht mehr ernst zu nehmen und ihre Anfragen im Landtag ins Leere laufen zu lassen?“, fragte ein Mitglied der Initiative direkt an Josefine Koebe gerichtet. Doch wie sie berichtet, ist die Realität komplizierter. Die AfD reiche systematisch massenweise Anfragen ein – oft bewusst ohne Substanz. Damit lähme sie die Arbeit der Parlamente und blockiere Ressourcen. „Es geht der AfD nicht um Aufklärung oder Sachpolitik“, so Koebe, „sondern um Störung und Sabotage.“ Wer das einfach „durchlaufen“ lässt, läuft Gefahr, die demokratischen Institutionen auszuhöhlen – durch gezielte Überlastung und Verachtung parlamentarischer Arbeit. Dennoch sein „einfach ignorieren“ keine Lösung.

Alternativen zum Parteiverbot

Ein Parteiverbot ist rechtlich und politisch ein schwerer Eingriff – es sollte gut begründet, klar vorbereitet und mit breiter demokratischer Legitimation erfolgen. Kritikerinnen und Kritiker eines Verbots führten in Diskussionen häufig an, Extremismus müsse mit politischen Debatten, nicht durch Verbote bekämpft werden. Zudem könnte, ergänzte Koebe, die AfD sich durch diesen Schritt einmal mehr in ihrer Opferrolle bestätigt sehen. Auch die „Omas“ sehen die Gefahr, dass ein Verbot der AfD dazu führen kann, dass rechtsextreme Positionen zunehmend in weniger kontrollierbare Strukturen abwandern. Allein durch ein Parteiverbot verschwinde rechtes Gedankengut nicht aus der Gesellschaft.

Doch es gibt auch andere Wege, die Strahlkraft der AfD einzudämmen, wie sich bei dem Austausch in Bensheim herauskristallisierte:

So erlaube etwa Artikel 18 des Grundgesetzes, extremistischen Politikern unter bestimmten Voraussetzungen Grundrechte zu entziehen – darunter auch das passive Wahlrecht. Ein AfD-Beispiel dafür ist Björn Höcke. „Einzelpersonen die Wählbarkeit zu entziehen, wäre schneller möglich als ein Verbotsverfahren anzustreben und durchzusetzen. So müsste man in konkreten Fällen das verfassungswidrige Agieren einzelner Personen, nicht einer ganzen Partei, nachweisen“, erklärte Koebe.

Neben der Auseinandersetzung mit der AfD sei es darüber hinaus zentral, dass sich die übrigen Parteien stärker auf ihre inhaltliche Arbeit konzentrieren und klare Gegenentwürfe präsentieren, statt sich ständig an der AfD abzuarbeiten. „Die AfD lebt davon, den Takt vorzugeben – das lässt sich durch thematische Eigenständigkeit durchbrechen.“ Auch eine bessere Medienkompetenz und politische Bildung spielen eine zentrale Rolle im Kampf gegen Rechtsextremismus. An dieser Stelle hofft die Initiative in Bensheim auf ein neues Förderprogramm, das in diesem Jahr angelaufen ist: die Partnerschaft für Demokratie, angesiedelt im Mehrgenerationenhaus der Caritas.

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Die Stadt Bensheim erhält 2025 rund 140.000 Euro aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben“ zur Förderung lokaler Projekte im Rahmen der „Partnerschaft für Demokratie“. Ziel ist die Stärkung von Demokratie, Vielfalt und Extremismusprävention, insbesondere bei Jugendlichen. Die Caritas Bensheim übernimmt als strategischer Partner die Koordination. Gefördert werden sollen unter anderem Workshops, Ausstellungen, Theater, Schulprojekte und Demokratiefeste. Auch die „Omas“ bringen sich aktiv bei der Ausgestaltung der Projekte ein und sind fleißig am Planen.

Die Frage, ob ein Verbot der AfD der richtige Schritt wäre, ließ sich an diesem Tag nicht abschließend klären. Und dennoch würden die „Omas gegen Rechts“ die Prüfung des Verbots begrüßen: „Es geht um den Kern unseres demokratischen Zusammenlebens. Es geht um Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit, Vielfalt – und um die Frage, ob wir bereit sind, sie zu verteidigen.“ Ein Parteiverbot sei ein starkes Mittel – aber in dieser Lage auch ein legitimes. „Die Demokratie darf sich nicht ewig provozieren lassen, sondern muss klarmachen: Wer sie angreift, hat mit Widerstand zu rechnen – politisch, gesellschaftlich und notfalls auch juristisch“, schloss Billig.

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