Geschichte

Liebe, Trennung und Überleben im Schatten des Holocaust

In Zwingenberg schilderte Dena Rueb Romero eindrucksvoll das Leben ihrer Eltern – ein Zeugnis für Mut, Menschlichkeit und die Spätfolgen der NS-Verfolgung.

Von 
Michael Ränker
Lesedauer: 
Im Alten Amtsgericht erzählte Dena Rueb Romero auf Einladung des Arbeitskreises Zwingenberger Synagoge die bewegende Geschichte ihrer Familie. © Thomas Zelinger

Zwingenberg. Es ist die anrührende Geschichte zweier Liebender, die viele Widrigkeiten überstehen mussten, um ihre Partnerschaft endlich leben zu können – und zugleich ist die Schilderung des dramatischen Geschehens der Beleg dafür, dass die im „Dritten Reich“ von den Nazis verfolgten Menschen, denen die Flucht gelang, trotzdem noch um ihre Existenz fürchten mussten. In einem bewegenden Vortrag ließ Dena Rueb Romero am Dienstagabend im gut besuchten Saal des Alten Amtsgerichts das Publikum an der Lebensgeschichte ihrer Eltern teilhaben; Veranstalter war der Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge.

NS-Rassengesetze machten Zusammenleben unmöglich

Emil aus dem rheinhessischen Guntersblum und Elisabeth aus Worms hatten sich ineinander verliebt, doch die 1935 von den Nationalsozialisten erlassenen Nürnberger Rassegesetze machten ein Zusammenleben unmöglich: Er war Jude, sie Protestantin. Die Beziehung blieb aber nicht verborgen und man bedrohte Elisabeth damit, sie wegen „Rassenschande“ anzuzeigen; sie nahm deshalb eine Arbeitsstelle als Kindermädchen in England an. Und Emil, der sich mittlerweile zum Fotografen hatte ausbilden lassen, erhielt ein Visum zur Einreise in die USA.

Elisabeth floh nach England, Emil in die USA

Bei einem kurzen Zwischenaufenthalt in London im Jahr 1938 sahen sich die Verlobten Elisabeth und Emil zum letzten Mal vor einer langen Trennungszeit – erst acht Jahre später, im Februar 1946, erhielt Elisabeth ein Visum zur Einreise in die USA. Bis zu diesem Zeitpunkt gehörte sie als Deutsche zum Feind, musste aufwendig beweisen, dass sie – obwohl selbst in ihrer Heimat bedroht, nach England emigriert und zeitweise auf der britischen Isle of Man interniert – nie Nationalsozialistin war.

Emil indessen bewarb sich mehrfach als Fotograf, erhielt aber häufig Absagen oder lediglich kurzzeitige Anstellungen. Schließlich baute er sich unter äußerst schwierigen Bedingungen eine Existenz als Mitarbeiter, später dann als Teilhaber in einem Foto-Shop auf. Gleichzeitig kümmerte er sich stetig darum, seinen noch in Deutschland lebenden Eltern und anderen Verwandten die Emigration in die USA zu ermöglichen. Er versuchte, Bürgschaften für sie von amerikanischen Bürgern zu bekommen, aber auch Geld für ihre Überfahrt zu sammeln.

Hinzu kam seine große Sorge um seine Verlobte Elisabeth in England. Seine Bemühungen, für sie eine Ausreise in die USA zu erwirken, gestalteten sich mühsam und nervenaufreibend. Da er keine amerikanische Staatsangehörigkeit hatte, bestand auch immer die Gefahr, dass er als „feindlicher Deutscher“ festgesetzt werden konnte.

Heppenheim als zweite Heimat

Dena Rueb Romero schildert die Lebensgeschichte ihrer Eltern, die nach ihrem Wiedersehen in Hanover im US-Bundesstaat New Hampshire mit großer Anstrengung Fuß fassten, in ihrem Buch mit dem Titel „Eine Familiengeschichte über Liebe, Trennung und Verlust“, das im vergangenen Jahr erschienen ist. Bei Aufräumarbeiten im elterlichen Haus war sie auf eine Kiste mit Briefen ihrer jüdischen Großeltern sowie ihres Vaters gestoßen. „Und ich habe eine Idee davon bekommen, wie sie als Menschen waren und wie ihr Leben verlief.“

Das Interesse an der Geschichte ihrer Herkunftsfamilie war geweckt und die Recherchen begannen, die sie auch nach Guntersblum führten - ein Ort, der ihrem Vater bis zu seinem Tod stets Heimat blieb und den er immer wieder besuchte. Kontakte unterhält Dena Rueb Romero auch zu ihren Verwandten mütterlicherseits, die in Heppenheim leben. Die Bergsträßer Kreisstadt sei ihr durch Besuche als Kind bei ihren Großeltern „zur zweiten Heimat geworden“.

Der Kontakt zum Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge wiederum war im Jahr 2008 entstanden. Eine in Darmstadt lebende Tante hatte Dena Rueb Romero einen Zeitungsbericht in die USA geschickt, in dem über Fritz Kilthaus Veröffentlichung „Als die Synagogen brannten“ berichtet wurde. Der langjährige Vorsitzende des AK Synagoge und heutige Ehrenvorsitzende hatte damals über die „Reichspogromnacht“ an der Bergstraße recherchiert, und Frau Rueb Romero bestellte die Broschüre auf der Webseite des AK. So entstand eine Freundschaft und ein Austausch von Informationen und Materialien, der unter anderem auch zu den Kilthau-Veröffentlichungen über die jüdischen Bensheimer Familien Bauer und Rosenfelder führte.

„Ich fühle mich als Mensch“

Das Buch „Eine Familiengeschichte über Liebe, Trennung und Verlust“ von Dena Rueb Romero ist nicht wirklich eine (Liebes-)Geschichte mit „Happy End“: Vater Emil machte sich sein Leben lang Vorwürfe, dass er seine Eltern, seine schwangere Schwester und seinen Schwager nicht retten konnte - sie wurden im November 1941 von Frankfurt ins Vernichtungslager Minsk deportiert. Alle diese „dunklen Seiten“ der Familiengeschichte spielten im Zusammenleben von Dena und ihren Eltern allenfalls in Randbemerkungen eine Rolle: „Meine Eltern wollten mir eine unbeschwerte Kindheit bescheren.“

Mit der Lebensgeschichte ihrer Eltern Emil und Elisabeth habe Dena Rueb Romero aus der Perspektive der Nachgeborenen aufgezeichnet, welche Schwierigkeiten und Nöte emigrierte NS-Verfolgte durchmachen mussten, kam Ulrike Jaspers-Kühnhold, Vorsitzende des AK Synagoge, zu dem Schluss: „Dieses Buch ist ein Zeitzeugnis, das breite Beachtung verdient.“

Und die Autorin stellte am Dienstagabend in beeindruckender Weise klar, worauf es im Zusammenleben von Menschen wirklich ankommt: Von einer Zuhörerin danach befragt, ob für sie als Kind einer evangelischen Mutter und eines jüdischen Vaters denn das Judentum in ihrem Leben eine Rolle spiele, antwortet Frau Rueb Romero: „Ob ich mich jüdisch fühle, das kann ich nicht sagen – ich fühle mich als Mensch.“

Wer das Buch selbst lesen möchte: Dena Rueb Romero, „All for You – A World War II Family Memoir of Love, Separation and Loss“, She Writes Press 2024, ISBN 978-1-64742-654-5.

Freier Autor

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger

VG WORT Zählmarke