Bensheim

Es knirscht zwischen Bensheimer Rathaus und Kommunalpolitik

Von 
Dirk Rosenberger
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Bensheim erhält für die Aufwertung der Innenstadt 250 000 Euro aus dem Landesprogramm „Zukunft Innenstadt“. © Neu

250 000 Euro spendiert das Land aus dem Förderprogramm „Zukunft Innenstadt“ für das Bensheimer Zentrum. Wobei „spendieren“ leicht in die Irre führen kann, schließlich handelt es sich um Steuergeld. Unabhängig davon erhält das Stadtmarketing aber eine Viertelmillion, um fünf Projekte voranzutreiben.

Die sind mehr oder weniger hinlänglich bekannt: Bachlauf der Lauter als Erlebnisraum gestalten mit Pop-up-Gastronomie und einer „Lauterbar“, dynamisches Leerstands- und Flächenmanagement, attraktive, naturnahe Spiel- und Verweilräume für alle Generationen (Stichwort Perlenkette), eine Service-Offensive als Kontrapunkt zum anonymen Online-Einkauf und der Wochenmarkt, der mit einheitlichen Möbeln und Schirmen ausgestattet werden soll.

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Das klingt nach sinnvollen Investitionen, zumal unstrittig ist, dass es rund um die Fußgängerzone einiges gibt, in das man ein paar Euro stecken kann. Im Haupt- und Finanzausschuss ließ Bürgermeisterin Christine Klein nun wissen, dass die in der Bewerbung für das Programm skizzierten Vorhaben noch weiter ausgearbeitet werden. Hintergrund: Das Papier musste kurzfristig innerhalb von drei Wochen zusammengestellt und in Wiesbaden eingereicht werden, um rechtzeitig das Interesse zu bekunden. Wobei man trotz allem nicht davon sprechen kann, es sei mit heißer Nadel gestrickt worden.

Eigentlich reine Formsache

Im Ausschuss landete das Thema wegen einer Formsache. Damit das Geld aus der Landeshauptstadt Richtung Bergstraße fließt, bedarf es eines formalen Antrags. Dessen Bestandteil ist die Bestätigung der Stadt, dass unter anderem „die genannten Maßnahmen und Projekte“ dazu beitragen, die Ziele einer Strategie für die Innenstadt zu erreichen. Besagte Strategie samt Prioritätenliste musste zuvor erarbeitet werden.

Beschlossen werden muss das Gesamtpaket, um die Kleiderordnung zu wahren, von der Stadtverordnetenversammlung, die darüber am 11. November final befinden wird. Davor durfte aber der Haupt- und Finanzausschuss darüber abstimmen. Die Diskussion hatte dabei durchaus ihre Momente und zeigte, dass zwischen Kommunalpolitik und Verwaltung die Stimmungslage mittlerweile dem Gefrierpunkt näher ist als einem gemäßigten Sommerklima.

Dabei fing die Aussprache nahezu harmonisch an. Tobias Heinz (CDU) erkannte an, dass mit den Mitteln etwas Positives erreicht werden könne und lobte das Stadtmarketing, das sich „auf einem guten Weg befindet“. Allerdings habe er einige Anmerkungen zu den einzelnen Punkten, unter anderem beim Leerstandsmanagement. Da müsse die Stadt aktiver vorgehen und genauere Überlegungen anstellen. Die CDU werde sich gerne einbringen. Auch beim einheitlichen Design für den Wochenmarkt könne er sich nicht genau vorstellen, wie es aussehen soll. „Ich hoffe, es sieht danach schön aus.“

Mit der Hoffnung allein war es aber nicht getan. Der Fraktionsvorsitzende stellte einen Ergänzungsantrag, wonach vor der Umsetzung der Vorhaben aus dem Förderprogramm jeweils eine Projektvorlage zu erstellen ist, über die der Haupt- und Finanzausschuss abschließend entscheidet. Sprich: Ohne das Votum des Gremiums darf das Stadtmarketing nichts umsetzen.

Die Begeisterung bei Bürgermeisterin Christine Klein bewegte sich deshalb in überschaubaren Grenzen, vorsichtig formuliert. „Flexibilität ist für das Stadtmarketing besonders wichtig. Diese Flexibilität wird aber durch einen solchen Beschluss genommen.“ Man werde unter Umständen einiges nicht umsetzen können, wenn es erst durch den Ausschuss muss. Sie warb um Vertrauen in ihre Mitarbeiterinnen. „Wenn die Stadtverordnetenversammlung in Verwaltungshandeln eingreift, sind wir handlungsunfähig“, so Klein. Das Stadtmarketing bewege sich in einem vorgegebenen Rahmen mit festgelegtem Budget.

Zita Schaider von der Stabsstelle Stadtmarketing verdeutlichte, dass es um eine kurzfristige Belebung der Innenstadt gehe. Bei den Projekten habe man sich an der bestehenden Prioritätenliste orientiert. „Wir machen hier nichts Neues.“ Innerhalb von zwei Jahren müsste gemäß den Förderrichtlinien alles umgesetzt und abgerechnet sein, wies sie auf einen engen Zeitkorridor hin.

Die fünf aufgelisteten Punkte seien unter Einbeziehung der Einzelhändler und des Bürgernetzwerks in die Interessensbekundung für das Förderprogramm eingeflossen. Die Kaufleute seien froh gewesen, dass sie inhaltlich mitgenommen worden seien. Grundsätzlich werde vom Stadtmarketing Agilität in einem schwierigen Umfeld erwartet. „Wir müssen schnell agieren können, wenn wir gebraucht werden“, bemerkte Schaider. Dabei setze man immer auf Kooperation mit den Akteuren der Innenstadt.

Was zwischen den Zeilen durchklang, aber diplomatisch nicht ausgesprochen wurde: Jede Ehrenrunde durch den Ausschuss wirkt aus Verwaltungssicht wie ein Bremsklotz und verhindert womöglich, dass Ideen umgesetzt werden können.

Mit der Erklärung nicht zufrieden

Zufrieden gaben sich die Ausschussmitglieder mit der Erklärung nicht. Der Ausschuss könne kurzfristig einberufen werden und zu Sondersitzungen zusammenkommen, meinte Vorsitzender Werner Bauer (SPD). Franz Apfel waren die Erläuterungen in der Bewerbung ohnehin zu allgemein gehalten. „Ich will nicht nur über schöne Ideen lesen, es soll ja etwas passieren“, bemerkte der Fraktionsvorsitzende der BfB. Wenn man nachfrage, bekomme man keine Antworten. Deshalb sei es unerlässlich, dass der Ausschuss entscheidet.

Rolf Tiemann (FWG) warb hingegen um Vertrauen in die Mitarbeiter des Stadtmarketings. Es mache keinen Sinn, wenn der Ausschuss alles absegnet. Moritz Müller (Grüne) schlug erfolglos einen Kompromiss vor. Demnach sollte das Gremium nur informiert werden, aber nicht abschließend entscheiden. Sollte es der zeitliche Vorlauf erlauben und es Nachfragebedarf geben, könne man immer noch zusammenkommen. Tobias Heinz wünschte sich aber mehr Beteiligung durch die Bürgermeisterin und erläuterte beispielhaft, dass es nicht darum gehe, ob runde oder eckige Stühle angeschafft werden. Man müsse jedoch über die Grundsätze reden.

Geredet wurde auch noch in der Sitzung ausgiebig und zuweilen langatmig über die Art und Weise des Ergänzungsantrags, über Fahrradständer, die bei einzelnen Aktionen zu Bistrotischen umfunktioniert werden könnten (was bei den Grünen Bedenken hervorrief) und den städtischen Eigenanteil. Der beläuft sich alles in allem auf zehn bis 20 Prozent. Sprich: Wird das Volumen von 250 000 Euro tatsächlich ausgeschöpft, muss die Stadt selbst zwischen 25 000 und 50 000 Euro einbringen.

Das alles geriet aber ein wenig in den Hintergrund angesichts der atmosphärischen Störungen, die schon seit Monaten zwischen Rathaus und weiten Teilen der Kommunalpolitik vorherrschen. Trotz anderslautender Bekundungen besonders zu Beginn der Wahlperiode prägt mitunter viel Misstrauen die Kommunikation. Das daraus entstandene Konfliktpotenzial trägt kurz- und mittelfristig nicht dazu bei, konstruktiv das Beste für Bensheim herauszuholen. Denn der gemeinsame Strang, an dem im Optimalfall alle ziehen, dürfte aktuell eher ein dünner Faden sein. Wobei das für die größte Stadt im Kreis nichts Neues ist.

Freier Autor

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