Bensheim. Überrascht hat Finanzdezernent Adil Oyan (Grüne) nicht, was die Kommunalaufsicht mit Blick auf den Bensheimer Haushalt der nächsten Jahre festgestellt hat. „Das war erwartbar“, kommentiert der Stadtrat die Feststellungen der Aufsichtsbehörde im Zusammenhang mit der auflagenfreien Genehmigung des Haushalts 2021. Die wurde etwas mehr als zwei Monate vor Jahresende erteilt. Ein Grund zur Freude ist die Formalität aber nicht.
Denn die Aussichten sind alles andere als rosig, worauf die Heppenheimer Behörde ohne Umschweife hinweist. Bekanntlich wird der Etat in den nächsten drei Jahren weder große Sprünge noch kleine Hüpfer zulassen. Vielmehr gilt es, die zu erwartenenden Fehlbeträge in Grenzen zu halten. Im Haushaltskonsolidierungskonzept wird deshalb ab 2024 – wie berichtet – mit einer Erhöhung des Hebesatzes der Grundsteuer B von 480 auf 640 Prozent und der Gewerbesteuer von 375 auf 395 Prozent gerechnet.
Defizit summiert sich
„Damit können jedoch die neuen Fehlbedarfe der Jahre 2022 und 2023 von insgesamt 14,5 Millionen Euro nicht ausgeglichen werden“, konstatierte die Kommunalaufsicht. Sprich: Die Stadt häuft zu viel Miese an, da hilft es auch nicht, erst in zwei Jahren an der Steuerschraube zu drehen. Der Schritt komme zu spät – und wenn man es nicht schafft, anderweitig Ausgaben zu reduzieren, ist die Anhebung auch zu niedrig.
Unberücksichtigt bleibt dabei ohnehin die Position der Kommunalpolitik. Die Koalition aus CDU, SPD und FDP hat in ihrer Vereinbarung niedergeschrieben, die Hebesätze stabil halten zu wollen und: „Soweit sich die Möglichkeit ergibt, soll die Grundsteuer gesenkt werden“. Auch die Oppositionsfraktionen hatten im Sommer bekundet, Steuererhöhungen auf jeden Fall vermeiden zu wollen.
Wie das eingedenk der Haushaltslage und der unmissverständlichen Botschaft der Kommunalaufsicht in der Praxis funktionieren soll, wird spannend zu beobachten sein. Denn die Alternativen sind nicht weniger schmerzhaft. Freiwillige Leistungen, wie die Förderungen für Vereine, der Feuerwehren oder den Zuschuss für den Sicherheitsdienst beim Winzerfest oder das Integrationslotsenprogramm könnten theoretisch gestrichen werden. Gleiches gilt für die Kürzung des Zuschusses an den Eigenbetrieb Stadtkultur in Höhe von 2,6 Millionen Euro.
Der Finanzdezernent würde solche Maßnahmen allerdings nicht empfehlen. „Das bringt uns unterm Strich ein paar Punkte weniger bei der Hebesatzerhöhung der Steuern. Aber wir hätten eine große Diskussion in der Stadt für wenig Effekt losgetreten“, erklärte Oyan auf Anfrage dieser Zeitung.
Am Donnerstag (11.) wird er im Bürgerhaus in der Sitzung der Stadtverordneten den Haushaltsplanentwurf für 2022 einbringen. In die Karten schauen lässt sich der Stadtrat wenige Tage vor seinem Auftritt nicht. Mit Blick auf das Genehmigungsschreiben aus Heppenheim stellt sich vor allem die Frage, ob nicht 2022 schon die Steuererhöhungen ein Thema werden – oder ob sich Wege finden, durch Ausgabensenkungen die Untiefen zu umschiffen.
Wobei die Steuern nicht die einzigen von der Aufsichtsbehörde erteilten Hausaufgaben sind. Der Schuldenstand macht den Fachleuten ebenfalls zu schaffen. Die Pro-Kopf-Verschuldung einschließlich der Eigenbetriebe liegt zum 31. Dezember bei 1918 Euro (78,22 Millionen insgesamt). „Ein kritischer Wert“, so die Kommunalaufsicht, die eine Priorisierung der Investitionen anmahnt, um eine weitere Netto-Neuverschuldung zu vermeiden. Zudem sollten die Eigenbetriebe und städtischen Beteiligungen stärker in die Sanierung des Haushalts einbezogen werden.
Oder das Prinzip Hoffnung?
„Es war uns allen klar, dass es nicht gut aussieht. Das haben wir nun noch einmal von der Kommunalaufsicht deutlich vor Augen geführt bekommen“, fasste der Finanzdezernent zusammen.
Bensheim wäre demnach gut beraten, jeden Euro zweimal umzudrehen, bevor man ihn ausgibt. Oder auf das Prinzip Hoffnung umzuschwenken und darauf zu setzen, dass die Gewerbesteuerquellen wieder derart sprudeln, dass mehr Geld in die Kassen gespült wird als gedacht. Die Quartalsergebnisse von Sirona oder TE, über die in den vergangenen Tagen berichtet wurden, tragen immerhin nicht dazu bei, die Stimmung vollends zu ruinieren. Im Gegenteil. Nur sind mögliche Einnahmen einerseits schwierig zu kalkulieren, andererseits stellt es kein nachhaltiges Finanzwirtschaften dar, wenn man sich auf gut Glück von der Gewerbesteuer retten lassen muss. Wobei man damit ja durchaus Erfahrung hat.
Wie dem auch sei: Es stehen stürmische Zeiten ins Haus und man wird abwarten müssen, wie Kommunalpolitik und Rathausspitze, die sich alles andere als grün sind, einen Ausweg aus der delikaten Lage finden wollen, um Bensheim nicht für die nächsten Jahre komplett lahmzulegen. Oder wie die Argumentationslinie aussieht, wenn man merkt, dass es ohne Steuererhöhungen, über die sich kein Bensheimer freuen wird, doch nicht geht. Zum letzten Mal angehoben wurde die Grundsteuer zum 1. Januar 2015.
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