Bensheim. Advent, Advent, der Haushalt brennt? Ganz so schlimm ist es um die Bensheimer Finanzen zwar noch nicht bestellt. Aber perspektivisch (und das heißt spätestens für 2024) braucht es dennoch einen großen Feuerlöscher, um die monetären Brandherde einzudämmen. Ansonsten drohen weitere Steuererhöhungen – und die sind bei Kommunalpolitikern wie Rathausspitze naturgemäß so beliebt wie Oliver Bierhoff in einer Ultras-Fankurve. Von den Bürgern mal ganz zu schweigen.
Dieses Szenario wollen alle Beteiligten daher verhindern. Nur: Dafür muss ordentlich und nachhaltig gespart werden. Bislang keine Paradedisziplin in der größten Stadt des Kreises. Mindestens zwei Millionen Euro jährlich bräuchte es, um gute Argumente zu haben, Grund- und Gewerbesteuer unangetastet zu lassen. Bereits 2023 hätte man eigentlich an den Hebesätzen schrauben müssen.
Geholfen haben der Stadt (wie so oft) die extrem hohen Gewerbesteuereinnahmen und das gute Wirtschaften in den vergangenen Jahren. Doch die Rücklagen auf dem „Festgeldkonto“ schwinden. Ein weiteres Mal wird man sich voraussichtlich nicht darauf verlassen können, dass die Vergangenheit die nahe Zukunft rettet.
Vorläufige Verbesserung von knapp 1,3 Millionen
Am Montag saß nun der Haupt- und Finanzausschuss in seiner jährlichen Ganztagssitzung zusammen, um den Planentwurf 2023 durchzuarbeiten und über die Änderungsanträge der Fraktionen abzustimmen. Knapp neun Stunden (inklusive Pausen) setzte man sich für Bensheimer Verhältnisse harmonisch mit dem Zahlenwerk auseinander.
Am Ende stand unterm Strich eine vorläufige Verbesserung im Ergebnishaushalt von knapp 1,3 Millionen Euro, der Fehlbedarf beläuft sich „nur“ noch auf 6,56 Millionen Euro (vorher 7,85 Millionen). Eine weitere Annäherung an die Nulllinie ist nicht ausgeschlossen, weil die Auswirkungen von Beschlüssen zum Personal und der Schulkindbetreuung bislang nicht eingepreist werden konnten.
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Die Vorschläge der Fraktionen spiegelten wie immer die Bandbreite des hunderte Seiten starken Haushalts. Wobei Streichungen und Umschichtungen wenig überraschend das Bild prägten. Einige Beispiele:
Parktheater: Für die Kulturstätte wird es weder eine neue Bestuhlung noch neues Saalparkett geben. Grüne sowie die Koalition aus CDU, SPD und FDP hatten dies beantragt, das Votum erfolgte einstimmig. Gespart werden 350000 Euro. Der Pflasterbelag am Seiteneingang wird ebenfalls nicht erneuert. Dem Antrag der BfB folgte der Ausschuss einstimmig, das Dreier-Bündnis hatte den Punkt ebenso auf der Liste.
Schulkindbetreuung: Die Gebühren an der Schillerschule, der Carl-Orff-Schule und der Schlossbergschule (dort ist jeweils der Eigenbetrieb als Träger aktiv) sollen auf das Niveau des Pakts für den Nachmittag angehoben werden. Als Referenzgröße gilt die Joseph-Heckler-Schule. Zum 1. August würden sich, gemäß des Koalitionsantrags, die Gebühren von 120 auf 164 Euro sowie von 162 auf 184 Euro im Monat erhöhen. „Wir wollen mit der Schulkindbetreuung nicht ins gleiche Fahrwasser wie bei der Kinderbetreuung geraten“, begründete CDU-Fraktionschef Tobias Heinz. Eigenbetriebsleiter Armin Zeißler bestätigte, dass man durch eine Anhebung den Kostendeckungsgrad erhöhen könne. Während die Koalition und die FWG zustimmten, enthielten sich Grüne und BfB mit dem Hinweis auf Redebedarf in der Fraktion.
Unterschiedliche Meinungen bei zusätzlichen Kosten
Personal: Im Stellenplan wollte Bürgermeisterin Christine Klein auch unter dem Eindruck des politisch gewollten Abgangs von Stadtrat Adil Oyan Neueinstellungen vornehmen. Dem schob der Haupt- und Finanzausschuss mehrheitlich einen kleinen Riegel vor, jedoch ohne vollständig den Rotstift anzusetzen. Die geplante Trennung von Fachbereichs- und Teamleitung wurde wieder aufgehoben, Leitungsstellen tatsächlich gestrichen, dafür aber neue Sachbearbeiter genehmigt – um einen zehn Punkte fassenden Antrag der Koalition grob zusammenzufassen.
Unterschiedliche Meinungen herrschten aber innerhalb von CDU, SPD und FDP bei einem zusätzlichen Posten im sozialpädagogischen Bereich, der unter anderem für das Siegel „Kinderfreundliche Kommune“ und die Weiterverarbeitung der Jugendumfrage geschaffen werden sollte. CDU und FDP senkten den Daumen, die SPD wollte die Stelle erhalten, letztlich ohne Erfolg. Die BfB wollte generell keine Aufstockung der Mitarbeiterzahl. In der Abstimmung zum von der Koalition abgeänderten Stellenplan kam dies entsprechend zum Ausdruck. CDU, SPD, FDP und BfB waren dafür, Grüne und FWG enthielten sich.
Klimaschutz: 250 000 Euro hatte die Verwaltung für das Förderprogramm in den Haushalt gestellt. 200 000 Euro, um Bensheimer Bürger bei der Anschaffung von Photovoltaikanlagen und Stromspeichern zu unterstützen, 50 000 Euro für Vorhaben, die im Zusammenhang mit „Klimaanpassungsmaßnahmen“ stehen, erklärte Erster Stadträtin Nicole Rauber-Jung.
Die Grünen wollten den Ansatz auf 300 000 Euro erhöhen, um mehr Geld für den Ausbau der Solarenergie zur Verfügung stellen zu können. Die BfB wollte die Bereiche Begrünung und Entsiegelung im Förderprogramm berücksichtigt wissen. Und die Koalition verringerte mit ihrem Antrag den Betrag um 150 000 auf 100 000 Euro, die wie bereits in diesem Jahr für PV-Anlagen und Speicher verwendet werden müssen. Die Förderobergrenze wurde auf 500 Euro pro Maßnahme festgelegt.
Wünsche aus den Ortsbeiräten
Die 150 000 Euro aus dem Fördertopf sollen jedoch nicht gespart, sondern genutzt werden, um Photovoltaik-Module auf die Dächer von städtischen Immobilien zu bringen. Im Ausschuss wurde selbstredend ausgiebig über die Änderungsvorschläge diskutiert, besonders Grüne und BfB zeigten sich vom Ansinnen der Koalition wenig angetan.
Zumal zuvor schon Mittel für Umweltscouts (Thema Müllprävention) in Höhe von 15 000 Euro und die Obstbaum-Verlosung (5000 Euro) vom Bündnis gestrichen wurden. Während Grüne und BfB sich gegen die Verkleinerung des Fördertopfs aussprechen, votierten Koalition und FWG dagegen.
Stadtteile: Die berüchtigten Spendierhosen darf zurzeit zwar kein Stadtverordneter anhaben. Dennoch erfüllten die Fraktionen mit drei gemeinsamen Anträgen Wünsche aus den Ortsbeiräten. Die erhalten ab 2023 wieder jeweils 1000 Euro zur freien Verfügung für Projekte ihrer Wahl. Für dieses Jahr war die Unterstützung nach einem Mehrheitsbeschluss des Stadtparlaments im Dezember 2021 ausgeblieben – was vor Ort nicht mit enormem Verständnis quittiert wurde.
Außerdem erhält der Förderverein Hochstädten für das Hochstädten Haus und dessen Unterhalt künftig 6000 statt 1000 Euro im Jahr. Darüber hinaus wird der Gewerbekreis Auerbach bei der Vereinsförderung mit 2500 Euro für den Umbau der Auerbahn bedacht.
Abstimmung: Der Haushaltssatzung stimmten Koalition und FWG zu, die Grünen votierten dagegen, die BfB enthielt sich. Das Investitionsprogramm befürworteten CDU, FDP und SPD sowie die FWG, Grüne und BfB enthielten sich. Beim Haushaltssicherungskonzept gab es nur Enthaltungen, begründet wurde dies vornehmlich mit weiterem Beratungsbedarf bis zur Stadtverordnetenversammlung am 15. Dezember.
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