Rathaus

Abschied von Adil Oyan, einem Bensheimer "Sternenkrieger"

Adil Oyan war elf Jahre lang Stadtrat im Bensheimer Rathaus und hat die Stadt in vielen Bereichen geprägt. Jetzt wurde er offiziell verabschiedet. Seit Oktober ist er Erster Kreisbeigeordneter in Groß-Gerau.

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Dirk Rosenberger
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Möge die Macht mit dir sein: Der langjährige hauptamtliche Stadtrat und Finanzdezernent Adil Oyan wurde am Freitag im Rathaus unter anderem von Bürgermeisterin Christine Klein offiziell verabschiedet. © Thomas Neu

Bensheim. Der Jedi-Ritter Obi Wan Oyan hat den Hyperraum-Antrieb gezündet, um die dunkle Seite der Macht in die benachbarte Galaxie Groß-Gerau zu bringen. Sagte zumindest Ex-Fastnachter und Comedian Rolf Weihrich in seiner Laudatio für Adil Oyan, der am Freitagabend im Rathaus verabschiedet wurde. Anfang Oktober wechselte der frühere hauptamtliche Stadtrat bekanntlich als Erster Kreisbeigeordneter nach Groß-Gerau.

Der Grünen-Politiker ist bekennender Star-Wars-Fan. Von Bürgermeisterin Christine Klein bekam er daher auch, neben zwei Gutscheinen für Kochevents, eine Darth-Vader-Pappfigur in Lebensgröße mit seinem Konterfei überreicht. Ob sich der 56-Jährige aber tatsächlich auf der dunklen Seite der Macht verortet, darf stark bezweifelt werden.

Ansonsten wäre er wohl öfter mit aktiviertem Lichtschwert durch den Verwaltungssitz und die Kommunalpolitik gerast. Mal eben kurz den dunklen Lord der Sith raushängen lassen. Oder er hätte sich zum Abgang mit einer Rettungskapsel aus dem Todesstern (sprich Rathaus) geschossen, bevor der in Einzelteilen auf den nächstbesten Mond kracht. Aber das nur am Rande.

„Heute eine andere Stadt“

Die offizielle Zusammenkunft, eingeladen hatten die Rathauschefin sowie Stadtverordnetenvorsteherin Christine Deppert, diente der Würdigung von Oyans Leistungen in den vergangenen elf Jahren in einem Kreis geladener und vom Ex-Finanzdezernent persönlich ausgesuchter Gäste.

Deppert und Klein listeten dabei ebenso wie die Grünen-Fraktionschefin Doris Sterzelmaier die Aufgabenvielfalt und -fülle auf: Als Kämmerer, Umwelt- und Sozialdezernent mit weitreichenden Projekten wie dem Masterplan 100 Prozent Klimaschutz, Radverkehrskonzept, Stadtradeln, Klimaschutztag, die Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED – und der erfolgreiche Kampf um die Bensheimer Finanzen. Nicht zu vergessen sein Engagement während der Flüchtlingswelle 2015, in der er vor Ort als „Brückenbauer zwischen den Kulturen“ (Klein) auftrat.

Stimmen zum Abschied von Adil Oyan

Kreisbeigeordneter Philipp-Otto Vock: „Ich habe Adil Oyan als unheimlich aufgeschlossenen, kommunikativen und freundlichen Menschen kennengelernt. Ich wünsche Ihnen, dass Sie in Groß-Gerau hervorragende Rahmenbedingungen vorfinden. Bensheim hat sich in den vergangenen Jahren unglaublich positiv entwickelt. Behalten Sie ihre Tatkraft und Motivation.“ Aus Sicht des Kreises hoffte der Vertreter des Landrats, dass dies so weitergehe, denn der Kreis brauche solide und finanzstarke Kommunen.

SPD-Fraktionschef Jürgen Kaltwasser: „Es waren elf erfolgreiche Jahre von Adil Oyan im Rathaus. Bei veränderten Mehrheitsverhältnissen kommt es schon mal vor, dass man nicht wiedergewählt wird – das bringt die politische Farbenlehre mit sich. Insofern bitte ich um Verständnis, dass auch ich an der Entscheidung mitgewirkt habe, eine Wiederwahl nicht mehr in Aussicht zu stellen. Du hast hier viele positive Akzente gesetzt und Spuren hinterlassen.“

Rolf Kahnt, Vorsitzender der Fraktion Augenmaß und Vernunft: „Sie können auf eine erfolgreiche Arbeit in Bensheim zurückblicken. Sie sind eine integere Persönlichkeit, ein Mensch, der es verstanden hat, trotz aller Widerstände Kompromisse zu schließen und immer friedfertig zu sein. Sie waren nie verletzt und haben immer einen Dialog auf Augenhöhe geführt. Das ist bei Politikern manchmal etwas Seltenes. Wir werden Ihnen ein klein wenig nachtrauern.“

Elke Ritter, Vorsitzende des Personalrats: „Wir waren nicht immer einer Meinung. Aber wir haben uns gut eingespielt und gut zusammengearbeitet. Ich möchte Ihnen danken für die immer offene Tür und das Vertrauen. Sie hinterlassen eine Lücke, eine Lücke, die wir heute schon spüren, Sie fehlen.“

Stadtverordnetenvorsteherin Christine Deppert: „Adil Oyan steht für das bunte, offene und vielfältige Bensheim. Viele von uns werden noch lange den Spruch von ihm im Ohr haben: Kommen Sie rein, da können Sie rausschauen. Wir konnten gemeinsam lachen, wir konnten aber auch gemeinsam mit dir streiten. Am Ende konnten wir immer gemeinsame Lösungen finden. Ich hoffe, du behältst Bensheim in deinem Herzen.“

Grünen-Fraktionschefin Doris Sterzelmaier: „Mit deinem Weggang verliert Bensheim seinen Kämmerer und weiteren hauptamtlichen Stadtrat. Dies hinterlässt eine Lücke. Als Adil Oyan ins Bensheimer Rathaus einzog, brachte er neue Ideen mit. Vieles wird uns in Erinnerung bleiben und als Grüne hoffen wir, dass wir besonders das, was Du für den Klimaschutz angestoßen und erreicht hast, fortsetzen können. Wir Grüne lehnten die Streichung der Stelle des zweiten Stadtrats durch die Koalition ab. Eine Wiederwahl war aber ausgeschlossen. Du hast daher die Chance ergriffen und dich beruflich neu orientiert.“ dr

Bensheim ist heute eine andere Stadt als noch vor elf Jahren. Bensheim hat in diesem Zeitraum auf verschiedenen Feldern einen beachtlichen Wandel vollzogen“, betonte die Bürgermeisterin in ihrem Grußwort. Das sei natürlich nicht alles der Verdienst von Adil Oyan gewesen, so Klein. Er habe aber großen Anteil daran gehabt.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Entwicklung der größten Stadt im Kreis seit zwei, drei Jahren ähnlich gut verläuft wie die der Fußballnationalmannschaft. Allerdings ebenso weniger ein „Verdienst“ des neuen Ersten Kreisbeigeordneten.

Christine Klein hätte sich immerhin eine proaktivere Zusammenarbeit gewünscht, nachdem das Aus von Oyan feststand. „Ich weiß aber sehr wohl deine damit verbundene Enttäuschung und persönliche Belastung einzuschätzen, denn es wurde in der politischen Auseinandersetzung – unabhängig vom Wegfall der Stelle – sehr oft persönlich.“

Freundschaften geschlossen

Persönlich wurde es am Freitag im Rathaus ebenfalls mehrfach, allerdings im positiven Sinn. Überraschend kam das nicht. Einerseits liegt es in der Natur solcher Anlässe, andererseits hat der gebürtige Wiesbadener seit 2011 in Bensheim neue Freundschaften geschlossen. Vielfältige Interessen und Hobbys erleichterten die Integration des Wahl-Bayerns in Südhessen.

Als passionierter Taucher, Imker, Hobby-Fotograf und Freizeit-Koch ließ sich Anschluss auch außerhalb der vorgegebenen Politik-Pfade herstellen. Auch im Kollegen- und Mitarbeiterkreis zählte er nicht zwingend zu den Personen, deren Porträt man in die Mitte einer Dartscheibe klebt.

Seine Amtszeit war dennoch von Höhen und Tiefen geprägt, das Verhältnis zu den Grünen vor Ort und im Kreis war nicht immer herzlich und vertrauensvoll (vorsichtig formuliert). „Selbstverständlich habe ich auch Fehler gemacht“, bekannte Adil Oyan nach den vorangegangen Lobeshymnen. Sollte er jemanden in den vergangenen elf Jahren auf den Schlips getreten sein, „war es entweder Absicht oder nicht. Suchen Sie es sich aus“.

Scharmützel mit der Koalition

Kritik und Selbstbewusstsein, ummantelt mit einer Mischung aus gespielter Gleichgültigkeit und zum Sarkasmus neigendem Humor – damit durfte man bei Adil Oyan immer rechnen, besonders in den vergangenen beiden Jahren. Der Abnutzungskampf und die Scharmützel sowie Streitereien mit der Koalition erleichterten ihm letztlich den Abschied.

Es sei ihm durchaus bewusst gewesen, dass er als Wahlbeamter eine Stelle auf Zeit habe – und aufgrund der Mehrheitsverhältnisse nicht wiedergewählt worden wäre. „Was mich frustriert hat, war etwas anderes. Ich habe das Gefühl vermittelt bekommen, dass ich nicht gebraucht werde. Dass ich jetzt halt aber mal noch da bin, bis die Amtszeit endet. Das war eine schwierige Situation für mich.“

An Star Wars führte kein Weg vorbei: Adil und Ulrike Oyan bei der Funken-Fastnacht 2018. © Dietmar Funck

Deutlich wurde dies bei der Verabschiedung unter anderem, als er sich bei den anwesenden lokalen CDU-Größen Carmelo Torre und Markus Woißyk (beide nicht mehr im Stadtparlament) für die „Kämpfe mit harten Bandagen“ sowie die gute, sachliche Zusammenarbeit bedankte. „Ihr fehlt in der Stadtverordnetenversammlung. Aber ihr verpasst auch nichts.“

Letztlich war das berühmte Tischtuch ohnehin mehrfach zerschnitten, zuletzt trat die FDP in der jüngsten Stadtverordnetenversammlung erneut nach, indem sie die Stadtratsstelle („nur 39 Stunden in der Woche“) abqualifizierte. Das sollte mittlerweile aber Schnee von vorgestern sein, zumindest für alle, denen die Zukunft Bensheims am Herzen liegt. Vergangenheitsbewältigung hilft da nur bedingt weiter.

Neue Herausforderungen

Oyan selbst hat ohnehin andere Aufgaben vor der Brust. Groß-Gerau sei politisch, kulturell, ökologisch und ökonomisch betrachtet ein vielfältiger Landkreis. „Das ist eine Herausforderung, aber auch Motivation. Als das Angebot kam, war ich mir sicher, dass es passt.“ Dass der Abend nicht nur in ein routiniertes Abspulen von Grußworten und Glückwünschen abrutschte, war den Einlassungen des Protagonisten zu verdanken. Oder vielmehr den Dingen, die er nicht von sich gab, höchstens vage andeutete oder seinen „Überraschungsredner“ Rolf Weihrich referieren ließ.

Bevor sich der Familienvater nämlich seinen Schlussapplaus abholte, dankte er namentlich einigen Weggefährten, mit denen er beruflich und privat verbunden war und ist, darunter die Grünen-Kommunalpolitiker Doris Sterzelmaier und Thomas Götz (sonst aber niemandem aus der Fraktion), dem früheren Ersten Stadtrat Helmut Sachwitz (sonst aber niemandem aus dem aktuellen hauptamtlichen Magistrat), der Ehrenstadtverordnetenvorsteherin Carola Heimann, mit er bei gemeinsamen Fahrten in die Partnerstadt Hostinné einiges er- und überlebt habe.

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Der Leiter der Polizeistation Dirk von Hammel durfte sich ebenso über ein paar schöne Worte freuen wie der oberste Bensheimer „Showmaker“ und Agenturinhaber Harry Hegenbarth.

Ein großes Dankeschön ging an die Mitarbeiter im Rathaus. Er habe sich von Beginn an gut aufgenommen gefühlt, sich als Impulsgeber und Lernender verstanden, weil er als Verwaltungsneuling in Bensheim aufschlug. „Ich habe immer versucht, die Stimmung hochzuhalten, selbst wenn meine eigene Stimmung nicht immer hoch und gut war“, bekannte er.

Den offiziellen Part beschloss Allround-Humorist Rolf Weihrich. Er arbeitete sich in seiner ihm eigenen Art an der bewegten und umfassenden Vita von Adil Oyan ab, garniert mit persönlichen Einschätzungen. Beispiel: „Lieber einer, der viel taucht, als einer, der überhaupt nichts taugt.“

Pandemie und Wahlniederlage

Wobei es abseits der Unterhaltungseinlagen durchaus ernsthafter zuging. Weihrich würdigte Oyan als Freigeist mit hintergründigem Humor und gutem Musikgeschmack (Led Zeppelin, Frank Zappa), erinnerte an seine Fastnachtsverkleidungen im Star-Wars-Stil und einen Videodreh, bei dem er im Hochsommer als Chewbacca verkleidet vor dem Kino gegen Falschparker vorging.

Seine Wiederwahl 2017 und den Hessentag 2014 gehörten laut Weihrich zu den schönsten Momenten des Stadtrats in Bensheim. Interessant außerdem die Antwort, was ihn in den elf Jahren am meisten belastet hätte: die Corona-Krise und das Aus von Rolf Richter nach der verlorenen Stichwahl gegen Christine Klein. Kommentar vom Ex-Bürgermeister, als Weihrich ihm das übermittelte. „Da haben wir was gemeinsam.“

Unterm Strich ein stimmiger Abschluss einer Zeit, die sich markant in die Biografie von Adil Oyan eingebrannt, aber ebenso die Stadtgeschichte um einige Kapitel bereichert hat. „Wir Bensheimer wissen, was wir an der dir hatten. Adieu, Obi Wan“, führte Rolf Weihrich aus. Dem ist nichts hinzuzufügen.

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