Kommunalpolitik

Bensheimer Bauausschuss mit harmonischen 90 Minuten

Von 
Dirk Rosenberger
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Bensheim. Der Bensheimer Bauausschuss hat sich nicht an den Boykott-Aufrufen für die Fußball-WM in Katar beteiligt – wobei es mit Blick auf die deutsche Begegnung am Donnerstagabend auch kein Fehler gewesen wäre, den Fernseher auszulassen. Das Fachgremium beendete seine Sitzung allerdings trotz umfangreicher Tagesordnung rechtzeitig um kurz vor 19.30 Uhr.

„Ich finde, dafür könnten sich die Fußballfans auch mal bedanken“, meinte Ausschussvorsitzender Thomas Götz (Grüne) mit einem leichten Lächeln zum Abschied. In den knapp 90 Minuten davor war es ebenfalls durchaus harmonisch zur Sache gegangen.

Auf den Weg gebracht wurden einige Projekte mit Einfluss auf die Stadtentwicklung. Einzige Ausnahme: der städtebauliche Vertrag und der Satzungsbeschluss für das Bauvorhaben am alten Stellwerk entlang der Bahnlinie an der Dammstraße.

Das Vorhaben ist hinlänglich bekannt und kommunalpolitisch durchdiskutiert. 30 Wohnungen sollen auf schwierigem Terrain entstehen. Kritik gab und gibt es von den Grünen und der BfB, einerseits wegen der Dimensionen der Bebauung, dem hohen Lärmpegel durch die Züge sowie dem weitgehenden Verzicht auf die Infrastrukturabgabe für die Schaffung von Kita-Plätzen, weil mit Ausnahme von zwei Wohnungen keine Kinderzimmer geplant werden dürfen (wir haben ausführlich berichtet).

Um Kinderzimmer und Grundrisse ging es auch am Donnerstag kurz, bevor es bei der Abstimmung zu einem Patt kam. Die Vertreter von BfB und Grünen lehnten die beiden Vorlagen ebenso ab wie Rudolf Volprecht (CDU). Zwar stimmte die FWG mit der SPD und den verbliebenen CDU-Mitgliedern. Weil von der FDP jedoch niemand teilnehmen konnte, reichte es nicht für eine Mehrheit.

Auswirkungen hat das Ergebnis aber nicht. Man darf davon ausgehen, dass die Stadtverordnetenversammlung den städtebaulichen Vertrag und den Satzungsbeschluss verabschieden wird. Davon abgesehen gab es kaum strittige Punkte in der Sitzung. Ein Überblick:

Alte Schule: Das Gebäude in Hochstädten, in dem sich der Kindergarten befindet, muss saniert und für die Kita erweitert werden. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 2,6 Millionen Euro, ein Großteil der Ausgaben findet sich im Wirtschaftsplan des Eigenbetriebs Kinderbetreuung wieder. Wenn es aus städtischer Sicht gut läuft, gibt es Fördermittel (maximal 825 000 Euro). Der Bauausschuss sprach sich einstimmig für die Arbeiten aus.

Fördermittel vom Land

Parktheater: Neben der Weststadthalle soll auch die Bensheimer Vorzeige-Kulturstätte eine LED-Beleuchtung erhalten – sowie eine Photovoltaikanlage. Kostenpunkt: 542 000 Euro, einschließlich eines Puffers für zu erwartende Preissteigerungen von 35 000 Euro. Die Solarzellen müssen auch deshalb aufs Dach, damit die Stadt Fördermittel für die LED-Umrüstung erhält. Wobei es in Zeiten wie diesen generell kein Fehler ist, über regenerative Stromerzeugung nachzudenken. Durch die Kombination der beiden Projekte gibt es rund 320 000 Euro aus Steuergeldern vom Land. Der entsprechende Bescheid wurde dem Rathaus schon zugestellt. Das Fachgremium votierte am Donnerstag einstimmig dafür. Die Umsetzung soll in der spielfreien Zeit des Parktheaters im Sommer 2023 erfolgen.

Fabrikstraße: Zwischen Fachmarktzentrum und Sirona-Unterführung möchte ein Investor auf dem Grünstreifen entlang der Bahn ein kleines Gewerbegebiet entstehen lassen. In der Vergangenheit führten die politischen Gremien dazu ausführliche Debatten, im Bauausschuss wiederholte sich dies nun nicht mehr. Lediglich Norbert Koller (BfB) begründete die Ablehnung seiner Wählergemeinschaft erneut unter anderem mit dem Verweis auf eine Verschärfung der seiner Ansicht nach ohnehin prekären Verkehrssituation. Für den städtebaulichen Vertrag mit dem Eigentümer, der AS Projektentwicklung GmbH, sowie dem Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan stimmte bis auf die BfB der gesamte Ausschuss.

Fehlheim: An der Rodauer Straße sollen drei Mehrfamilien- und sechs Reihenhäuser mit insgesamt 26 Wohnungen entstehen (wir haben berichtet). Die Verwaltung schlägt nun ein beschleunigtes Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans vor – was im Ortsbeirat wenig Freude und keine Zustimmung auslöste. Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung (CDU) konnte dieser Haltung wiederum wenig abgewinnen, weil ihrer Meinung nach durch die angedachte Variante keine Nachteile entstehen und der Ortsbeirat weiterhin eingebunden wird. Im Bauausschuss wurde die Vorlage ebenfalls kurz andiskutiert. Die Baudezernentin stellte dabei heraus, dass man weder auf Ausgleichsmaßnahmen noch eine Begrünung am Ortseingang verzichten werde. Das würde im Vertrag mit dem Investor entsprechend geregelt. Das einfache Verfahren ermögliche aber eine schnellere Umsetzung und bringe eine gewisse Arbeitserleichterung für die Verwaltung mit sich. Grüne und FWG haderten dennoch mit der Vorgehensweise und enthielten sich bei der Abstimmung, die ansonsten ein einstimmiges Votum hervorbrachte.

Mobilitätskonzept: Bensheim und der Verkehr – ein ständiges Problem sowie oftmals ein Ärgernis, und das bei Weitem nicht nur für Autofahrer, die im Stau stehen. Mit einer ganzheitlichen Planung will man in den nächsten Jahren Abhilfe schaffen und ein Modell mit Leitbildern für die Zukunft erstellen. Die Kostenschätzungen für dieses Mobilitätskonzept belaufen sich auf 250 000 bis 300 000 Euro, verteilt auf die nächsten vier Jahre. Wie der genaue Zeitplan aussieht, lässt sich nach Auskunft von Erster Stadträtin Rauber-Jung erst sagen, wenn ein Planungsbüro gefunden wurde. Stimmt die Stadtverordnetenversammlung ebenso wie der Bauausschuss zu, wird zeitnah europaweit ausgeschrieben. Fest steht, dass es eine breite Beteiligung der Bürger und der Interessensgruppen geben wird.

Tempo 30: Die Grünen wollen prüfen lassen, ob auf der B 3 zwischen Hochstraße und Ritterplatz und weiter vom Ritterplatz bis zur Wormser Straße Tempo 30 aus Lärmschutzgründen angeordnet werden kann. Nicole Rauber-Jung erklärte, dass die Stadt nicht zuständig sei, sondern der Kreis, weil es sich um eine Bundesstraße handelt. „Wir haben da keine Handhabe.“ Allerdings sei der Kreis schon wegen der Erkenntnisse aus dem Lärmaktionsplan am prüfen, das Ergebnis stehe jedoch noch aus. Feridun Bahadori (CDU) regte an, sich nur auf die Nachstunden zu konzentrieren, letztlich einigte man sich darauf, Tag und Nacht differenziert betrachten zu wollen. Rauber-Jung soll die Anregung des Bauausschusses an den Kreis weiterleiten. Ralph Stühling (SPD) und Peter Leisemann (FWG) enthielten sich bei der Abstimmung.

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