Mitnichten schon immer, sondern erst seit dem vergangenen Jahr steht mitten im Weinberg ein Altar. Schon lang allerdings kennen Spaziergänger den Bildstock am Blütenweg, wo dieser am Südhang des Hemsbergs entlangführt. Hier, auf dem Gelände des Weinguts Jäger, haben um 1952 Bensheimer Winzer einen von einem Rebengerüst umhegten Sandstein-Bildstock gestiftet. Oben schützt ihn ein kleines Satteldach mit Blechverkleidung, das an der Spitze die Tafeln mit den Ziffern der Zehn Gebote trägt.
Die Nische enthielt früher eine geschnitzte Figur des heiligen Urban, des Schutzpatrons der Küfer und Winzer. Heute sieht man hier im Alltag nur ein recht belanglos gemaltes Bildnis einer Muttergottes, die zwei Heiligen Rosenkränze übergibt. Einmal im Jahr aber steht hier wieder ein heiliger Urban. Denn auch wenn sich hier erst seit Kurzem ein Altar befindet, so ist es doch schon lang Tradition, einmal im Jahr, immer um den 25. Mai herum, hier im Weinberg eine katholische Messe zu feiern. Dann wird auch die Figur des Urban mit ins Freie genommen und in der Nische aufgestellt. Die Tradition der Freiluftmesse will auch Pfarrer Christian Stamm, seit August 2021 Nachfolger von Pfarrer Thomas Catta, weiterführen. Schon seit einigen Jahren jedoch nicht mehr praktiziert wird die Bittprozession vor Christi Himmelfahrt, die ebenfalls zu dem Bildstock führte.
Aus der Schönberger Kirche
Für die Feier der Messe jedenfalls sind mit dem massiven Sandsteinaltar nun gute Voraussetzungen gegeben. Er stammt aus der Schönberger katholischen Kirche Sankt Elisabeth. Die Kirche wurde angesichts rückgängiger Kirchensteuermittel und allgemein sinkender Besucherzahlen vor einigen Jahren profaniert und verkauft – allzu teuer wäre unter anderem auch die Sanierung von Rissen in den Wänden und einem sanierungsbedürftigen Dach geworden. Rund 60 Jahre war die Schönberger katholische Kirche genutzt worden, nachdem sie 1955/56 wegen der nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgten Zuwanderung von zahlreichen Flüchtlingen und Ausgebombten katholischer Konfession erbaut worden war.
Das Inventar der Kirche wurde aufgelöst und soweit möglich einer sinnvollen Nutzung zugeführt. Das meiste, etwa die Kirchenbänke und der Tabernakel, wurde nach Kroatien gestiftet. Die einst von dem in Schönberg lebenden Künstler Heinz Soell gestifteten Kreuzwegtafeln blieben im Stadtteil.
Der Altar wurde mit Hilfe eines Steinmetzes aus der Kirche entfernt und in den Weinberg verbracht. Die im Altar enthaltenen Reliquien allerdings wurden entnommen und nach Mainz übergeben, wo das Bistum seinen Sitz hat. Im Übrigen blieb der Altarstein unverändert, sogar die elektrischen Steckdosen sind noch vorhanden – aber natürlich nicht angeschlossen.
Damit aus dem Altarstein kein Stein des Anstoßes wird, hat sich die Kirche mit Heinrich Hillenbrand vom Weinbauverband und der für die künftige Flurbereinigung zuständigen Behörde abgesprochen: Von den geplanten Maßnahmen ist der Standort nicht betroffen.
Ein weiterer Bildstock steht übrigens unweit der hier besprochenen Stelle, am Wolfsmagenweg, der den Altengaßweg in die Weinberge hinein verlängert. Der vierkantige Schaft aus Sandstein trägt die Inschrift: „Errichtet von Joseph Mohr 1847.“ Und auf der anderen Seite: „Renov. vom BauernVerein 1910.“ und „Renoviert von Bensheimer Winzern 1967“. In der vergitterten Nische befindet sich eine Marienbüste. Früher jedoch soll hier die Figur des Guten Hirten gewesen sein und der Standort an der Wormser Straße.
Auch im Jahr 2022, so ist es geplant, wird es im Weinberg einen Gottesdienst unter freiem Himmel geben.
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