Weinbau

Schriesheim und Heppenheim rücken beim Wein enger zusammen

Von 
Tritsch
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Die Winzergenossenschaften aus Heppenheim und Schriesheim setzen auf Zusammenarbeit. Gestern berichteten Vertreter beider Seiten in Heppenheim über den Sachstand (von links) Winfried Krämer, Manuel Bretschi (beide Schriesheim), Patrick Staub, Reinhard Antes und Bernhard Boppel (alle Heppenheim). © Thomas Neu

Bergstraße. Als Weinregion ist die Bergstraße seit 1971 geteilt – in das offizielle Anbaugebiet Hessische Bergstraße im Norden und den südlichen Teilbereich Bergstraße, der seither zu Baden gehört. Und so mancher – hüben wie drüben – träumt von einer Wiedervereinigung über politische Landesgrenzen hinweg. Eine Vision, die in weiter Ferne scheint. Im Kleinen zeichnet sich jetzt ein Prozess ab, der beide Teile der Bergstraße zumindest auf Vertriebsebene ein Stück enger zusammenbringen könnte: Die beiden Winzergenossenschaften in Heppenheim und Schriesheim wollen künftig intensiver zusammenarbeiten. Eine Annäherung, die möglicherweise zu einer Fusion führen kann.

Harmonische Sondierungen

Der Begriff ging den Verwaltungschefs beim gestrigen Pressegespräch im Heppenheimer „Viniversum“ allerdings noch schwer über die Lippen. Noch spricht man von einvernehmlichen Gesprächen und harmonischen Sondierungen seit Anfang des Jahres, die gezeigt hätten, dass durch eine optimierte Auslastung der vorhandenen Produktionskapazitäten und gemeinsame Vertriebsstrategien erhebliche Vorteile generiert werden könnten. Man kalkuliert mit deutlichen Kosten- und Energieeinsparungen, würden die beiden größten Bergsträßer Erzeuger gemeinsame Sache machen. Zum aktuellen Zeitpunkt sei eine Vielzahl an unterschiedlichen Kooperationsmodellen denkbar. Fix sei aber noch nichts.

Fest steht: am Ende entscheiden die Genossenschaftsmitglieder, ob und in welcher Qualität eine Zusammenarbeit stattfinden wird. Das betonten gestern die beiden Geschäftsführer Patrick Staub (Heppenheim) und sein Schriesheimer Kollege Manuel Bretschi, der erst seit einem halben Jahr in dieser Position ist. Für den 1930 gegründeten Betrieb wäre eine Orientierung nach Norden eine deutliche Zäsur. Denn seit der Spaltung der Weinregion Bergstraße in den frühen 70er Jahren werden die Weine im Badischen Winzerkeller (BWK) in Breisach ausgebaut, dem weitere 50 Winzergenossenschaften angehören.

Die Hessische und die Badische Bergstraße

  • Die Bergsträßer Winzergenossenschaft, die 1904 als Starkenburger Winzerverein formiert wurde, umfasst aktuell 353 Mitglieder, darunter 166 aktive, die zusammen etwa 253 Hektar Rebfläche bewirtschaften; darunter auch Lagen im badischen Teil wie etwa den Laudenbacher Sonnberg. Bei der Winzer eG spielt der Riesling mit einem Flächenanteil von rund 40 Prozent die Hauptrolle.
  • In der Winzergenossenschaft Schriesheim sind insgesamt 127 Hektar auf knapp 200 Weinbaubetriebe in Schriesheim und Nachbargemeinden wie Leutershausen, Großsachsen und Dossenheim verteilt. Der Spätburgunder macht hier etwa 22 Prozent aus. Die Rebsortenspiegel beider Betriebe sind vergleichbar.
  • Die Hessische Bergstraße endet südlich von Heppenheim. Dort beginnt die Badische Bergstraße, die sich bis fast nach Heidelberg fortsetzt. Die Lage Heidelberger Heiligenberg gehört noch zum Portfolio der Schriesheimer. Was die Lagen angeht, gibt es keine Überlappungen. Die Erträge rangieren zwischen 75 Hektolitern pro Hektar im langjährigen Durchschnitt (Heppenheim) und aktuell 95 Hektolitern in Schriesheim.
  • Ein gewichtiger Grund für den Blick nach Heppenheim sind auch die aktuellen Umstrukturierungen im Badischen Winzerkeller. Die mutmaßliche Konzentration auf die Belieferung der großen Handelsketten unter Aufgabe des Kleingebindekellers, der unter anderem die Genossenschaften bedient, wird in der badischen Szene seit Anfang des Jahres überaus kritisch beobachtet.
  • Bereits bei seinem Antritt als Geschäftsführer im Sommer dieses Jahres hatte Manuel Bretschi angekündigt, künftig neue Vertriebs- und Absatzwege erschließen zu wollen. Dass nur kurze Zeit später die Gespräche mit der Winzer eG forciert wurden, sei aber nicht mit seiner Person verbunden, sagte er. 

Die 200 Kilometer Anfahrt und aufwendige Traubenlogistik sei einer von mehreren Faktoren, der dazu geführt haben, die Drähte nach Heppenheim zu verstärken, sagt Aufsichtsratsvorsitzender Winfried Krämer, der flächenmäßig größte der Schriesheimer Genossen. Bis in die Kreisstadt dauert die Fahrt kaum eine halbe Stunde. Und weil man sich mit der Bergsträßer Winzer eG ohnehin schon lange gut verstehe, habe man in Heppenheim angeklopft und nicht etwa bei der „Winzer von Baden eG“ mit Sitz in Wiesloch. „Wir können gut miteinander, es passt einfach“, so Krämer.

Ergebnisse bis zum Herbst

Auch mit Blick auf die gemeinsame Zukunft pflege man einen Dialog auf Augenhöhe. Vorstand Reinhard Antes bestätigt das. Es gebe viele Gemeinsamkeiten, sowohl wirtschaftlich wie strukturell. Eine Machbarkeitsstudie, die beim baden-württembergischen Genossenschaftsverband in Auftrag gegeben wurde, soll nun potenzielle betriebswirtschaftliche Synergien prüfen und dabei helfen, den weiteren Kurs zu fahren. Die Ergebnisse sollen im Herbst vorliegen.

Die Zukunft der Mitglieder und der Anspruch an eine gezielt regionale Produktion und Vermarktung sollen in diesem Prozess den Takt vorgeben, heißt es von beiden Seiten der hessisch-badischen Landesgrenze. Die Genossen seien bereits über den weiteren Weg informiert. Sowohl in Schriesheim als auch in Heppenheim habe man aus den eigenen Reihen bislang keine besonderen Widerstände erlebt, so Krämer und Reinhard Antes, der gestern von seinem Aufsichtsratsvorsitzenden Bernhard Boppel flankiert wurde. Vorstände und Aufsichtsrat haben bereits vor längerem für eine Intensivierung der Gespräche votiert. In den kommenden Monaten sollen auch die Genossen den jeweils anderen Betrieb besser kennenlernen.

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In Heppenheim sei man für einen Schulterschluss auch räumlich gewappnet, so Patrick Staub. Im 2014 neu eröffneten Viniversum verfüge man über das nötige Volumen und die Möglichkeiten, um die Kapazitäten der Schriesheimer zu integrieren – besonders die Kleingebinde, die für das breite Sortiment der badischen Kollegen eine besonders wichtige Rolle spielen. Aber auch eine nur teilweise Verlagerung nach Heppenheim unter Beibehaltung der Kooperation mit Breisach zwecks Abfüllung der einfacheren Markenweine für den Lebensmittelhandel sei momentan nicht auszuschließen, so Manuel Bretschi. Der Badische Winzerkeller sei in die laufenden Gespräche eingebunden. Denkverbote gebe es auf allen Seiten nicht. Man müsse nun abwarten, was die Prüfung ergibt.

In der Zukunft mithalten können

Für die beiden Genossenschaften ist eine forcierte Zusammenarbeit auch eine Chance, um die gemeinsame Weinregion besser zu vermarkten. Klimatisch, geologisch und kulturell verstehe man sich ohnehin als Einheit, so Bretschi. Mit einer identischen Betriebs- und Qualitätsphilosophie und verzahnten Strukturen könne man dieses Profil noch stärken, sich im bundesweiten Wettbewerb besser behaupten und dauerhaft positionieren, sagt auch Patrick Staub. Gerade die traditionellen Winzergenossenschaften müssten sich mit Blick auf die Zukunft neu definieren, um mithalten zu können.

Im Kontext des regionalen Tourismusmarketings und unter dem Dach des Unesco-Geoparks Bergstraße-Odenwald arbeitet man im Übrigen schon länger zusammen. Auch in diesen Sparten würden politische Grenzen zunehmend an Bedeutung verlieren, so die Verwaltungsmitglieder. Im Weinbau sehe man dies genauso, betont Reinhard Antes, der die Winzer in einem gemeinsamen Boot sieht.

Keiner spielt den Zahlmeister

Er sagt: In puncto Alters- und Mitgliederstruktur sowie bei der durchschnittlichen Betriebsgröße der einzelnen Mitglieder (circa 1,5 Hektar) spielen die beiden Genossenschaften in der gleichen Liga. Hinzu kommen Rahmenbedingungen wie Klimawandel, Flächenverluste, das allgemeine Problem der Betriebsnachfolge sowie weinbaurechtliche Veränderungen, denen sich alle Erzeuger früher oder später stellen müssten. Auch bei der Vermarktung pilzwiderstandsfähiger Rebsorten (PIWIs) habe man ähnliche Ziele.

„Es ist nicht falsch, auf absehbare Entwicklungen vorausschauend zu reagieren“, so Antes, der die Mitglieder auf dem weiteren Kurs mitnehmen will – und muss. Denn das Genossenschaftsmodell verlangt nach Basisdemokratie. Eine transparente Kommunikation der gemeinsamen Ziele wird eine der maßgeblichen Aufgaben der kommenden Monate und Jahre sein. Dessen sind sich die Vorstände und Geschäftsführer bewusst.

Auch finanziell soll keine Seite ausbluten, betont Winfried Krämer. Wirtschaftlich seien die beiden Partner vergleichbar, keiner müsse „den Zahlmeister“ spielen. Ängste seien hier unnötig. Aber auch sonst wolle man den Prozess behutsam gestalten und nichts überstürzen. Allein aus steuerlichen und finanzrechtlichen Gründen gebiete sich ein umsichtiges Vorgehen, so Krämer in Heppenheim.

Auch Patrick Staub favorisiert eine „organische Entwicklung“ unter Berücksichtigung aller Aspekte. Die ersten Reaktionen aus Gremien und Politik, aber auch vonseiten der Banken, seien überaus positiv ausgefallen und machten Mut, das Ziel weiter zu verfolgen, heißt es aus Heppenheim.

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